Die ganz „eigene, seltsame, musikalische Version eines Podcasts“ mit dem Namen „Netta’s office“, startet kurz vor Beginn der Pandemie im Dezember 2019. Bezeichnend für das folgende Jahr 2020 beginnt die Sängerin Netta ihre Video-Reihe mit dem Bedürfnis, ganz nahe bei ihren Fans sein zu wollen. Dieser Wunsch dürfte im Verlaufe der Zeit leider nur größer Geworden sein, als dass er in Erfüllung gehen konnte. Denn was neben Konzerten, Tonträgern, Videos und Interviews als privater Einblick in das Leben von Netta geplant war, wurde dieses Jahr zur einzigen Möglichkeit, Kontakt zum Publikum aufzubauen. Netta ist sichtlich traurig über diesen Zustand, da sie normalerweise für die Stimmung im Konzertraum verantwortlich sei, nun seien alle in verschiedenen Räumen und sie habe nicht die gewohnte Kontrolle über die Atmosphäre.
Obwohl es aktuell eine beträchtliche Fülle an Formaten dieser Art gibt, ist dieses ein besonders authentisches Herzensprojekt. Netta könne ganz sie selbst sein und Interpretationen von ihr wichtigen Hits oder eigenen Kompositionen darbieten. Nebenbei gibt sie Einblicke in ihren privaten Wohnraum, wo sie schläft und arbeitet und Einblicke in ihre Welt der Gedanken.
Die Ansprache zu dem Song „Blue“ in der vierten Folge von „Netta’s office“ zeigt das Verlangen nach Fröhlichkeit in dieser bedrückenden Zeit. Man könne sie finden, sagt sie und beginnt den Song aus ihrem Lieblingsjahrzehnt, die 90e Jahre.
Auf der EP „The best of Netta’s office Vol. 1“ gibt es nun sechs der besten Cover-Songs aus dem musikalischen Podcast. Alle Titel dürften jeder*m bekannt sein, es sind Titel, die an niemand vorbeigehen konnten. Die Interpretationen sind gewohnt popig und synthesizer-verquirlt. Der Spaß kommt nicht zu kurz, die Hörerwartungen auf ihre Kosten und die Faszination für ihr Können klingt nach.
Ein Song aber fällt aus diesem Schema heraus. „The Times They Are A-Changing“ von Bob Dylan. Er formt ein bedächtiges Ende der EP. Wenn Netta es in den ersten fünf Songs geschafft hat, die Fröhlichkeit in unser Gemüt zu bringen, sind wir mit diesem Song wieder im Hier und Jetzt. Damals im Jahr 1964 als Bob Dylan die Worte sang, wie heute wenn Netta sie singt, lenken sie die Aufmerksamkeit auf die Zustände von Gewalt, Rassismus und den Handlungsbedarf gegen sie.
Netta produziert zwar überwiegend fröhlichen, tanzbaren Pop, dennoch findet sie mit Worten und Klängen immer irgendwann einen Ausgleich, der uns bewegt. Sie setzt ihre Stimme gegen Benachteiligung und Ungleichheit ein – das ist es, was sie für mich in der sonst so bedeutungslosen, von Profit gesteuerten Popwelt zu einer bedeutungsvollen Künstlerin macht.
In der EP „ The best of Netta’s office Vol. 1“ dürfen sich Freund*innen des Pop oder Quirkpop auf aufregendes Tonmaterial freuen, dass sie von der Realität verschnaufen lässt, aber am Ende wieder sanft an sie heranführt.