
Der britische Musiker Steven Wilson (Ex- Porcupine Tree) gastiert mit seiner Band auf Hand Cannot Erase Tour im Haus Auensee in Leipzig.
Eines ist sicher, im Moment wird alles zu Gold was Steven Wilson anfasst. Es hat den Anschein, als wird der Hype um den Briten immer größer. Berechtigt? Absolut! Sein 2015er Album „Hand.Cannot.Erase“ erreichte Spitzenpositionen in den Charts und Progrock ist wieder Salonfähig geworden.
Am vorigen Mittwoch war der Brite zu Gast im Haus Auensee in Leipzig. Wir hatten im April 2015 bereits von dem Konzert in der Berliner Columbiahalle berichten dürfen. Dabei konnte Wilson schon einmal vollends überzeugen. Die Kombination der filmischen Visualisierungen von Lasse Hoile gepaart mit der eindringlichen musikalischen Darbietung sucht ihres Gleichen. Für die Tour 2016 wurden die Filme mit dem polnischen Model Carrie Diamond in der Hauptrolle großteilig beibehalten.
Für den zweiten Teil der Europatour wurden einige Änderungen vorgenommen. Zuerst einmal gab es Änderungen in der Band. Für den Schlagzeuger Marco Minnemann ist Craig Blundell eingesprungen und für Guthrie Govan kam Dave Kilminster an die Gitarre. Govan und Minnemann sind aktuell mit ihrer eigenen Band den Aristocrats auf Tour. Saitenhexer Kilminster dürfte für viele kein Unbekannter sein, ist er doch als Leadgitarrist auf der Darkside of the Moon und The Wall Tour, Teil von Roger Waters Band gewesen. Gerade hier waren die größten Unterschiede zu 2015 zu erwarten. Während Guthrie Govan vorallem im jazzig/progressiven Bereich Zuhause ist, liegen Kilminster eher die getragenen Songs im Dunstkreis von Pink Floyd und Asia. Das kommt dem ein oder anderen Stück von Steven Wilson deutlich zu gute. Weniger ist manchmal wirklich mehr.Eine besondere Überraschung bot Wilson in dem er die israelische Sängerin Ninet Tayeb mit auf Tour nahm. Ihr emotionsgeladener Gesang im Song Routine ist einfach Wahnsinn. Ein deutlicher Gewinn im Vergleich zu 2015 – wo die Stimme vom Band kam.
Nach dem Steven Wilson im ersten Teil des Konzertes sein Album in Gänze aufführte, gab es im folgenden Abschnitt eine Mischung aus Porcupine Tree, Storm Corrosion und Solomaterial. Da am kommenden Freitag der Release seiner neuen EP „4 1/2“ ansteht, bot sich hier die optimale Möglichkeit diese neuen Song auch live zu präsentieren. Die Sammlung von sechs Stücken soll das Bindeglied zwischen dem 2015er Album und dem kommenden (Termin noch unbekannt) bilden. Vier der Songs stammen aus den Sessions zu Hand.Cannot.Erase, eins noch vom Vorgänger The Raven that refused to sing und einer ist eine Neuaufnahme der Porcupine Tree Nummer Don’t hate me. Das Stück My Book of Regrets ist ein Neunminüter der sich nahtlos in das Album einfügen würde – irgendwo zwischen Routine und Transcience. Wilson spielt hier mit proggigen und eingängigen Rythmen – gewürzt mit einem gut ins Ohr gehenden Chorus. In der Livefassung nimmt der Song nochmal gewaltig an Fahrt auf! Klasse!
Year of the Plague ist ein ätherisches Instrumental getragen von einer akustischen Gitarre, das als Ergänzung zum erwähnten Transcience dienen könnte. Happiness III ist wohl einer der radiotauglichsten Songs von Steven Wilson seit Lazarus. Ein wahnsinniger Ohrwurm! Das zweite Instrumentalstück Sunday Rain Sets up ist das erwähnte Überbleibsel vom Vorgänger – im Vergleich zum verstörenden Vermilioncore fällt das Stück irgendwie ab. Don’t hate me dürfte vom Porcupine Tree Album Stupid Dream bekannt sein. Wilson erwähnte, dass er sich das Lied immer als Duett zweier Charaktere vorgestellt hat. Mit Ninet Tayeb holte er sich diese zweite Stimme hinein und die Nummer gewinnt gewaltig!
Alles in allem ist „4 1/2“ wirklich als Bindeglied zu betrachten. Ihm liegt kein wirkliches Konzept zu Grunde und muss daher als Outtakealbum angesehen werden. Das ist nicht negativ zu sehen, denn die Stücke sind wahnsinnig gut! Man muss ihm fast dankbar sein, dass er diese der Öffentlichkeit zugänglich macht.
Zurück zum Konzert. Besonders ist die Performance von Lazarus hervorzuheben bei der Steven Wilson an David Bowie erinnerte, der auf seinem letzten Album Blackstar einen gleichnamigen Song hatte – laut Wilson der Bessere. Eine weitere Remineszenz an die verstorbene Musiklegende gab er zur ersten Zugabe als er zusammen mit Adam Holzman, Dave Kilminster und Ninet Tayeb Space Oddity spielte.
Was bleibt nun hängen? Die ohnehin schon eindrucksvolle Show wurde nochmal kräftig gesteigert. Man hatte in der Vergangenheit immer ein wenig das Gefühl, dass Steven Wilson möglichst wenig Porcupine Tree Material bringen möchte. Scheinbar hat er sich eines bessere belehrt und mit Open Car, Lazarus, Don’t hate me und Sound of Muzak einige der bekanntesten Stücke dieser Zeit ausgewählt. Wer die Möglichkeit hat, hingehen! Es lohnt sich!
Setlist:
First Regret / 3 Years Older / Hand. Cannot. Erase. / Perfect Life / Routine / Home Invasion / Regret #9 / Transience / Ancestral (mit Ninet Tayeb) / Happy Returns / Ascendant Here On… / Drag Ropes / Open Car / My Book Of Regrets / Index / Lazarus / Don’t Hate Me / Vermillioncore / Sleep Together (Zugabe): Space Oddity / The Sound Of Muzak