
Angenehm trashig lächelt er einem entgegen, der Totenschädel auf dem Cover der aktuellen Hardcore Superstar. Keine großen Schnörkel, keine bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Zeichnung, die man sich ohne größere Probleme auch im Großformat im Rahmen ins Wohnzimmer hängen könnte. Nein, einfach schön grundsolide und sympathisch old-schoolig.
Ziemlich ähnlich verhält es sich auch mit der Musik auf dem mittlerweile zehnten Studioalbum der Schweden. Der Titel „HCSS“ deutet es schon an: Hier ist der Name Programm, das Ziel ist klar – Mit Volldampf ab in die bandeigene Vergangenheit. Weg von Hochglanzproduktion, von Audiospur über Audiospur, von Egomanie und Selbstüberhöhung. Die Jungs wollen sich, zumindest laut Presseheft, einfach auf das Besinnen, was sie ausmacht und das ist erdig-kernigen Rock N Roll zu spielen.
Schon der Opener unterstreicht diesen Anspruch. Kurz eingefadet, das Schlagzeug warm gedroschen und ab geht die Post. Mit angenehm rau-rotziger Stimme leitet Frontmann Jocke die Scheibe gekonnt ein, immer an den richtigen Stellen von Band-Chören unterstützt. Dazu noch ein kurzer Downbeat, ein fetziges Solo und ein wenig Effekt-Spielerei und fertig ist ein prototypischer Rock N Roll Song à la Hardcore Superstar.
In eine ähnliche Kerbe haut dann auch der Großteil der Songs auf „HCSS“. Der Sound vermengt zuverlässig das beste aus typischem 80er-Glam-Metal (Poison oder Skid Row, anyone?) und mit einer ordentlichen Kante Sleaze-Rock auf den wohl auch Guns N Roses (die von Appetite for Destruction, nicht der lachhafte Haufen, der sich heute unter dem Namen verkauft) stolz gewesen wären. Obendrauf gibt’s dann noch ne klitzekleine Kante Skater-Punk um die Brühe abzuschmecken. Sänger Jocke bringt die Nummern mit seiner Stimme die irgendwo zwischen Sebastian Bach und Steve Tyler pendelt mit der nötigen Rotzigkeit rüber.
Das klingt jetzt alles natürlich nicht sonderlich ausgefallen oder gar innovativ. Ist es auch nicht – und muss es auch nicht zwingend sein. Denn „HCSS“ richtet sich nicht an die Frickel-Afficionado-Fraktion sondern will in erster Linie vor allem eins: Ordentlich Arsch treten. Und dafür sind Songs wie der Stadion-Rocker „Party Till I’m Gone“, das groovige „Glue“ oder der massiv treibende Rausschmeisser „Messed Up For Sure“ wie gemacht, und zeigen, dass Hardcore Superstar zumindest in der Kategorie Dicke-Eier-Rock niemand so schnell was vormacht.
Und gerade als man anfängt sich darüber klar zu werden, dass die Fixierung auf typischen Sleaze-Glam vielleicht doch ein bisschen zu wenig ist, um über die gesamte Laufzeit die Spannung zu halten, packen die Jungs dann doch noch das ein oder andere Schmankerl aus.
Das erste Ausrufezeichen dieser Sorte bietet sich mit „The Cemetary“, der sich nach einem kurzen Intro zunächst als mächtig-massiver Brecher mit ordentlich treibendem Riff vorstellt, nur um beim Einstieg in die Strophe in einen relaxt swingenden Rocker zu kippen, dessen Gitarrenarbeit an manche Stücke auf The Clash’s „London Calling“ erinnern. Und als ob das noch nicht genug wäre, geht der Song im Refrain nahtlos in einen mächtigen Stadion-Chor-Kracher über, zu dem sich vorzüglich die Faust recken und die Matte schütteln lässt. Mächtig Input also, der aber insgesamt doch zu einer funktionierenden, ja durchaus runden Nummer verarbeitet wird, in der sich die Teile fließend ineinander fügen.
Auch „Growing Old“ schlägt eine ähnliche, latent abgedrehte Richtung ein. Nach einem durchaus langen Intro, dass den Hörer mit 80er-Synthies und einem leichten Vangelis-Touch vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt, knallt die Nummer danach furztrocken aus den Boxen – abgestopptes Riffing und gesangliche Experimente inklusive.
Das Highlight unter den ‚experimentelleren‘ Nummern bietet aber eindeutig „Fly“, das allein schon durch seine fast acht Minuten aus dem Albumkontext heraussticht. Hardcore Superstar präsentieren hier eine mehr als starke Halbballade, die sich von westernhaften Klängen, über leicht dissonante Sounds und Gitarrenwände zu einem astreinen Epik-Refrain hochschaukelt, der sich nicht hinter ähnlich gelagerten Genre-Kollegen verstecken muss. Die sphärischen Keyboard-Flächen, die den Song durchziehen tun ihr übriges dazu um „Fly“ zum absoluten Album-Ausrufezeichen in Sachen Abwechslung zu machen. Starkes Teil!
Ist also alles wunderbar im Lande Hardcore Superstar? Nicht ganz. Sicherlich bietet die Band hier Hardrock-Kunst, die weit über dem Standard liegt und hat genug abgedrehte Ideen in der Hinterhalt um das Album vor der Gleichförmigkeit zu retten. Was mir aber ein wenig sauer aufstößt, ist der Sound von „HCSS“, der mir einfach einen Ticken zu dünn und kraftlos geraten ist. Keine Panik, wir sind hier nicht in den zutiefst breiigen Regionen, wie sie beispielsweise In Flames in den 2000ern zur ‚Perfektion‘ getrieben haben. Aber gerade bei einem eigentlich doch sehr starken, fast klassischen Hardrock-Album wie „HCSS“ sollte der Sound meiner Meinung nach einfach mehr Bumms haben um den akustischen Tritt in den Allerwertesten auch angemessen rüberzubringen.
Nichtsdestotrotz ist „HCSS“ ein sehr gutes Album geworden, dass nicht nur die Röhrenjeans- und Spandex-Franktion restlos begeistern sollte, sondern das man auch jedem Fan von ehrlich gemachter, klassischer Rockmusik mit ordentlicher 80er-Schlagseite ohne Bedenken ans Herz legen kann!
Anspieltipps:
Don’t Mean Shit
Fly
The Cemetary
Messed Up For Sure
Für alle Interessierten gibt’s hier das Musikvideo zur Single „Don’t Mean Shit“:
Schlagwörter: Hardcore Superstar