Musik ohne ein Bild des Künstlers, als Portrait oder auf der Bühne wäre undenkbar. Die Musik und die Fotografie steigern das Bewusstsein eines jeden Menschen, sonst wäre dieser leblos, kalt und ohne Gefühl. Ich verfolge seit geraumer Zeit das Schaffen einer Fotografin aus Berlin mit Bewunderung und meinem höchsten Respekt. Deshalb führte ich ein Interview mit Grit R. , denn sie liebt und lebt die Fotografie von Konzert und Portrait. Musik, Seele und Ausdruck in Bilder zu bannen, dabei wahrhaftige Emotionen im Seeleninneren hervorzurufen, indem ein Mensch nur ein Foto betrachtet – genau das, kann sie!
Welche Musik hörst du gern?
Das geht von Rock über Alternative (Muse, Snow Patrol, Coldplay, The Fray, Blood Red Shoes, Placebo) bis hin zu Punk Rock a la Social Distortion oder The Gaslight Anthem. Rock’n’Roll (Elvis, Buddy Holly & Johnny Cash natürlich und aus der heutigen Zeit Kitty, Daisy & Lewis) ist auch klasse und sehr gern natürlich auch Swing, Jazz und Blues der 20er-40er Jahre. Ich liebe die Stimme von Ella Fitzgerald. Zum Entspannen gern auch Ambient/Noise und Neofolk: Raison d’être, Stormfågel, Arcana oder auch Coph Nia. Insgesamt einfach Musik, wo man merkt, dass Herz und Verstand dahinterstecken und das Ganze keine Retorten-Produktion ist.
Wie würdest du dich selbst und deine Fotografie beschreiben?
Ich selbst würde mich in erster Linie als leidenschaftliche Perfektionistin bezeichnen. Wenn ich etwas tue, dann zu 100% und mit ganzem Herzen. Halbe Sachen sind nicht mein Ding und Kompromisse gehe ich nur ein, wenn sich das gewünschte Ergebnis dadurch nicht verschlechtert. Ob nun bei der Wahl des Models oder der Wahl der Fotolocation: Wenn sich hier nicht das Richtige, das Passende finden lässt, dann wird das ganze Projekt eben so lange verschoben. Teilweise gehen da auch mal Monate bis Jahre ins Land. Konzerte und Portraits sind meine Hauptgebiete, aber auch das sogenannte Urban Exploring interessiert mich. Dadurch, dass ich die Fotografie nicht hauptberuflich betreibe, habe ich das große Glück, in allen Bereichen genau das machen zu können, worauf ich Lust habe, egal ob bei Konzerten oder Fotoshootings.
Wie bist du zur Fotografie gekommen?
Mich hat es schon immer fasziniert, Menschen und Situationen auf Bilder festzuhalten und dabei Momente einzufrieren, die man sich immer wieder ansehen kann. Darüber nachgedacht, das alles ernsthafter zu betreiben, habe ich erst ab dem Jahr 2000. Mit zwei Freundinnen bin ich damals hin und wieder durch die Industrieruinen Leipzigs gestreift und war ganz und gar fasziniert von der bizarren Schönheit des natürlichen Verfalls der von Menschenhand geschaffenen Dinge. Bald war klar, dass die meine kleine analoge Pocketkamera nicht mehr ausreicht, die Bilder so festzuhalten, wie ich sie sah und haben wollte. Somit musste bessere Technik her: meine erste Spiegelreflex-Kamera, noch analog, aber für mich damals ein wahrer Quantensprung.
Wie bist du zur Konzertfotografie gekommen und gab es ein besonderes Erlebnis für dich?
Die Konzertfotografie kam im Jahr 2002 dazu, als ich eine heute sehr gute Freundin kennen lernte. Sie schrieb damals für ein kleines Onlinemagazin und ich konnte dort als Fotografin mit einsteigen. Schnell merkte ich, dass es genau mein Ding war, Konzerte abzulichten. Es stachelte meinen Ehrgeiz an, unter teils doch schwierigen Aufnahmebedingungen (schlechtes Licht, Nebel, Gedränge weil kein Bühnengraben für die Fotografen etc.) brauchbare Bilder entstehen zu lassen. Das Ganze vereinnahmte mich dann so stark, dass für andere fotografische Ausflüge zunächst kaum mehr Zeit blieb.
Besondere Erlebnisse gab es hier viele. Zum Beispiel werde ich nie den Tag vergessen, als der damalige Redakteur von BerlinOnline mich anrief und fragte, ob ich denn Lust hätte, zukünftig generell als Konzertfotografin für sie zu arbeiten. Sie fanden meine Bilder toll und waren zudem gerade auf der Suche nach einem Fotografen für den neu aufgebauten Konzert- und Eventbereich. Glück für mich, und zwar eine gigantische Portion davon. Dabei hatte ich in dem Moment doch nur einen großen Auftraggeber gesucht, um Depeche Mode auf ihrer „Playing The Angel“ Tour fotografieren zu dürfen und eigentlich schon mit einer Absage dafür gerechnet. Ich war einfach nur geplättet, weil ich damals nie ernsthaft damit gerechnet hätte, den Sprung zu schaffen und irgendwann die ganz großen Kaliber wie eben Depeche Mode, A-ha, Metallica, Red Hot Chili Peppers oder AC/DC fotografieren zu dürfen. Heute ist das für mich zur Realität geworden und ich bin immer noch wahnsinnig dankbar für die Chance, bei solchen Konzerten so nah dran zu sein und und das Geschehen in Bildern festhalten zu dürfen.
Welche Vor und Nachbereitung triffst du in der Konzertfotografie?
Im Vorfeld eines Konzertes steht zuerst einmal die Anfrage bezüglich eines Fotopasses. Dann heißt es auf eine Zusage hoffen. Gerade bei den großen Konzerten steht ja immer eine große Menge Fotografen und Journalisten gegen eine relativ kleine Anzahl zu vergebender Pässe.
Ganz wichtig ist es für mich, vorher auch den Foto-Vertrag zu kennen, der einem bei manchen Konzerten zum unterzeichnen vorgelegt wird. Dann kann man schon im Vorfeld entscheiden, ob man diesen bedenkenlos unterschreiben kann oder sich besser gleich den Weg zum Konzert spart. Vor dem Konzert sollte man natürlich über die Gegebenheiten der Konzerthalle bzw. des Clubs informiert sein und wissen, wo sich die Fotopositionen befinden. Leider ist das nicht immer der Bühnengraben. Es kann durchaus auch vorkommen, dass es heißt „heute nur vom Mischpult aus“. In 90% der Fälle bekommt man das rechtzeitig vorher gesagt und kann sich mit den entsprechenden Objektiven ausstatten. Es kann auch nicht schaden, nach bereits vorhandenen Bildern der aktuellen Tour des jeweiligen Künstlers zu suchen, einfach um zu schauen, wie sich die Bühnenaufbauten, Lichtverhältnisse und die Standpunkte der Bandmitglieder auf der Bühne gestalten. Die Nachbereitung eines Konzerts besteht aus der Auswahl der Bilder und deren Bearbeitung sowie dem Versenden an den Auftraggeber. Meist findet das alles noch in derselben Nacht statt und meist guckt man nach dieser Nacht dann morgens etwas müder als sonst aus der Wäsche.
Welche Erfahrung hattest du in Bandshootings?
Der Bereich Musik/Bandshootings ist der, wo ich persönlich wiederholt schlechte Erfahrungen gemacht habe. Dass heutzutage fast jeder alles umsonst oder zumindest zu Dumpingpreisen haben will, ist im Zeitalter der Digitalfotografie sowieso Gang und Gäbe. Hier wurde es für mich besonders deutlich und daher ist das eine Richtung, in die ich nicht mehr gehen möchte, maximal noch mit befreundeten Bands oder wenn ein Label dahinter steht und alles professionell abläuft. Ich komme auf der fotografischen Ebene mit vielen Musikern nicht wirklich klar. Die Erwartungen und Voraussetzungen gehen so oft meilenweit auseinander. Das fängt schon damit an, dass man oft erstmal alles umsonst haben will, und dann soll es am besten schon gestern fertig sein, nur weil man mit der rechtzeitigen Planung nicht aus dem Knick gekommen ist, und einem erst kurz vor der CD-Pressung einfällt, dass man ja auch noch Fotos fürs neue Album braucht. Und wenn sie bereit sind, was zu zahlen, dann meinen viele gleich, dich gekauft zu haben und fordern Bearbeitungsstile, die nicht deinem entsprechen. All das habe ich schon mehrfach erlebt. In den meisten Fällen war es weit mehr Ärger als die Freude überdecken konnte, wenn man das fertige Cover dann in der Hand hat. Ich möchte allerdings noch erwähnen, dass es durchaus auch positive Erlebnisse und große Wertschätzung hier gab, auch wenn das leider seltener vorkam als die negativen Begebenheiten.
Was sind Deine Lieblingsshootings, Lieblingsmotive und warum? Was reizt Dich besonders daran?
Ein ganz großes Thema sind bei mir immer wieder vergangenen Zeiten und Epochen. Angefangen bei Motiven, die ins viktorianische gehen bis hin zu den Pin Up Girls der 50er Jahre. Gerade die 20er – 40er Jahre sind wahnsinnig faszinierend für mich. Ich liebe die Musik dieser Zeit, die Hairstylings, das Make-Up, die Mode und nicht zuletzt auch die unglaublich höflichen Umgangsformen, die man seinerzeit pflegte. Ich kann nicht sagen warum, aber bei einem Shooting oder auf einer entsprechenden Veranstaltung in diese Zeiten einzutauchen, ist wie nach Hause kommen für mich. Die Eleganz und Anmut dieser Zeiten, das sind die Dinge, die ich in der Moderne sehr vermisse.
Im Grunde bin ich aber trotzdem sehr vielseitig, was meine Shootingthemen betrifft. Ich lasse mich da nicht festnageln, wage auch gern Ausflüge in märchenhafte Welten, mag Düsteres und auch futuristische Themen. Hauptsache nicht alltäglich und langweilig.
Was inspiriert dich?
Das kann eine Szene aus dem Alltag sein genauso wie eine aus einem Film, ein Buch, ein Traum, ein Gedanke beim Aufwachen oder Einschlafen, eine Geschichte, die einem jemand erzählt. Inspiration kann man in so unglaublich vielen Dingen finden, sogar beim Einräumen der Spülmaschine. 😉
Man muss nur mit offenen Augen und Phantasie durch die Welt gehen.
Was genau willst du auf deinen Fotos festhalten?
Wenn ich auf diese Frage nur mit einem Wort antworten dürfte, würde das „Emotion“ sein.
Das Foto muss lebendig und authentisch wirken. Bei Konzertbildern kann das eine actiongeladene Szene sein oder auch ein ganz ruhiger Moment, in dem der Künstler in sich gekehrt wirkt. Der Betrachter muss sich in das Bild hineinfühlen können und per Kopfkino miterleben können, wie die Stimmung in diesem Moment war.
Bei Fotoshootings ist es ähnlich. Ein hübsches Model, welches sich in einem traumhaften Designerkleid in eine tolle Pose wirft, reicht mir nicht. Jemand sagte mir einmal, dass ich auf meinen Bildern es oft allein schon durch den Blick, den Ausdruck und die Gesten der Models schaffe, ganze Geschichten zu erzählen. Ich war sehr gerührt über diese Aussage, denn exakt das ist es, was ich mit meinen Bildern erreichen möchte.
Welche künstlerischen und ästhetischen Ansprüche verfolgst du?
Zum Teil wird diese Frage schon in der Antwort von eben aufgegriffen. Des Weiteren setze ich nicht darauf, ein Model zu finden, das möglichst vor der Kamera blank zieht oder sich in Unterwäsche herumräkelt um ein Bild zu bekommen, welches größtmögliche Beachtung findet. Ich mag leisere Töne und möchte viel lieber, dass meine Bilder dadurch auffallen, dass sie durch das natürliche Agieren und die Ausstrahlung des Models zum Hingucker werden. Denn wie Giorgio Armani so treffend sagte: „Eine Frau wird nicht dadurch erotisch, dass sie ihre Brüste oder ihren Hintern zeigt, sondern durch ihre Ausstrahlung.“
Was ‚geht und was geht nicht‘ in deinen Shootings – welche Ansprüche besitzt du?
Ich glaube, Dinge wie Pünktlichkeit und gepflegtes Erscheinen des Models zum Shooting muss ich hier nicht gesondert erwähnen. Das erachte ich als eine Selbstverständlichkeit.
Was gar nicht geht, ist Unaufmerksamkeit am „Set“, wenn das Model sich ständig durch was auch immer ablenken lässt, ein klingelndes Handy zum Beispiel.
Spaß und kleine Scherze zwischendurch sind auf jeden Fall wichtig, weil das die Atmosphäre einfach auflockert. Allerdings sollte man, wenn es dann darauf ankommt, auch schnell wieder zur nötigen Ernsthaftigkeit zurückfinden können. Absolutes no-go ist ein ständiges Hineinreden in mein Konzept, vor allem, wenn es sich um völlig hirnrissige Ideen handelt, die kein bisschen zum eigentlichen Thema passen. Schließlich wurde ja vorher besprochen, welche Bilder entstehen sollen. Auf der anderen Seite finde ich es toll, wenn mir ein Model selbstständig passende Posen und Mimiken anbietet. Es ist furchtbar, wenn ich jede neue Pose und jeden Ausdruck haarklein erklären und vormachen muss, und man meint, eine Marionette vor sich zu haben, weil sich das Model absolut nicht in seine Rolle hineinversetzen kann. Zufriedenstellende Bilder können so nicht entstehen. Zum Glück ist mir das persönlich noch nie passiert. Selbst Anfänger schafften es nach eventueller anfänglicher Scheu, aus sich herauszukommen und von sich aus zu agieren. Talent und eine gewisse Intelligenz sind hierbei natürlich auch wichtig.
Ein Grund das Shooting abzubrechen, wäre für mich, wenn ich merke, dass das Model gerade überhaupt gar keinen Bock auf das hat, was es da tut und sich das auch anmerken lässt.
Dadurch, dass ich aber stets sehr, sehr genau hinschaue, mit wem ich arbeite und mit wem besser nicht, habe ich bisher bis auf ein oder zwei Ausnahmen noch nie böse Überraschungen beim Shooting selbst erlebt, ganz im Gegenteil.
Wie bereitest du dich auf ein Portrait/ Themen Fotoshooting vor?
Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Shootings, da kann ich mich als Fotografin quasi „ins gemachte Nest“ setzen kann und muss mich um nichts weiter kümmern, als darum, meine Ausrüstung vollständig und mit geladenen Akkus parat zu haben. Dieser Fall ist allerdings sehr selten.
Eher sieht es so aus, dass es eine sehr lange Vorbereitungszeit gibt. Das heißt: lange Nächte und Wochenenden vor der Nähmaschine, da ich mehr und mehr die benötigten Kostüme selbst nähe. Auch viele Accessoires fertige ich selbst an. Ausgedehntes Flohmarkt-Stöbern gehört oft ebenfalls dazu. Eine Location muss gefunden werden und natürlich auch das passende Model. Sehr gerne arbeite ich mit Leuten zusammen, mit denen ich bereits gute Erfahrungen gemacht habe und wo die Chemie einfach stimmt. Und glücklicherweise gibt es mittlerweile einen kleinen, feinen Kreis sehr inspirierender junger Damen, die immer wieder mit mir Pferde stehlen würden. Sicher bin ich auch offen für neue Gesichter, so sie denn außergewöhnlich sind. Nur schön reicht mir nicht, ich suche eher nach im positiven Sinne speziellen und außergewöhnlichen Typen, Models mit Wiedererkennungswert, und keine Gesichter, die man schon nach 3 Minuten wieder vergessen hat.
Bei einem Outdoor-Shooting stehen dann am Tag des Geschehens mehrere gepackte Taschen im Flur sowie der leise Wunsch nach einem Assistenten, der sie schleppt im Raum. Inhalt sind Kostüm, Accessoires/Requisiten, Kamera und benötigtes Zubehör sowie Make-Up und Stylingprodukte, da ich in vielen Fällen auch die Visa-Arbeiten selbst übernehme.
Hast du Ziele für die Zukunft in der Fotografie?
Ich konzentriere ich mich eher darauf, dass es mir stets gut mit dem geht, was ich tue.
Ein ganz großes Ziel ist es somit für mich, weitestgehend frei in meinen Arbeiten zu bleiben und mich keinesfalls an Auftraggeber zu binden, für die ich kommerzieller werden müsste. Es steht für mich nicht im Vordergrund, mit meinen Bildern Geld zu verdienen, schon gar nicht, wenn ich mich und meinen Stil dafür verbiegen muss. Dann würde ich sehr schnell den Spaß an der Fotografie verlieren.
Ziele für die nähere Zukunft sind für mich, meine Bilder auch einmal ausstellen zu können. Hier gibt es bereits einige konkrete Vorbereitungen. Zudem sind fürs nächste Jahr einige Sachen geplant, die in Richtung 50er Jahre gehen. Ein Bildband wäre ebenfalls einmal eine tolle Sache.
Alles in allem denke ich hier eher in kleineren Schritten und plane lieber genau, bevor ich überstürze. Auch habe ich gelernt, dass es rein gar nichts bringt, sich an irgendetwas festzubeißen. Natürlich heißt das nicht, dass man sich nicht anstrengen soll. Aber offen zu sein und den Dingen ihren Lauf zu lassen bringt manchmal mehr und vieles fügt sich dann meist von selbst. Das wichtigste ist, dass man mit seinem Tun glücklich ist.
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