2016 biegt mit großen Schritten auf seine Zielgerade ein. Doch der Musikmarkt schläft nicht und Weihnachten steht ja auch vor der Tür.
Beginnen wollen wir unsere Oktober Turntable mit einem, der als Sänger vielleicht als One-Hit-Wonder gilt und als Songwriter wohl einer der Erfolgreichsten überhaupt ist – Albert Hammond. 360 Millionen verkaufte Einheiten gehen auf sein Konto. „It never Rains in Southern California“ kennt mit Sicherheit jeder. Doch wer wusste, dass „One Moment in Time“ von Whitney Houston, „Nothing gonna Stop us Now“ von Starship oder das von den Hollies gesungene „The Air that I Breath“ auch von ihm stammte? Sicher die Wenigsten. Mit „In Symphony“ will der 1944 in London geborene Hammond, dass nun ändern. Zusammen mit einem Orchester nahm Hammond seine bekanntesten Stücke in den Abbey Road Studios neu auf. Herausgekommen ist eine tolle Zusammenstellung von zeitlosen Klassikern. Der 72 jährige Albert Hammond beweist, dass er auch stimmlich noch richtig gut drauf ist. Da macht es wirklich Spaß ihn und seine Songs neu zu entdecken.
Kommen wir zu einer weiteren Legende. Chrissie Hynde und die Pretenders. Die Band die wohl als eine der wichtigsten Wegbereiter des Punks gilt und ihre charismatische Frontfrau haben mit „Alone“ am 21. Oktober 2016 ihr zehntes Studioalbum herausgebracht. Nimmt man es ganz genau, bestehen die Pretenders auch nur noch aus Chrissie Hynde. Die Sängerin und Gitarristin ist das einzige verbliebene Gründungsmitglied. Zusammen mit dem Produzenten Dan Auerbach schuf sie ein verdammt gutes Album für den Herbst 2016.
„Alone“ ist vorallem eins, rau und kantig. Und dennoch ist es vielschichtig. Neben Bluesrock und Rock ’n Roll finden sich auch sehr viele Sixtieseinflüsse. Gerade die ruhigeren Stücken lassen den Soul der Sechziger sehr gut rüberkommen. Ein Album was Fans und Neulinge sicherlich gleichermaßen beigestern könnte. Chrissy Hynde ist mit ihrer lakonischen, gar zynischen Stimme allgegenwärtig. Stücke wie „Never be together“ oder „Blue eyed Sky“ beweisen dies in bestechender Form. Hynde at her Best! Warum hat es acht Jahre gedauert ?
Nach Deutschland. Jan Sievers, Singer&Songwriter aus Hannover, vom Stern mit überschwänglichen Kritiken beehrt und Support von Silly. Steile Karriere! Vorallem wenn man bedenkt, dass sein Song „Die Suche“ mehr als 1,8 Millionen Mal bei YouTube und MySpace geklickt wurde. Mit „Neue Heimat“ hat er nun Album Nr. 2 veröffentlicht, dass mit Hilfe von Crowdfunding finanziert wurde.
Was von Anfang an auffällt ist der gewisse Hymnenfaktor, der von ihm immer wieder mit eingestreut wird. Man merkt dem gebürtigen Trierer an, dass er sich lange für die Stücke Zeit genommen hat. Er besingt Themen wie Entschleunigung, vom Ankommen und vom Loslassen. Genau das was einen Menschen im besten Alter bewegt. Hat man das erreicht, was man sich als Ziel gesetzt hat? Ist man dort wo man hin wollte?
Sievers bietet auf seinem Album einen Mix aus klassischem Singer/Songwriter Material und handgemachtem Pop. Doch es geht auch rockig. „Neue Heimat“ ist ein perfektes Album für den Herbst. Zum Nachdenken, zur Anregung.
Wer hat schonmal etwas von Marc O’Reilly gehört? Niemand? Ich gebe zu, ich kannte ihn bis vor wenigen Tagen auch nicht. Mit „Morality Mortality“ bringt der Musiker aus Waterford in Irland sein zweites Album auf den Markt. Eigentlich ist O’Reilly studierter Arzt, doch irgendwann entschied er sich, Berufsmusiker zu werden – eine weise Entscheidung.
„Morality Mortality“ ist ein verdammt gutes Album. Irgendwo zwischen Irishfolk, Blues und Indierock gelegen, wird hier die Seele berührt. Marc O’Reilly bringt mit seiner Stimme, deren Timbre irgendwo zwischen William Fitzsimmons, Chris Martin und Bono liegt, immer genau den richtigen Schwung in die Songs. Die Songs wirken alle in einer Weise fast sessionartig – erinnern an die gewisse experimentelle Gitarrenarbeit der White Stripes. Das macht Spaß und klingt frisch. Oft arbeitet O’Reilly abseits klassischer Songstrukturen. Ich bin mir sicher, live ist der Mann absolut sehenswert! Im November ist der Ire in Deutschland auf Tour.
Anspieltipps: „Generica“, „Simian Times“ oder „Compromise“.
Ich gebe zu, oft sieht man den Wald vor lauten Bäumen nicht. Fast täglich bringt eine Band irgendwo ein neues Album heraus und da die Highlight zu entdecken, gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. „Flight Brigade“ ist so eine Nadel. Mit „Our Friends Our Enemies“ hat die siebenköpfige Band aus Großbritannien nun ihr Debütalbum vorgelegt.
“Unsere Beziehung ist der Antrieb für alles. Man kann es sehen, hören und in unseren Songs fühlen. Durch die Einflüsse eines jeden einzelnen, sowie deren Spannung untereinander, entsteht unser Sound. Wenn wir nur ein Mitglied weniger wären, würden wir eine ganz andere Band sein.” – äußert sich der Frontmann Ollie Baines. Er und seine Frau Mirian haben die Gruppe gegründet. Diese gewisse Beziehung und Energie kann man an allen Ecken und Enden spüren: Epische, gar hymnenhafte Songs prägen die Platte. Soundmäßig irgendwo zwischen Manic Street Preachers, Radiohead und Arcade Fire gelegen, haben sich die Sieben dennoch eine eigene Identität aufgebaut.
Songs wie „39 Steps“, „Hurricane Season“ oder „When We Were Young“ bieten eine wunderbare Abwechslung und laden immer wieder zum Entdecken ein. Ich bin mir sicher, bleibt die Band am Ball – können die Briten ganz nach oben gelangen und Großbritanniens neuester Exportschlager werden – trotz Brexit!
Schlagwörter: Albert Hammond, Chrissie Hynde, Flight Brigade, Jan Sievers, Marc O'Reilly, Pretenders