Der 18. September 1970 war für die Rockmusik ein schwarzer Tag. Eigentlich war das gesamte Jahr 1970 für die Musik ein schwarzes Jahr. Erst starb an jenem Tag im September Jimi Hendrix und knapp einen Monat später Janis Joplin. Mit „Live at the Atlanta Pop Festival“ gibt es jetzt ein neuerlich remastertes Konzert des Saitenhexers. Der Auftritt vom 4. Juli 1970 ist bereits Anfang der Neunziger in einer Hendrix Box erschienen, aber nicht komplett. In der 2015er Version fehlt nur noch der Song „Hey Baby“.
Gleich vorweg, der Sound ist glasklar! Wenn man es nicht wüßte, dass der Auftritt bereits 45 Jahre her ist, dann könnte man von einem aktuellen Konzert ausgehen. Begonnen wir der Gig mit „Fire“ das mit einem kurzen Einwurf des Outside Woman Blues von Robert Johnson gewürzt wird. Es ist eine wahre Wonne Jimi Hendrix hier zu lauschen. Sein Spiel ist virtuos und facettenreich. Seine Soli sind krass, einfach nur krass. Bendings, Feedbacks, Tempiwechsel. „Spanish Castle Magic“ gibt einen wunderbaren Vorgeschmack in welche Richtung das Konzert geht. Sein Gespühr für einfühlsames Spiel beweist er bei „Red House“. Hendrix hatte hier einen seiner besseren Tage. In den letzten Lebensmonaten des Gitarristen waren die Auftritte sehr durchwachsen. Sein Zustand war teils desolat.
Seine ganz großen und heute noch bekannten Hits wie „All Along the Watchtower“, „Purple Haze“, „Foxy Lady“ oder „Hey Joe“ spielt er alle im zweiten Teil des Auftrittes. Hier ist Hendrix wie entfesselt. Teils ist sein Spiel schon wieder so überdreht, dass man sich denkt – wer findet das noch gut? Doch dann nimmt er sich immer wieder voll zurück. Der letzte Song vor der Zugabe ist eine 8 Minuten Fassung von Voodoo Child in der Hendrix sein ganzes Können einsetzt.
Was wäre ein 4. Juli in den USA ohne die Nationalhymne? Spätestens seit dem Woodstock Festival im Jahr davor, war die Hendrix Interpretation von „Star Spangled Banner“ zu einer Legende geworden. Die Konservativen in den USA verurteilten diese Version aufs Schärfste, vorallem auch weil durch den massiven Einsatz von Feedbacks und Effekten immer wieder Sounds eingebaut worden sind, die an Schüsse und Hubschrauberrotoren erinnern. Jimi Hendrix wollte hier vorallem gegen den Vietnamkrieg protestieren.
Alles in allem erleben wir einen verdammt gut aufgelegten Jimi Hendrix in seiner Spätphase. Mit 27 Jahren hat der Gitarrist das geschafft, was viele in 50 Jahren nicht schaffen. Er ist zu einer Legende geworden. Sein früher Tod ist daran sicherlich nicht unschuldig, doch war er Innovativ in einer Zeit die musikalisch doch eher konservativ war. Noch vor Eric Clapton, Pete Townshend und Jimmy Page gilt Hendrix als der wohl einflußreichste Gitarrist der Musikgeschichte. Die Doppel LP „Live at the Atlanta Pop Festival“ vermittelt einen sehr guten Eindruck dessen.
Schlagwörter: Jimi Hendrix