Die Skeptiker sind Originale und alte Helden, denn sie haben mit ihrer Musik ein Denkmal gesetzt. Ihre Texte waren Heute wie zu DDR Zeiten aktuell und relevant. Egal ob „Straßenkampf“ oder „Strahlende Zukunft“, alte Hits sind aktueller denn je. Bei Live Shows fügen sich die neuen Songs wunderbar mit den alten Hits ein. An ihrer Energie ist auch nichts verloren gegangen. Von der ersten bis zur letzten Minute lassen sie es auf der Bühne krachen und sie haben sichtlichen Spaß daran.
Für Lutz, Veranstalter von Rock am Kuhteich, war es eine große Ehre, dass sie dieses Jahr in Borna aufgetreten sind. Er sagte mir am Telefon, dass durch die Skeptiker für ihn der deutsche Punk begann und er damit erwachsen geworden ist. Die Musik war sein Soundtrack zur Wende und die erste Platte von den Skeptikern, die noch auf Amiga erschienen ist, hat ihn besonders geprägt und wird immer noch in Ehren gehalten.
Lutz übermittelte mir den Kontakt und ich traf auf strahlende Männer in Feierlaune im Tour Bus. Eugen Balanskat beantwortete mir meine Fragen. Er war sehr freundlich und ich bewunderte sein intelligentes Wesen. Tom Schwoll gab immer mal seinen dynamischen Senf dazu, welcher uns zum Lachen brachte. Die komplette Band beeindruckte mich durch und durch und dieses Interview wird in meinen Ehren gehalten!
Im zeitgeschichtlichen Forum ist die Platte „Harte Zeiten“ ausgestellt. Erst Ende `89 war es Punk Bands erlaubt Platten zu veröffentlichen. Wie war es für euch eure erste Platte aufnehmen zu dürfen?
Die erste Produktion war eine Quartett Aufnahme, eine Single mit vier Liedern. Die war noch vor „Harte Zeiten“, denn „Harte Zeiten“ haben wir erst drei Tage nach Mauereröffnung im Westen eingespielt.
Ihr musstet auch den FDJ-Fördervertrag unterschreiben. Gab es dazu Nachteile für die Band?
Wir mussten keinen FDJ-Fördervertrag unterschreiben. Das ist Quatsch! Ich habe das letztens auch irgendwo gelesen, dass das ein Kriterium gewesen wäre. Wir haben damals einfach tausende Leute zu Open Airs gezogen und sie sind dann auf uns herangetreten. Ein Typ aus Berlin, der Chef, sagte zu uns, dass er neue Kultursachen machbar machen will und ob er uns dazu „benutzen“ könnte, aber das wollten wir ja auch. Die Borniertheit, das Krasse aufzusprengen, frischen Wind hinein zu bekommen und deutlich seine Meinung zu sagen etc. Wir haben uns zwar gegenseitig benutzt, aber was wir erreichen wollten, wurde auch erreicht.
Wer sich politische Äußerungen erlaubte, musste mit Konsequenzen rechnen und es schaltete sich die Stasi ein. Wie war es bei euch? Gibt’s eine Akte?
Den unmittelbaren Kontakt zur Stasi hatten wir nicht. Sie haben uns nicht drangsaliert. Wenn, dann sind Sachen hinter den Kulissen passiert. Wir hatten einmal eine Tour mit Freygang und der Hof- Blues-Band organisiert. Da kamen wir an einige Spielorte. Es gab Verträge (war zu DDR Zeiten auch schon so) und wir kamen an und da war nichts, da die Stasi sagte, dass wir eine Naziband wären und der Bürgermeister bekam Angst. Kurzerhand absagen konnten sie nicht. Wir waren da, dann war dort nichts und haftbar konnten wir auch keinen machen. Das war schräg! Eine linke Punkband zur Naziband zu deklarieren konnte sich nur die Stasi ausdenken. Ob es nun eine Band-Akte gibt, das weiß ich nicht.
Ich habe bis jetzt noch nicht meine Akte angefordert, aber im Prinzip werde ich meine Akte anfordern. Meine Frau, wir sind schon 20 Jahre zusammen, sagte, dass ich es nicht machen soll, denn ich würde mich nur darüber aufregen und es würde nichts bringen. Aber, ja, diese möchte ich schon lesen wollen. Es muss was geben, war ja zwangsläufig. Ach so, dass habe ich auch schon oft erzählt; in Berlin gab es mal ein Mädel, die war in der Szene sehr aktiv. Sie war Fan und bei vielen Konzerten. Ich habe sie dann kennengelernt, war schwer verliebt und sie gestand mir, dass sie den Kontakt lieber abbrechen möchte, um mich nicht reinzureiten, weil die Stasi sie erpresste, um als U-Boot bei den Bands zu agieren. Ich habe Rotz und Wasser geheult, fand es aber anständig von ihr, dass sie sich geoutet hat und rechne das ihr heute noch hoch an. Sie hätte mich auch voll in die Pfanne hauen können.
Was hat sich für die Punk Musik von damals zu heute verändert? Zu DDR Zeiten war es anders und heute ist der Punk keine Randgruppe mehr.
Also damals war es immer politisch. Fun-Punk gab’s nicht. Weil die Szene so unter Druck und Beobachtung durch staatliche Organe und Institutionen stand, somit war der Spaß eher zweitrangig. Man versuchte mit seinen Mittel aufzubegehren. Die einen durch Äußerlichkeiten, die nicht in der Lage waren sich künstlerisch zu äußern. Dann gab‘s die Untergrund Maler, die im Punk Style gemalt haben und deren Sachen waren auf illegalen Ausstellungen zu sehen. Andere haben wieder Filme gemacht, andere wiederum Musik. Jeder hat versucht mit seinen Mittel irgendwie aufzuzeigen, dass zwischen der Lebenswirklichkeit und von dem, was man eigentlich möchte eine große Diskrepanz bestand. Der Kopf konnte nicht sagen, was er wollte, denn in jeder Kneipe und in jedem Arbeitskollektiv war die Stasi. Man stand Big Brother mäßig ständig unter Beobachtung. Deshalb begehrten sich die Jugendlichen auf, weil sie es nicht ertragen haben. Man konnte ja auch nicht weg. Einfach den Koffer packen war nicht möglich und irgendwo musste ja der Druck hin.
Die Skeptiker existieren schon seit knapp 30 Jahren, wie geht es euch damit?
Es ist schon eine verrückte Vorstellung. Es kommt einen auch nicht so lange vor. Wir hatten auch eine lange Pause zwischen 2000 und 2006, aber wir haben die Skeptiker wieder aufgenommen. Ich finde das phänomenal, das hätte man sich vor langer Zeit nicht vorstellen können, dass man die Band so lange betreibt. Nicht, dass der Spaß nach lässt, es ist einfach eine unvorstellbare Zahl für einen jungen Menschen.
Hast du Angst, die Band irgendwann mal aufgeben zu müssen und zu sagen, es geht nicht mehr?
Nein, davor habe ich keine Angst. Wir sind auch eine Band, die eine gewisse Aussage transportiert und wenn das Gefühl da wäre, dass keine Themen mehr vorhanden sind und der Punkt kommt, dass man nichts mehr zu sagen hat, dann müsste man sich eingestehen zu schweigen. Noch sind wir nicht da.
Fast 3 Jahrzehnte Bandgeschichte, konntet ihr euch davon etwas kaufen?
[:Schwoll: eine Bockwurst an der Tanke…lol…das goldene Kalb. …]
Wie jetzt? Was großes, luxuriöses, phänomenales? Ich habe versucht, das umsetzen zu wollen, hat sich aber als Trugschluss erwiesen, weil man nur Schulden umverteilte, aber es war nie möglich. Es wäre der Traum gewesen, anstatt irgendwelchen Lebensunterhaltstätigkeiten nachgehen zu müssen. Es wäre schön gewesen den Lebensunterhalt bestreiten zu können, mit dem was Spaß macht. Das ist funktioniert so leider nicht, muss ich dazu sagen.
Ihr seid gegen den Strom geschwommen und nicht mit dem Strom. Bereut ihr es?
Nein, dass bereuen wir nicht! Ein Blues Musiker will Blues machen und ein Punk Musiker eben Punk. Jeder hat seine Mittel und Möglichkeiten, nach denen er agiert. Ob ich jetzt eine tote Hose bin oder ein Skeptiker, das ist nun eine Sache, die sich aus Möglichkeiten, Befindlichkeiten und Fähigkeiten ergibt.
Wie skeptisch sind die Skeptiker?
Verdammt skeptisch! Sagen wir das mal anders. Das ist ja auch eine philosophische Strömung, die beinhaltet, dass man sich nicht jeden vorgekauten Brei selbst einverleibt, sondern nochmal hinterfragt. Das ist das Prinzip der Band und dazu stehen wir auch, sonst würden wir andere Sachen machen.
Das stimmt! Und was ist der Band konkret wichtig?
Aussagen zu treffen, die Befindlichkeiten ausdrücken. Nicht nur Spaß und Trallala abzusondern, sondern Musik mit Haltung zu produzieren.
Was erwartet uns mit dem neuen Album „Aufstehen“? Was steckt hinter „Aufstehen“?
[:Schwoll: Das man mal vom Computer aufsteht, die ganzen Spiele sein lässt und die Realität betrachtet…]
Es ist ein spannendes, neues Album, auch wenn es jetzt schwammig formuliert ist. Wir haben unser Herzblut gegeben, hoffen, dass es auch viele positiv nachempfinden können, aber das bleibt abzuwarten. Wir denken, dass es nicht langweilig wird und ein paar kleine Überraschungen beinhaltet. Wir sind ganz zuversichtlich. Für September bis in den November ist eine Tour angesetzt. Spätestens bis dahin sollte das Album auch raus sein. Die Produktion ist schon abgemischt. Das Ei ist schon gelegt, nur die Schale muss noch etwas poliert werden. Spätestens im Herbst dieses Jahres kommt es raus.
Wird die Geschichte von Pierre und Luce einmal weiter erzählt?
Nö, das ist ja eine abgeschlossene Novelle von Romain Rolland und da war ja Schluss mit dem Tod der beiden.
[:Schwoll: Vielleicht als Zombies…oder Pierre und Lutz…*lol*…]
Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Viele wunderschöne Konzerte! Wir haben ja mit dem neuen Studio Album ein neues Kind geboren und das damit auf große Gegenliebe gestoßen wird. Das sind unsere großen Hoffnungen und würde uns erfreuen.
[:Schwoll: …eine Chipsletten Party…*lol*]
Was möchtet ihr einem Menschen auf dem Weg geben?
Aufstehen!
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