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Interview Teil 1: Geneviéve Pasquier / Stil, Reiz, Musik und Unbeschreiblichkeit

Interviews / Mai 21, 2011

Im wahren Leben ist Geneviéve Pasquier schüchtern und auf der Bühne eine Anmut. Ihre Musik ist unbeschreiblich – ihre Stimme famos. Rot ist die Lieblingsfarbe ihres Lippenstiftes. Der größte Kritiker ist immer noch sie selbst und Liebe beflügelt, wenn es die Richtige ist, sagte sie. Musik und Grazie kannte ich nur von Aussagen anderer. Ich traf Geneviéve Pasquier spontan nach ihrem Konzert in der Villa, Leipzig. Veranstaltet wurde das Post Industrial Cabaret mit OBJEKT/URIAN (Tesco Organisation) GENEVIÈVE PASQUIER (UMB/Ant-Zen) und M.O.P.M. von Neulicht-Party & Lärmbelästigung. Geplant und organisiert von Chris, Member der Lärmbelästigung. Die Fotos wurden von Jens Witt [schwarze Presse] A2M zur Verfügung gestellt!

Madame Pasquier, Sie haben einen gewissen Reiz auf der Bühne. Wie schaffen Sie es sich so in Szene zu setzen?

Es ist die jahrelange Erfahrung!

Kommen Sie aus dem Theater?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe früher als Kind kurzzeitig Ballett getanzt, aber ich glaube nicht, dass es viel dazu beigetragen hat. Es war in der Pubertät, als ich vor dem Spiegel und vor dem Kleiderschrank stand, um mich auszuprobieren, zu kokettieren. Es ist mit der Zeit mehr und mehr geworden.

Wie sind Sie zur Musik gekommen?

In die Richtung des Industrials durch meinem Mann.

Dennoch ist Ihr Erscheinungsbild eher 20er Jahr?

Ich komme auch nicht aus der Industrial Szene. Ich bin, wie sagt man so schön, „Popper“. Festgelegt habe ich mich wirklich nie. Durch meinen Mann bin ich erst in die Szene gerutscht und in Berührung zur dieser Musik gekommen. Ich fand das klasse und sehr interessant!

Mein Kleidungsstil variiert, ob 20er, 50er, 60er, selbst völlig normal in Jeans, schlapprigen Oberteil oder Totenkopfshirt. Ich kleide mich nach Gefallen und lege mich nicht auf die Zeit fest. Wenn man meine Mutter fragen würde, würde sie sagen, dass ich als Kind schon ein bisschen komisch war.

Ich kannte Ihre Musik noch nicht. Es war sehr schwer Sie in eine Schublade zu stecken. Herausgehört habe ich die Stile des Industrial, Electro, Minimal und Chanson!

Ich greife einfach alles auf, was mir gefällt. Musikalisch und Gesangstechnisch. Darin wollte ich mich auch nie festlegen. Ob es ist die Szene passt, ist mir egal.

Sie singen in Französisch und Englisch. Warum kein Deutsch?

Ich habe mich noch nie an ein Lied in Deutsch herangetraut, denn deutsche Lieder sind immer sehr schwierig. Es ist einfacher ein Lied in Englisch zu singen, anstatt in der Muttersprache. Es liegt wohl daran, dass man selbst Deutsch ist und diese Musik teilweise merkwürdig klingt! Die deutschen Chansons von früher klingen sehr schön, aber ich möchte so wenig wie möglich nachsingen. Irgendwann wird es noch kommen, dass ich ein Lied in deutscher Sprache aufnehmen werde.

Wie würden Sie Ihre Musik beschreiben?

[*Gekicher im Raum*]Ich weiß es nicht, denn ich kann es nicht einordnen!?

Aber Sie wissen, was sie tun?

Ich weiß sehr gut, was ich tue. Ich weiß auch, dass es sehr schwer ein zu kategorisieren ist, dadurch, dass ich mich nicht festlegen möchte und kann es für mich nur als befreiend beschreiben.

Haben Sie Vorbilder?

Vorbilder zu haben ist eine schwierige Sache, denn wenn man jemanden nennt, wird man in eine Schublade gezogen. Natürlich gefallen mir Burlesque Tänzerinnen wie Dita van Teese und direkt diejenigen, die aus den 20er sind. Ich finde aber auch Liselotte Pulver, sowie Madonna toll. Man adaptiert in Laufe des Lebens von vielen Personen Kleinigkeiten.

Sehen Sie zu jemand auf oder hatten Sie Poster in Ihrem Zimmer?

Es gibt viele tolle Menschen, aber ein Poster hatte ich noch nie an den Wänden und werde auch nie irgendwo ein Poster haben. Ich glaube, dass ich das einzige Mädchen war, die früher keine Poster in ihrem Zimmer hatte. Ich hatte gerade mal Bilder u.a. von einem Nilpferd mit Luftballons. Doch einmal hatte ich ein Poster – ich kannte weder den Typen noch seine Musik. Es war einfach nur, weil mir das Bild gefiel- es war von Alice Cooper. Jahre später wusste ich, was er für Musik macht.

Wie sind Sie zu Ihren Namen gekommen?

Eigentlich ganz einfach. Mein Mann sagte: „ Wenn ich in die Szene will, dann brauch ich ein Pseudonym!“ Ich schnappte mir das nächstbeste Buch und den schönsten Namen, den ich las habe ich genommen. Das Buch hieß „Die Hexe von Paris“ von Judith Merkle Riley.

Um was handeln Ihre Songs?

Meist von erlebten Dingen und ich arbeite meine Pubertät auf. Teilweise geht es um Sex und um verschmähte Liebe.

Wo werden Sie kreativ?

Das fängt an in der Dusche – ein typischer Ort um kreativ zu werden. Man sitzt auf dem Sofa, schaut fern und dann kommt ein guter Satz, auf dem man etwas aufbauen kann. Ich nehme mir mein kleines Büchlein in die Hand, schreibe diesen Satz hinein und später wird mehr daraus. Im Garten, im Haus, wenn man unterwegs ist – ich habe keinen festen Ort und keine feste Zeit, um kreativ zu werden.

Warum haben Sie sich die Bühne erwählt?

Es ist schwierig! Auf der einen Seite ist es wunderschön bewundert zu werden, etwas zu präsentieren und zu sehen, dass es einem gefällt. Auf der anderen Seite ist es, sich ausleben zu können und Seiten von sich zu zeigen, die man im wahren Leben nicht zeigt. Auf die Bühne zu gehen ist für Jeden ein Reiz.

Aber viele schaffen es nicht!?

Ja, viele schaffen es nicht. Ich war auch nicht überzeugt, dass ich es jemals schaffen würde. Es hat auch ewig gedauert. Erst spielten wir auf einem Geburtstag, ein ganz kleines Konzert bei Bekannten und später kam die Anfrage zur CD Produktion, seitdem hat es sich verselbständigt.

Sie haben Ihre Pubertät erwähnt. Warum wollen Sie diese aufarbeiten?

Meine Pubertät war schwierig, wie wahrscheinlich bei vielen Mädchen und Jungs. Meine Mutter sagte, dass ich mich schon immer anders anzog. Wenn man Bilder von mir sieht, sieht man, dass ich schon immer Prinzessin sein oder einen Hut von Mutti aufsetzen wollte. Und wenn man dann mit 12/13 in die Realschule geht und das noch immer so extrovertiert kleidet, wie alle anderen, wird man sehr schnell ausgegrenzt. Ich verarbeite diese Ausgrenzung, gerade die von anderen Mädchen. Die Jungs schauen einen auch nicht an und man wird verarscht. Heute nennt man das Mobbing. Im Endeffekt verarbeite ich alles, was ich erlebt habe. Damals war ich in einem Internat. Einen Groll und ein Problem habe ich heute nicht mehr mit den Leuten von damals. Gewusst habe ich es, dass ich polarisiere, nur konnte ich es nicht abstellen.

Was bedeutet für Sie Musik?

Musik ist wichtig und ein Teil meines Lebens – wird wohl auch immer so bleiben. Musik ist Genuss! So wie ein Stück Schokolade ist ein gutes Lied, welches einem im Sessel ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Stellen Sie sich vor, wir gehen durch die Straßen. Was sehen Sie?

Hauptsächlich Menschen, die mich anschauen und schöne Gebäude.

Menschen, die sie anschauen? In welchem Sinne?

Im Sinne von: Schau mal, wie die aussieht! Jungs schauen schon wieder anders. Meinem Mann fällt das eher auf als mir. Die Menschen blende ich mittlerweile aus. Ich sehe sehr viele Hunde in der Stadt, denn wenn man selber einen Hund hat, sieht man diese Tiere schon eher.

Aha, Sie haben also einen Hund?!

Ich habe einen Hund und eine Katze.

Was lieben Sie?

Ich liebe Blumen und Seifenblasen. Seifenblasen sind das schönste der Welt – egal wann und wo!

Was tun Sie, wenn Sie keine Musik machen?

Sehr viel lesen. Ich verschlinge alles von Krimis, Fantasie, Science Fiction und Abhandlungen psychologischer Art. Es wird alles mitgenommen. Lesen ist für mich Entspannung, Abschalten und das Versinken in andere Welten.

Was mögen Sie als Frau ganz besonders?

Schuhe! [*Gekicher unter uns Frauen], Kleidung und Schokolade!

Wo fühlen Sie sich am wohlsten?

Zu Hause in meinem Garten. Ich pflanze dann auch. Wenn der Garten soweit wäre, dann würde ich gerne Beete pflanzen.

Wie sollte eine Frau auf der Bühne wirken?

Selbstbewusst, eindeutig Selbstbewusst und zu dem stehen, was sie tut.

Was halten Sie von Szene und Fashion?

Ich halte für mich persönlich gar nichts davon, denn jeder Mensch sollte so viel Selbstbewusstsein haben, um seinen eignen Stil zu besitzen. Das sich eine Szene aufgrund von Kleidung bildet oder nur darauf basiert, ist schade und arm. Es ist der Ausdruck keiner eigenen Meinung.

Industrial?

Leider am aussterben!  Das was in der heutigen Szene als Industrial bezeichnet wird, gleicht dem, was ich früher als Techno kannte, nur leicht übersteuert. Der Ur-Industrial, aus den 70ern, ist leider am Aussterben. Zu viele Menschen meinen, dass sie jetzt einen Computer  haben und daraus Musik machen – durfte weder Gitarre noch Rhythmus enthalten, einfach nur blanke Geräusche.

Szene?

Ich fühle mich keiner Szene zugehörig! Ich mische alle Stile von den 20ern mit den 50ern. Die 60er, 80er, 90er, etc. … alles, was schön ist, wird mitgenommen!

Was bedeutet für Sie Freiheit?

Ist das wichtigste, was es gibt. Leider mit Einschränkungen!

Wo sehen Sie sich in der Zukunft?

Es ist zwiegespalten! Auf der einen Seite habe ich diesen Antrieb, dass ich höher hinaus will und auf der anderen Seite ist die Angst dabei. Je mehr man macht, je mehr Mainstream, je größer die Bühne desto mehr Abstriche muss man von seinen bisherigen Leben und der Freiheit machen. Von daher weiß ich nicht, ob ich gewillt wäre dies zu tun. Ein Major Label würde ich mir genau überlegen. Meine persönliche und meine künstlerische Freiheit würden darunter leiden. Ich kenne einige, die zu Major Labels übergegangen sind. Sie haben harte Verträge. Major Labels mischen sich in die Musik ein, so dass es nicht mehr so ist wie zuvor. Von den Booking Agenturen wird man überall hingeschickt, ob du willst oder nicht. Ich mag es eher, alles selber zu machen. Wir bekommen natürlich Angebote von Labels, aber es liegt an uns, ob wir möchten oder nicht. Selbst die zeitliche Planung liegt an uns und ich finde das ganz gut so.

Worauf schauen Sie, wenn Sie gebucht werden?

Ich schaue auf den Zeitrahmen und dass Auftritte nicht zu nah jeweiliger Städte gelegen sind. Ich spiele sehr gern und lass mich gern überraschen. Mein Mann informiert sich mehr als ich. Seit 11 Jahren mache ich nun Musik und dann merkt man, ob es passt oder nicht.

Wie viele Alben gibt es von Ihnen?

Es sind 4 eigenständige Alben + diverse LPs, Singles oder ähnliches.

Wie war es für Sie, als Sie ihr erstes Album in den Händen hielten?

Es war irgendwie bizarr! Man kennt es ja, man kauft ein Album und hört sich dieses an. Plötzlich etwas in den Händen zu halten, auf dem das eigene Gesicht drauf ist, die eignen Songs und sich selbst auf einer CD singen zu hören, war am Anfang ein merkwürdiges Gefühl. Es ist wunderschön und befremdlich zugleich. Menschen kaufen sich mein Album und schreiben darüber – es war wirklich bizarr. Leider wird es mit der Zeit zur Normalität. Ich freu mich immer noch über jeden Tonträger, aber es ist eine kurze stille Freude und alles etwas nüchterner. Die Euphorie nimmt mit der Zeit ab, aber die Liebe bleibt und ist ungebremst. Das erste Mal ist es immer schön, wie wenn man zum ersten Mal in einen Zirkus geht.

Können Sie sich noch an Ihren ersten Bühnenauftritt erinnern?

Das erste Mal war mit dem Projekt meines Mannes namens „Thorofon“. Es war alles total überstürzt, denn wir waren erst kurz zusammen. Er erkannte, dass ich mit der Technik sehr gut klar kam, somit musste ich mit auf das ein Konzert in Rostock. Es war echt cool, aber ich war sehr nervös. Die Zeit verging sehr schnell, aber zuvor war es die Hölle an Nervosität.

Wie fühlen Sie sich jetzt auf der Bühne?

Auf der Bühne fühle ich mich sehr gut. Ich stelle nur einen gewissen Teil zur Schau mit gewissen kokettieren von Reizen, teils schon schlampig. Ich kokettiere schon gerne, aber auf der Bühne bin ich nicht zu Hause.

Wo sind Sie zu Hause?

In meinen Garten! Ich liebe meinen Garten!

Sie wohnen in Bayern. Was gefällt Ihnen an Bayern?

Alles! Die Landschaft, die Leute, die Dörfer, die Städte – Bayern ist einfach schön!

Sie sind verheiratet! Wie hat Ihr Mann Ihnen einen Antrag gemacht?

Oh Gott, eigentlich war es ganz süß. Wir waren drei Monate zusammen und sitzen beim Chinesen und irgendwann kam die Frage: „Hey Du, eigentlich können wir heiraten!“ Ich: „Nö, vergiss es!“ Erneute 3 Monate später: Wir sind früher ins Jugendzentrum gegangen und in der Nacht kniete er sich auf die Bahngleise und machte mir einen Antrag, somit sagte ich „Ja!“

Wie war die Hochzeit?

Für uns sehr hektisch. Die Gäste hatten mehr davon als wir selbst!

Möchten Sie Kinder?

Ich möchte sehr gern Kinder und hätte auch schon Namen. Wird es ein Junge, so soll er Vincent heißen und wenn es ein Mädchen wird, dann Sophie-Marlen.

Ihr Mann, Dan Courtman, betrat den Raum …

…weiter geht’s mit diesem Interview im Teil 2!


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