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Interview Teil 2: Geneviéve Pasquier / Dan Courtman [Ehe, Ursprung und Musik]

Interviews / Mai 21, 2011

Während ich mit Geneviéve Pasquier ein Interview führte, und es war ein recht langes Gespräch unter Frauen, betrat ihr Ehemann Dan Courtman von Thorofon den Raum. Er gesellte sich zu uns und somit entstand ein weiteres Gespräch zu dritt. Bei Thorofon steht Geneviéve Pasquier im Hintergrund und kümmert sich um die Live Electronik. Dieses gesamte Interview bereitet mir sehr viel Spaß! Wir haben im Backstage viel gelacht und mir wurde das neue Album von Geneviéve Pasquier „Handle with care“ geschenkt und signiert. Herzlichen Dank!

Habe ich Sie eigentlich schon gefragt, wo Sie sich in der Zukunft sehen?

Geneviéve Pasquier Ja, das haben Sie!

Dan Courtman: Und wo?

Geneviéve Pasquier: Wahrscheinlich mit dir zusammen auf einer Parkbank. Du mit Stock und unter Bäumen mit einer Flasche Rotwein und sagend: „Sind wir immer noch zusammen?“

Dan Courtman: Egal, wo wir sind! Hauptsache, wir sind zusammen!

Sie haben Ihre Frau involviert und ihr den Weg gewiesen?

Dan Courtman: Ja, ich habe sie in die Welt der elektronischen Subkultur eingeführt!

Wie haben Sie sich kennengelernt?

Dan Courtman: Wir haben uns in der Schule kennengelernt. Wir wollten beide nichts voneinander. Jahre später sahen wir und im Jungendclub wieder und dann fing alles an!

Wie lange sind sie schon zusammen?

Dan Courtman: Seit 99 und seit 8 Jahren verheiratet.

Wie hält sich ihre Liebe?

Wir unternehmen viel zusammen und wir lassen uns gegenseitig unseren Freiraum. Selbst wenn, der eine nur auf dem Sofa ist und der andere am Computer. Wir tolerieren uns einfach. Wir haben auch einen gemeinsamen Freundeskreis und das hält eher zusammen als wenn es ein unterschiedlicher Freundeskreis wäre. Wenn Menschen ein getrenntes Leben führen, so ist ungesund für die Beziehung.

Verbindet Sie die Musik?

Auch, aber es ist nicht der größte Teil. Es ist auch die Liebe und irgendwas hält uns zusammen!

Sind Sie wie zwei verbundene Ringe?

Geneviéve Pasquier Weniger, so verkettet sind wir nicht! Es variiert von Tagen indem man sich liebt und von Tagen der Gewohnheit.

Dan Courtman: Wir sind auch nicht pedantisch verpicht darauf unseren Hochzeitstag zu zelebrieren, wie bei dem Fasching. Wir können uns das ganze Jahr über verkleiden. Wir leben uns das ganze Jahr über aus, auch beim Einkaufen in der Kleinstadt.

Waren Sie als Kind schon anders?

Geneviéve Pasquier Wenn man die Fotos von früher betrachtet, dann nicht! Aber, durch die Charakterzüge und wenn man seinen Eltern zuhört, dann schon!

Dan Courtman: Sagen wir mal so: Ich bin sehr sensibel, wenn ich irgendwo Leid sehe, welches mich als Kind schon faszinierte, weil es fernab von jeglicher Normalität war. Mich langweilen normale Sachen. Kinder haben im Kindergarten Blümchen gemalt und ich malte Tod und Autounfälle. Die extremen Sachen malte ich oder tat dies. Es war für mich Kunst! Wenn es banal war, dann musste es etwas Extremes haben, damit es mich ansprang. Ich glaube das ist bei den meisten Künstlern so. Ja, denn wenn man das Normale sucht, wird man kein Künstler. Wenn jemand das Normale reicht, besitzt man nicht den Drang sich darzustellen. Entspannungskünstler sind diejenigen, die Landschaften malen und Blümchen pflücken. Wenn dann irgendwie andere Künstler etwas aus der eignen Welt fabrizieren, dann hat es etwas mit verarbeiten zu tun. Bei mir ist es schon so, dass ich über die Musik verarbeite.

Wie sind Sie, Mr. Courtman, zur Musik gekommen?

Bei mir war es eher ganz anders. Ich saß allein und verlassen in meinem Kinderzimmer. Freunde hatte ich schon, aber ich war als Kind schon verhaftet mit Weltschmerz. Ich war, bei uns in Bayern, fasziniert von den Fliegersirenen oder Feueralarm, die über die Dächer brausen. Mit einem alten Kassettenrecorder von meinem Vater nahm ich die Geräusche auf. Ich habe sehr viel aufgenommen, z.Bsp. Geräusche von UKW Sendern, Störgeräusche etc. und dazu Musik unterlegt. Dann kam die Zeit, als ich Kassetten aufnahm, die Tonbänder geschnitten  und Schleifen draus gebaut habe. Ich war ungefähr 10/12 Jahre. Später kam dann der Punkt, dass ich durch Klassenkameraden aus der schwarzen Szene Kassetten zugesteckt bekam. Es waren u. a. lustige Sachen dabei, wie Goethes Erben. Und dann bekam ich erst einmal mit, dass ich nicht allein auf dieser Welt so verrückt bin, dass auch andere Leute auch auf so etwas stehen. Mit 14 /15 Jahren habe ich erst die Leute entdeckt, die anders waren. Dann ging man in Diskos, in denen Black House, White House und Einstürzende Neubauten gespielt wurden. Man merkte dadurch, dass man nicht nur einzelne Tape Loops erstellen kann, sondern auch einzelne Songs. Aus Geräuschen wurden Stimmungen!

Wie wurde die Musik etabliert?

In den 90ern war das noch anders. Internet gab es nicht und man war völlig auf sich allein gestellt, denn es gab ja nichts! Es hatte aber alles seinen Charme, vieles erfuhr man langsamer. Es war nicht so wie heute, das Industrial gegoogelt wird und 1000 Seiten einen zumüllen. Nach einer Einwirkungszeit von 3 Tagen ist das Thema durch. Damals war es ein langsamer Prozess. Später gab es die Schallplatten, die Ultra Limitiert waren für 300 DM. Ich fragte jemanden, ob ich diese Platte auf Kassette überspielt bekomme. Gab es eine Nummer auf der Platte, die gern gemocht wurde, aber eine schlechte Kassettenaufnahme mit Knistern und Knacken hattest, dann ging ich wirklich jeden Samstag in die Disko, um nur dieses eine Lied ordentlich zu hören. Heute geht man auf You Tube und nach 10 Tagen ist es vergessen, weil es schon wieder Neues gibt.

Wie sind Sie dann weiter gekommen?

Als erstes mit Kassetten. Es war so üblich. Es wurde eine Kassette gekauft, nimmt diese nicht wie üblich über ein Tonbandgerät auf, sondern auf einem Kassettentonband. Davon werden 10 Stück hergestellt und damit begibt man zu den Leuten in die Diskos, die zu dieser Musik tanzen. Damals konntest du noch die Kassetten zum spielen beim DJ abgeben. Wenn der Track fertig war, ist man zum DJ gegangen und bat ihn darum, diese Kassette zu spielen, wenn Industrial kommt. Es wurde auch gespielt, wenn der DJ einen kannte, mit dem, was man fabrizierte. Wenn darauf getanzt wurde, dann wusste man, dass es die Leute mögen. Dann wurde durch die Disko stolziert! „Hey, das war gerade ich!“ Entweder wurde dir das geglaubt oder nicht. Dann verkaufte man seine Kassette für 5 DM und hangelte sich nach oben. 20-30 Leute wurden bedient, dann 40-50 bis der Punkt kam: „Ok, ich habe jetzt keine Lust mehr auf Kassetten!“ Ich wollte dann etwas haben, was in der Fabrik hergestellt wurde. Eine erste Schallplatte, aber das kostete auch 600 DM!

Wer hat das dann finanziert?

Alles aus eigener Tasche, eignes Geburtstagsgeld und alles selbst angespart. Die erste Single, 7’inch, habe ich zusammen mit einem Bekannten erstellt. Er eine Seite und ich eine Seite (Split) und uns die Kosten von 200 Stück geteilt. Ich war ganz stolz und zeigte es meinen Eltern. Mein Vater sagte: „ Für so einen Scheißdreck gibst du Geld aus!? Du musst ja blöd sein!“ Das hat dann auch sehr lange gedauert. Mittlerweile akzeptieren es unsere Eltern, dass das Musik sein kann. Es gibt auch andere Arten von Musik. Für unsere Eltern war es unverständlich. Stück für Stück ging es weiter … Die nächste LP war 500 Stück und es ging bis zu einer Stückzahl von 1000 im Eigenvertrieb.

Und weiter?

Ich habe mich dann nach einem Label umgeschaut. Schaute mir die Label-Struktur an, wie es funktioniert. Du machst eine Platte, verkaufst die an Läden und die verkaufen diese Platte weiter. Damals war es relativ einfach. Wenn man eine Platte aufzieht, mit einem Cover, dann kommt es bei den Leuten gut an. In der heutigen Zeit ist es verdammt schwierig. Wenn nicht ein gewisses Label hinter dir steht, die überall ihre Nischen zum verstreuen haben, dann ist es für sehr gute Bands sehr schwierig. Wir kennen viele gute Bands, die vor 10-15 Jahren die Burner gewesen wären. Ihre Verkaufszahlen liegen gerade mal bei 100 CDs – das ist sehr schade!

Geneviéve Pasquier: Das ist eine Krankheit der Moderne! Derjenige, der Geld besitzt, kann auch dementsprechend Werbung in Magazinen schalten und bekommt den Erfolg. Derjenige, der kaum etwas besitzt und sich nur selbst vermarkten kann, bekommt keine Chance mehr. An dieser Situation sind die größeren Labels schuld! 10.000 € für eine CD Werbung kann sich kaum einer leisten.

Dan Courtman: Man muss dann eben mit etwas anderen Punkten. Mit eigener Symbiose und eigenem Sound!

Geneviéve Pasquier Das schaffen die Wenigsten. Es ist schwierig! Die Anstrengung ist extrem und der Versuch überall präsent zu sein, um die Leute zu erreichen, die diese Musik hören. Nun sind wir wieder bei der Szene. Das was auf der Orkus-CD vorhanden ist, ist „in“. Ehrlich gesagt, auf dieser CD kaufen sich die Bands ein! Dieses Wissen hat der Käufer nicht. Der Leser kauft sich das Magazin, denn darin ist Angesagtes, das Neuste, das Tollste! Nicht alles ist übel, aber es ist auch nicht schön, den anderen Künstlern gegenüber.

Dan Courtman: Unser Heil liegt daran, dass es so viele Genres gibt, welches die Electronic Schiene bedient, wie „Trentemøller“! Es hat mehr den Touch von früher. Dieses Ehrliche, Gemeine – es ist die Authentizität! Die heutige Szene ist es eine Karikatur. Man hört dann diese Verarsche „schwarz macht schlank“. Bei den jungen Leuten kommt natürlich gut an, aber bei unserer Generation eben nicht.

Damals bewegte ich mich auch anders als heute. Wir sind doch die selbige Generation?!

Dann kennen Sie das ja! Ich finde es toll, wenn sich Menschen in der Welt umschauen. Man sollte sich treu bleiben, aber auch keine Angst haben vor Veränderung. Mir wäre es zu langweilig nur in der schwarzen Szene zu sein. Bei mir war es auch etwas gradliniger. Ur-Elektronisch, Krach, Noise, Industrial, am besten kein Rhythmus, nur Lärm. In meiner Jugendzeit war das toll, nur dreckige und rauschende Sounds und Geschrei. Es war die Energie pur!

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