Toningenieur Mitch Lerner und Stage Manager Chris “Winnie” Murguia sind seit Jahren wichtige Mitglieder der Lifehouse Familie. Während ihr Mitch bei Konzerten mitten im Publikum im sogenannten FOH Bereich findet, sieht Winnie auf und hinter der Bühne nach dem rechten. Zwischen Soundcheck und Konzert im Londoner Sheperds Bush Empire erzählten mir die beiden Profis alles über das Leben auf Tournee und die Arbeit mit einer der erfolgreichsten amerikanischen Rockbands.
“On the road” geboren ist die Tournee der natürliche Lebensraum von Gitarrentechniker und Stage Manager Winnie. „Ich kümmere mich um die Gitarren von Jason und Ben und kümmere mich darum, dass alles auf der Bühne läuft. Ich stelle sicher, dass jeder pünktlich auf die Bühne geht und runterkommt. Alles soll so glatt wie möglich laufen, damit der Zuschauer die bestmögliche Show genießen kann.“
Dem Stage Manager übergeordnet sind Tourmanager und Production Manager, doch der eigentliche Chef in diesem Fall ist die Band bzw. Frontmann Jason Wade. „Es ist schwierig eine Hackordnung festzulegen, wenn jeder in der Crew zusammenarbeitet. Wir tun unser bestes, damit alles funktioniert.
„In den USA nennen wir es `the school of hard knocks`. Es gibt keine wirkliche Schule oder Ausbildung, es ist alles Erfahrung.“ erläutert Winnie.
Sound engineer / FOH Mitch Lerner ging überraschenderweise auf eine Filmschule. Mitch: „Ich schaue gern Filme und entschied deshalb etwas darüber zu lernen, während ich in der Musikindustrie arbeitete. Wenn es also einen Kamerawinkel gibt, der kritisch für den Sound ist, weiß ich es. Das hilft mir zwar nicht mit dem Sound der Band, aber ich weiß, dass es so etwas gibt und im Filmbereich ist so etwas praktisch.“. Könnte Mitch also beim Dreh einer Live DVD mithelfen? „Ich bin dafür verantwortlich den Sound der Bühne in den Sound für das Publikum zu übersetzen. Mein Job ist es außerdem sicherzugehen, dass der Bühnensound in der richtigen Art und Weise übertragen wird, der zur jeweils gespielten Musik passt. Wenn ich Lifehouse wie eine Metalband abmischen würde, würden das weder die Fans noch Lifehouse selbst mögen.“. Sein Kollege Winnie erklärt: „Wenn die Band der Motor eines Autos wäre, dann wäre er im Prinzip der Fahrer. Er muss sicherstellen, dass er nicht zu schnell ist und Leute überfährt.“.
Viele Probleme im Soundbereich müssen gelöst werden, bevor die Band ankommt. Sobald alles gut klingt und sich gut anfühlt, erscheint die Band und der kreative Prozess kann beginnen. „Im besten Fall behandele ich jeden Song separat. Und ohne Winnie könnte ich das nicht, denn es könnte etwas mit der Stromversorgung oder einem Instrument nicht in Ordnung sein. Er kümmert sich darum, dass alles in Ordnung ist und ich meinen Job überhaupt machen kann.“ erzählt Mitch.
Als Stage Manager hat Winnie zwar nicht jeden Tag etwas zu tun, wenn er zuhause ist, doch hinter den Kulissen gibt es viel Arbeit, die das Publikum nicht sieht. „Bevor man eine großartige Show haben kann, muss diese aufgebaut werden und davor muss das gesamte Equipment fertig sein. Wenn etwas nicht in Ordnung ist, muss es repariert werden. (…) Es ist manchmal etwas überwältigend, aber letztlich ist es das alles wert, wenn du in eine ausverkaufte Halle kommst und alles glatt läuft.“
„Zwei Feinde einer Band oder zumindest von der Ausrüstung sind Gabelstapler und Gepäckträger. Wenn sich ein Gabelstapler in einem Case verhakt, kann das entweder das Case oder das darin liegende Instrument zerstören.“ erklärt Mitch.
Winnie: „Und wenn etwas 45 Minuten vor dem Auftritt kaputt geht, hat man keine Show. Ich muss dafür sorgen, dass wir entweder auf so etwas sehr gut vorbereitet sind oder dass so etwas gar nicht erst passiert. Wenn wir zuhause sind, gehe ich zu unseren Lagerräumen und kümmere mich um das Equipment und besorge Ersatzzubehör.“. Die Hauptaufgaben des Stage Managers sind also Vorbereitung, Ausführung und Postproduktion.
Mit dem Gitarrentechniker steht und fällt eine Rockband und natürlich auch der Gitarrensound. Manchmal werden über Gitarrenverstärker Radioprogramme eingefangen oder Equipment geht zu Bruch. „Mitten in einer Show brach ein pedal board. Es dauert dreieinhalb Minuten so etwas zu reparieren, aber dreieinhalb Minuten Stille inmitten einer Show sind ein Alptraum.“ erzählt Winnie. Retter in der Not war in jenem Fall einmal mehr Sänger Jason Wade: „Er sagte `gib mir eine Akustikgitarre, ich mach das schon.` und er nimmt die Gitarre und geht wieder auf die Bühne.“ erinnert sich der Stage Manager an die Entstehung des legendären Akustikteils der aktuellen Smoke & Mirrors Tournee, bei der der Songwriter auf Zuruf nur mit seiner Akustikgitarre bewaffnet alte Lifehouse Klassiker spielt. „Das alles stammt von einem Technikalptraum, den wir lösen mussten und er kommt und rettet den Tag.“ freut sich Winnie.
Band und Crew stehen sich teilweise so nah wie eine Familie. Gibt es da nicht doch auch Reibereien? Muss Jason Wade auch mal den Boss raushängen lassen?
Winnie: „Auf jeden Fall. Manchmal kann man schwer die Grenze zwischen Freundschaft und Business ziehen, doch wir machen das ganz gut.“. Und Mitch ergänzt, „Wenn irgendjemand auf der Welt in jeder Situation, sei es privat oder geschäftlich, die gleiche Art hat, dann ist das Jason. Er ist immer ehrlich und konsequent, sei es auf der Bühne oder wenn es um etwas bei ihm zuhause geht. Er würde niemals den Boss markieren, dich in sein Büro zitieren und ein geschäftliches Gespräch führen.“. „Wenn Jason mal sauer wird, bekommst du in 10 Minuten eine SMS, in der er sich dafür entschuldigt, dass er sauer geworden ist.“, verrät Winnie.
Sowohl Mitch als auch Winnie haben in der Vergangenheit mit anderen Künstlern gearbeitet und so ein fundiertes Wissen angehäuft, das nun im breiten Repertoire von Lifehouse umgesetzt werden kann. Zum Werdegang von Mitch Lerner gehören Acts wie Jimmy Eat World, bei denen er gelernt hat „die Gitarren in die Köpfe des Publikums zu bohren.“. Durch einen breitgefächerten Background ist der Toningenieur in der Lage die unterschiedlichen Songs und Styles der Lifehouse Songs perfekt umzusetzen und zu transportieren. Ein knallharter Rocksong wie „Spin“ verlangt eine völlig andere Abmischung als das melodische „Everything“.
Winnie „.war selbst in einer Band, doch das verlief im nirgendwo. Ich habe immer gesagt, dass, wenn ich selbst kein Rockstar werde, zumindest für Rockstars arbeiten will und genau das habe ich dann getan.“. Im Frühjahr 2005, kurz nach einer Tournee mit der chilenischen Band La Ley bekam Winnie einen Anruf von dem (damals nur Tour-) Gitarristen Ben Carey: „Ich musste mir Benzingeld borgen um nach L.A. fahren zu können. Ich arbeitete dann also an einer Gitarre, gab sie zurück und die Jungs sagten, ‚Oh yeah, du hast eine gute Einstellung, und uns gefällt deine Arbeit. Willkommen in der Familie.’“. Und der Rest ist Geschichte.
Seit 2007 arbeitet Mitch regelmäßig mit Lifehouse, sei es im Studio oder auf Tournee. Die Zusammenarbeit ergab sich durch Brandon Boyd, der damals FOH bei einer Fernsehshow war.
Was sind die 5 wichtigsten Dinge, die ihr mit auf Tour nehmt?
Mitch: „Wahrscheinlich nur Elektronik, sowohl für Arbeit, als auch privat: Telefon, Computer, Ersatzadapter für beides, Reisepass, damit ich zur Arbeit komme oder die Möglichkeit habe wieder heim zu kommen, wenn ich muss.“. Kleidung ist weniger wichtig, da laut Mitch und Winnie regelmäßig Koffer verloren gehen und man auch mal schnell ein paar Sachen kaufen kann.
Winnie: “Mein Computer ist meine Nummer 1. Es ist mein Portal in die Welt und nach hause. Meine Schuhe, denn ich muss auf meine Füße aufpassen, immerhin stehe ich die ganze Zeit auf ihnen. Deodorant, da müssen wir gar nicht mehr ins Detail gehen. Eine Zahnbürste und meinen iPod, das ist alles was ich brauche.“
Die körperliche Anstrengung, die der Job in einer Tournee Crew mit sich bringt, ist unbestreitbar. Ständiges schleppen von schwerem Equipment, auf dem Boden herumrutschen um Kabel zu montieren und immer wieder stundenlange Anfahrten oder Flüge zehren an der Gesundheit. „Wenn ich mich nicht um meine körperliche Gesundheit, Knochenbrüche etc sorgen müsste, könnte ich diesen Job noch eine sehr lang Zeit machen. Allerdings nur mit dieser Band. Irgendjemand anders und ich würde eher in einem Coffeeshop arbeiten gehen.“
Einen anderen Job wollen beide nicht unbedingt machen, auch wenn sich andere Möglichkeiten auftun. „Es gibt da draußen keine Band, mit der ich lieber arbeiten wollen würde. Wir sind wie eine Familie. Jason wird bei meiner Hochzeit mein Trauzeuge sein.“ erzählt Winnie. Mitch sieht sich in 20 Jahren am liebsten auf seiner Couch liegen. „Immer wenn ich mich in der Vergangenheit weiterentwickelt habe, war mir bewusst, dass dieser Schritt ohne die vorhergehenden Erfahrungen niemals möglich gewesen wäre. Lifehouse sind definitiv so eine Erfahrung. Falls ich irgendwann weiterziehe, dann wahrscheinlich nicht um zu touren, da ich das nicht ewig machen möchte. Ich werde aber immer unglaublich Stolz darauf sein, dass die Zeit mit der Band keine Arbeit war, sondern eher Vergnügen.“
Special thanx to Mitch and Winnie!Schlagwörter: Jimmy eat World, La Ley, Lifehouse