30.November 2012
19.00 Uhr
Spinnereistraße 7
Halle 18, 2. Stock rechts
Private Räume sind heilige Räume. Die Durchdringung der Membran zwischen privatem und öffentlichem Raum wurde häufig in der Kunst als Motiv aufgegriffen. In der romantischen Malerei geht es nicht vorrangig um möglichst detailgetreue Milieuschilderungen, sondern um die Vermittlung einer Idee oder einer bestimmten, meist melancholisch gefärbten Gefühlslage. Beliebtes Motiv war dabei das Fenster als Schleuse zwischen Innen und Außen. Die Figuren stehen meistens am Fenster und Blicken in die Ferne, ein Ausdruck eines tiefen Gefühls der Sehnsucht nach einer besseren Welt. Je stärker das gesellschaftliche Leben an Dynamik und Geschwindigkeit zunahm, desto mehr zog sich der Bürger in die eigenen Wohnräume zurück. Man suchte das Intime, Private als Refugium vor einer sich immer stärker beschleunigenden Fortschritts-Euphorie.
Manet zeigte in seinem Balkonbild die verschwimmenden Grenzen zwischen Innen- und Außenraum und somit der Intimsphäre des Individuums und der öffentlichen Schau- und Repräsentationslust.Während die sogenannten Intimisten eher den harmlosen Aspekt des häuslichen Lebens erfassten, gab es auch andere, die die seelischen Spannungen, das wirkliche Innenleben des Menschen zum Ausdruck brachten. Der Innenraum wurde als Erweiterung des menschlichen Unterbewusstseins begriffen und somit zur Projektionsfläche von Angstzuständen und anderen Unheimlichkeiten.Hopper und Hitchcock machen den privaten Raum zum Ziel eines voyeuristischen Blicks und verdeutlichen somit eine sexuell begründete Durchbrechung der Grenzen des im Biedermeier noch so heiligen privaten Raumes. Das Interieur wird zum Exterieur der menschlichen Seelenlandschaft und somit zu einem geeigneten Indikator für das Gefühl einer Zeit mit ihren Spannungen, Sehnsüchten, Ängsten und Hoffnungen.Das Atelier des Künstlers, vor allem das einer Künstlerresidenz wie LIA ist ein Schwellenraum zwischen Öffentlichkeit und Intimsphäre. Einerseits wohnt der Künstler darin, schafft sich also einen privaten Rückzugsort, andererseits dient er gleichzeitig als öffentliche Ausstellungsfläche für die darin geschaffenen Werke. Auch die Kunstwerke können stellvertretend Vermittlerrollen einnehmen und dem Betrachter Zugang verschaffen, zu dem intimsten und privatesten Ort: der menschlichen Vorstellungskraft. Das Bild wird somit zum Exterieur des psychischen Innenraums des Künstlers. Im Dezember zeigt LIA (Leipzig International Art Programm) die Werke der residierenden Künstler, die sich während ihrer Zeit in der Spinnerei mit der Stadt Leipzig, ihren Menschen und der Leipziger Kunstgeschichte auseinandergesetzt haben. LIA ist ein gemeinnütziges Atelierprogramm. Großzügige Ateliers, Ausstellungsmöglichkeiten im In- und Ausland und kulturelle Betreuung bieten.
Das Programm vernetzt junge Künstler mit der lokalen und internationalen Künstlerschaft der Spinnerei.
Marit Dik
Die niederländische Künstlerin befasst sich in ihrer Malerei mit dem Thema der Adoleszenz, einem Übergangsstadium in der Entwicklung des Menschen von der Kindheit zum vollen Erwachsensein. In ihren Bildern zeigt Dik, wie sich junge Frauen in dem Spannungsfeld zwischen
Freiheit, Unabhängigkeit, Existenzangst und Selbstzweifel bewegen. In ihren Collagen verarbeitet Dik vor allem das Verhältnis von jungen Frauen zu ihrer Umgebung, das Leipziger Umfeld, der Zoo oder das Spinnereigelände, spielt dabei eine ganz besondere Rolle.
Samuel Vanderveken
Der belgische Künstler durchstreifte während seiner Zeit in Leipzig verlassene Orte wie Industrieruinen aber auch öffentliche Plätze, Haltestellen und Kirchen auf der Suche nach interessanten Farbkombinationen. Hauptmotive waren dabei neben Graffitis die mit Patina bedeckten Dächer der Pfarrei in Leipzig. Vanderveken fotografierte diese Orte und fertigte danach Farbschemen an, die für ihn typisch für Leipzig sind. Die so entstandenen Studien sind wiederum Vorlage für eine Reihe von malerischen Kompositionen die den Namen „Colours of Leipzig“ trägt.
Irene Wellms
Wellms lebt und arbeitet in Melbourne/Australien. Dort absolvierte sie auch 2001 ihren Meister in
den Bildenden Künsten. Seither beschäftigt sie sich mit der Untersuchung des „psychologischen Dramas“ um die Vorstellung von persönlicher Identität. Die Art und Weise, wie Welms australische Kultur interpretiert, ist stark von ihren europäischen Wurzeln beeinflusst. Die Empfindsamkeit zu Mythologie und düsteren Märchen ist essentieller Bestandteil der Arbeiten Wellms. Die deutsche figurative Malerei, insbesondere der Leipziger Schule, wird dabei von der Künstlerin selbst als Identifizierungsgegenstand genannt.
Mitja Ficko
In seinen großformatigen Gemälden zeigt und Mitja Ficko Schwellenorte, die die Schnittstelle zwischen Mystik und Alltagsleben dokumentieren. Der Wald ist ein immer wiederkehrendes Motiv, denn auch er ist einerseits ein Ort des alltäglichen Lebens, der wirtschaftlich genutzt wird, andererseits gilt er fast überall auf der Welt als Ursprungsort von Volkserzählungen, Märchen, Mythen und Sagen. Lange Zeit war der Wald die Quelle vieler Ängste der Menschen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde er dann wegen der wirtschaftlichen Nutzbarkeit domestiziert und gleichzeitig entmystifiziert. In den Bildern Fickos sehen wir die Bewohner des Waldes, wie sie versuchen in unseren Träumen wieder Kontakt zu uns aufzunehmen und der Natur ihre ursprüngliche, geisterhafte Aura wiedergeben.
Aika Furukawa
Die Darstellung des Faltenwurfs von Stoffen, Gewändern und Draperien ist ein wichtiger Bestandteil der europäischen Kunstgeschichte. Er dient nicht nur der genauen zeitlichen Identifizierung von Kunstwerken, sondern ermöglicht dem Maler oder Bildhauer auch seine Fähigkeiten zu präsentieren. Die Darstellung von Textilien bildet auch den Hauptbestandteil der Arbeiten Furukawas. In ihren Gemälden untersucht sie die Formenvielfalt des Faltenwurfs von zufällig hingeworfenen Kleidungsstücken. „Jeder wechselt am Tag seine Kleidung und wirft sie unachtsam in eine Ecke oder legt sie ordentlich zusammen. So entstehen zufällig oder bewusst interessante Kompositionen“.
Text: Maximilian Rauschenbach
Schlagwörter: LIA