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Sebastian Krämer – Lieder wider besseres Wissen

Rezensionen / November 28, 2015

>Abstrakte Lyrik oder vergewaltigte Poesie?

Ich liebe den Chanson. Was ich daran so liebe, ist die einfache und verständliche Erzählung der Geschichten, die geschrieben wurden, und mit einem pathetischen Gesang zum Ausdruck gebracht werden. Wenn ich Hildegard Knef, Marlene Dietrich oder Zarah Leander höre, dann ist die Musik einfach und verständlich gehalten. Dazu kann ich mitsingen und tanzen.

Wer leichten Chansons sucht, wird bei diesem Chansonier nicht fündig. Wer wiederum Anspruchsvolles bevorzugt, der wird mit „Lieder wider besseres Wissen“ gut bedient sein. Sebastian Krämers Texte sind scheinbar nie endend wollende Songlängen. Außerdem sind sie aus einem Blickwinkel geschrieben, der merkwürdig zugleich aber interessant ist. Die musikalischen Kompositionen dazu wurden glänzend vertont! Ich mag Sebastian Krämers Musik, aber diesmal ist das neue Album für mich schwere Kost.

Ich habe mich intensiv mit seinen Lieddichtungen auseinander gesetzt und das Booklet in verschiedene Hände gegeben. Ich hatte persönlich mit der Lyrik ein überaus großes Problem, deswegen wollte ich eine 2., 3. und 4. Meinung einholen. Da ich mit diesem Eindruck offenbar nicht allein stand, weigerte ich mich zunächst dieses Album zu rezensieren. Die PR-Agentur beschwichtigte mich und bat mich dennoch darüber zu schreiben. Wie beschrieben, habe ich das Booklet in weitere Hände gelegt und das Resultat war: Entrüstung und unverständliches Kopfschütteln. Ich bekam zu hören: Zusammenhangslos, abartig, unverständlich! Sowie weiteres: „ Wie kann man sowas auf Chanson singen? – „In keiner Weise kann man sich einen Reim draus machen!“, „Wahrscheinlich wäre seine Musik eher für Künstler, Intellektuelle gehobenes Publikum gedacht.“, „Vermutlich kann seine Musik nur in Kreisen der intellektuellen Szene bestehen.“ Als es aber um das Stück „Leipziger Stilleben“ ging, war es ganz aus. In uns brodelte der Satz: „Wenn ihm Leipzig missfällt, warum kommt er dann her? Dann soll er bleiben, wo der Pfeffer wächst!“ Von den anderen hörte ich noch: „Der spinnt wohl! Natürlich soll Leipzig aufgebaut werden. Das „nicht“ muss er rausstreichen!“ Und außerdem: „Goethe hatte schon gesagt: Mein Leipzig lob ich mir. Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute!“ Genau!

Krämers Lyrik ist derart verschlüsselt, dass man auf den ersten Blick den Sinn des Inhaltes missversteht. Zuerst war ich über die Verunglimpfung von Leipzig erzürnt. Auf dem zweiten Blick hatte er Recht, denn das gute alte Leipzig sollte erhalten bleiben und nicht durch die mutierte Kosumwirtschaft enthauptet werden. So wie, als das Leipziger blaue Wunder abgerissen wurde, das zu unserem Stadtbild als Selbstverständnis gehörte. (Um nur ein Beispiel zu nennen.) Fazit: Ich mag Sebastian Krämers Musik. Aber das Werk ist abstrakt, anspruchsvoll und in gewisser Weise auch anstrengend. Es ist ideal für Gelegenheiten der gebildeten Klasse, für Intellektuelle, philosophische Gespräche oder ähnliches. Für einen Magen, der nur leichte Kost verträgt, ist seine Lyrik unverdaulich, denn es bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Tut mir leid, lieber Sebastian. Ich mag deine Musik, aber diesmal ist auch für mich das Lesen zwischen den Zeilen äußerst unangenehm.
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