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The Pineapple Thief entführen in die eigene Wildnis

Rezensionen / August 23, 2016

Die Wildnis steckt in uns allen. Seit Jahrtausenden ist der Mensch ein Herdentier, der vom Jäger und Sammler in eine sesshafte Kultur wechselte. Die Wildnis geriet im Lauf der Jahre in den Hintergrund. In uns blieb sie erhalten. Okay, das soll jetzt keine Abhandlung über die Siedlungsgeschichte des Menschen werden. Die Wildnis ist das große Thema des 12. Albums der britischen Alternativerocker The Pineapple Thief – Titel: Your Wilderness.

Heutzutage ist es für eine Band nicht mehr üblich, im gesunden zwei Jahres Rhythmus Alben zu veröffentlichen. Bruce Soord und seine Mitstreiter scheinen da eine gesunde Ausnahme zu sein. Vor zwei Jahren lieferten The Pineapple Thief mit Magnolia ein sehr ausgereiftes und erwachsenes Album ab. Es wurde vor allem für seine dichte Atmosphäre und seine ausgefeilten Kompositionen gelobt. Your Wildernis schließt mit seinen acht Songs nahtlos daran an. Wie bei fast allen Platten die bei Kscope erscheinen hilft man sich gegenseitig aus. Dieses Mal sind Gavin Harrison (Porcupine Tree), John Helliwell (Supertramp) sowie Geoffrey Richardson (Caravan) und Darran Charles dabei.

Apropos Porcupine Tree. Wer den Opener „In Exile“ hört, wird sich beim Schlagzeug unweigerlich an „Sound of Muzak“ erinnert fühlen…oder? Das Stück braucht eine Weile bis es in Fahrt kommt, gerät dann aber in ein episches Gewitter aus Shoegaze und Steven Wilson like Gitarrensolo. Im Vordergrund steht aber auch immer wieder die zarte, fast schon falsettartige Stimme von Bruce Soord. So auch in der hauptsächlich akustisch getragenen Ballade „No Man’s Land“. Doch auch diese zeigt ihre Wildheit erst am Ende. Fast schon nahtlos geht es vom Tempo her in den dritten Song „Tear you Up“ hinüber. Ein rastloses Stück, das die Menschen aufrütteln soll. Spätestens hier fragt man sich, haben wir es mit einem Porcupine Tree Klon zu tun? ist die Annäherung Zufall oder gewollt? Oder möchte man einfach den Weg weitergehen den Steven Wilson mit seiner Band geebnet hat? Vielleicht liegt es auch am Oberthema. Neben der „Wildromantik“ gibt es eben auch eine wilde Wildnis, wenn man das mal so nennen will.  Nach der Rastlosigkeit bietet „That Shore“ einen Ruhepol und lässt den Hörer zur Halbzeit etwas zur Besinnung kommen.

Die zweite Seite beginnt genauso wie die Erste – ruhiger Auftakt bei epischem Ende. Jedoch hat man nicht das Gefühl, dass sich die Band hier wiederholt. Einer der wohl schönsten und entspanntesten Songs dürfte „Fend For Yourself“ sein. Jazzige Drums, Steelstring Gitarre und eine Klarinette (von John Helliwell) sorgen für ein wohliges Gefühl der Sehnsucht – soviel zum Thema Wildromantik. Diese steht auf der deutlich ruhigeren zweiten Seite im Vordergrund. Die beiden Schlusssongs „The Final Thing in Your Mind“ sowie „Where we Stood“ – dass am Anfang stark an Anathemas „Angels walk among us“ erinnert, steigern dieses Gefühl weiter und bringen Your Wilderness zu einem ruhigen aber entspannten Ende.

Alles in allem ist das 12. Werk von The Pineapple Thief in der Tat, dass bisher ausgereifteste Album der Briten. Die Stücke werden konsequent zu Ende geführt und man hat eben nicht das Gefühl, kommt da jetzt noch was. Scheinbar haben Bruce Soord und seine Kollegen nach über 10 Jahren des Bestehens endlich ihren Weg gefunden. Your Wilderness lädt zum Träumen, zum Nachdenken und zum Verweilen ein. Wenn die Wildnis in uns so aussieht, dann darf The Pineapple Thief uns gern mehr dieser eigenen Unbändigkeit präsentieren.


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