Nachdem sich der ‚fahle Kaiser‘ (The Pale Emperor) im Januar 2015 tatsächlich ein wenig „blass“ präsentierte, meldete sich der selbsternannte Anti-Christ im November 2016 aus gegebenem Anlass zurück. „Bargeld ist das Geld der Armen“ – verkündete er in einem Teaser zu einem unveröffentlichten Song, den er mit ‚Say10‘ betitelte. Als geistliches Statement wird in alter Manson-Manier eine Bibel zerrissen. Dann folgt ein politisches Statement: Diesmal in Form eines exekutierten Präsidentschaftsanwärters (Donald Trump), der nichtsdestotrotz, kurz darauf zum 45. US-Präsidenten ernannt wurde.
Das nun heiß ersehnte Album (laufend unter dem Arbeitstitel) ‚Say10‘, sollte nicht nur ein gekonntes Wortspiel in Anspielung auf den Höllenfürsten selbst, sondern auch das 10. Studioalbum der Schocklegende darstellen. Die Gerüchteküche über das am 14.02.2017 erscheinende Album brodelte. Die hungrigen Fans fanden sich bereits bei Tisch ein und dann… … passierte erstmal lange Zeit gar nichts…
Marilyn war unzufrieden mit dem abgelieferten Ergebnis seiner Band, denn es gab diverse Unstimmigkeiten und eine weitere familiäre Tragödie. Diverse inhaltliche Spekulationen und obskure Videobotschaften später stand das Release der neuen Platte dann fest: 06/10/2017 betitelt mit ‚Heaven Upside Down‘.
Und dass dieses Meisterwerk mal so gar nicht wie 2015 klingen mag, offenbart uns Manson gleich bei dem ersten Song „Revelation #12“. Apokalyptisch, aggressiv und mit verzerrter Stimme verkündet der dunkle Prophet nicht nur die 12. Offenbarung, nach welcher Eva im Paradies auf die Schlange (den Satan) traf, sondern läutet auch gleich mal das Ende der Welt ein.
Bereits mit dem kryptischen Titel ‚Tattooed In Revers‘ wird erneut die Bibel-Keule geschwungen:“So f*** your Bible & your Babel“ heißt es in dem elektronisch angehauchten energiegeladenen Stück, indem Manson’s Stimme erfreulich frisch und kraftvoll wirkt. Die erste Singleauskopplung (September 2017), betitelt mit ‚We know where you f***ing live‘, lässt musikalisch tatsächlich eine gewisse Nostalgie aufkommen – das dazugehörige Video wiederum sicher hier und da eine Nonne gar erbleichen und beschwert dem ein oder anderen Messdiener seither Nacht für Nacht feuchte Träume.
Und auch die aktuelle Videoauskopplung (Oktober 2017) zu ‚Say10‘ lässt auf dem Index keine Wünsche offen. „Es geht um die verzweifelten Taten von Menschen, die an etwas glauben, dass ihnen ein Ungläubiger predigt“ – Zitat Marilyn Manson (2016).
Im skandalträchtigen Video mit von der Partie – kein geringerer als Schauspielschnuggelchen & Old-best-friend Johnny Depp, als Gott/coCainE, während Manson selbst die Rolle des Satan/Abel einnimmt. Eine beispiellose Umsetzung, die sich einiger Grauzonen und Eigeninterpretationen bedient. 2te September-2017-Single-Auskopplung „KILL4ME“ erinnert dann schon eher an eine Mischung der beiden Vorgängeralben und lädt mit seiner lässigen, schwungvollen Melodie zum Tanzen ein.
Mit nahezu 8-Minuten präsentiert sich Track 06 als längster Song des Albums und klingt wie eine morbide Liebeserklärung (an seinen am 07.07.2017 verstorbenen Vater Hugh Warner). „When all your demons die even if just one survives. I will still be here to hold you no matter how cold you are“. Auf früheren Alben verhasst, am Ende geliebt – ist es nach wie vor meist die Vaterfigur, die einen jungen Mann bis hin ins Alter formt. Mit diesem archaischen Datum verbunden und der im August 2017 für Spekulationen sorgenden Sonnenfinsternis (auf dem nordamerikanischen Kontinent) scheinen einmal mehr mythologische und horoskopische Ereignisse mit dem Leben des Künstlers einher zu gehen.
Kaum, dass man sich voll und ganz den Klängen zu ‚Saturnalia‘ hingegeben hat, geht es gleich weiter zum nächsten tanzbaren Hörgenuss: ‚JE$U$ CRI$IS‘ ist textlich vielleicht nicht der Messias, überzeugt jedoch mit seinem perfekten Arrangement aus ausgefallenen basslastigen Beats. Nicht zuletzt durch den harten Break bei 2:10min und der darauffolgenden Aggressivität.
‚Blood Honey‘ hingegen bildet den vermeintlichen Ruhepunkt der Platte und verströmt eine melancholische wie auch depressive Grundstimmung, die immer wieder aggressiven Gefühlsausbrüchen weichen muss und zu berühren weiß.
Namensgeber ‚Heaven Upside Down‘, welches akustisch zunächst melodiös anschließt, wirkt auf dem vorliegenden Album unerwartet hell und locker. Textlich spiegelt auch dieses Stück das Ende einer harmonischen Beziehung wieder, welches in dem Lied „Threats of Romance“ gar perfektioniert wird.
„A girl is a man’s sweet nest. We all know the way it ends“ – heißt es und zieht als letzter Song noch einmal alle gebotenen Register. Begleitet von einem ungeheuren Aufgebot an Instrumenten zeigt der GOD-OF-F*** noch einmal, was in ihm steckt.
‚Heaven Upside Down‘ bietet keine Zeit für Schwächen, keine verbrauchten runtergeleierten Endlosstrophen und eingängige Musikschleifen. Natürlich klingt das Album nicht, wie angekündigt, nach einer neuen Version von ‚Anti-Christ Superstar‘ (1996) oder gar ‚Mechanical Animals‘ (1998), aber das wäre ja auch albern gewesen. Einziger Wermutstropfen ist, dass es mit gerade mal (oder eben gerade?) 10! Tracks auch das kürzeste Machwerk des Schockrockers bildet. Dennoch nur ein leichter Beigeschmack bei diesem meisterlich präsentierten Werk.
„Ursprünglich dachte ich, dass ‚Say10‘ sehr kreativ wäre, aber es war mir dann doch nicht so weitreichend definiert wie ‚Heaven Upside Down‘. Die Leute fragen nun: „Oh, was bedeutet denn Heaven Upside Down?“ Entscheidet selbst! Ich gebe euch nichts vor!“ – Marilyn Manson (2017).
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