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Jennifer Rostock – Genau in diesem Ton

Female Voices / Rezensionen / September 16, 2016

‚Genau in diesem Ton‘

nennt sich der 5. Longplayer der Wahlberliner, um Frontfrau Jennifer Weist. Und um diesen verheißungsvollen Taufnamen, hat sich die branntheiße Scheibe auch verdient gemacht! Wer hier den Ton angibt wird auf den ersten Lauscher klar: -Jennifer, Joe, Christoph, Baku und Alex-

„Wer seine Jugend nicht verschwendet, hat sie schon verpasst!“ – schallt es schon in der ersten Stimmungshymne #01 ‚Uns gehört die Nacht‘ entgegen und macht, auch ganz ohne Intro, Lust auf mehr.

Noch radiotauglicher und mit ebenso nachdenklichem Kurzfilmchen, im YouTube-Gepäck, geht es mit #04 ‚Wir waren hier‘ in die Vollen des Pop-Rock Genres. #10 ‚Leuchtturm‘ lautet der stimmige Abschluss, über Liebe, Leid und Alltagstrott. Doch anstatt hier erneut mit gängigen Beats, griffigen Riffs und stimmungsvollen Partycrushern glänzen zu wollen, entschied man sich, bereits bei der erste Werkauskopplung, für das punkige #02 ‚Irgendwas ist immer‘ – eine augenzwinkernde Hommage an das genügsame, deutsche Volk und dessen spießige Marotten.

Und wer die Rauchzeichen noch nicht gerochen hat, kommt mit #05 ‚Neider machen Leute‘ dem gekonntesten Wortspiel seit (‚Ein Schmerz und eine Kehle‘ (Schlaflos -2014-) richtig auf seine Kosten.

Ganz nebenbei: Hier bekommt sowohl unsere Lieblingswahlpartei der AFD „Verisse in der Presse und das einzige Interesse gilt dem Blech in meiner Fresse“, als auch die fleißigen BILD – Abonnementen „Warum soll ich meine Titten nicht zeigen? Die waren teuer genug!“, ihr wohlverdientes Fett weg! – „Kann man liken, kann man lassen“.

#03 ‚Baukräne‘ besticht mit dem wohlbekannten, rockigen Charme dieser Ausnahmeband und erzählt vom leidigem Erwachsen-werden und der ewigen Suche nach einem Platz im Leben.“Doch der Mensch der bloß ein Wort ist, passt da einfach nicht mehr rein“.

Was hier noch mit einem melancholisch-verträumten „Misstrau der Welt, denn sie belügt dich, oder belügst du dich selbst?“, besungen wird, wird in der stimmgewaltigen Endnummer #13 ‚I love you but I’ve chosen dispo‘ brachial heraus geschrien. Zukünftig sollte man bei ‚Kaleidoskop‘ (Kaleidoskop -2014-) wohl bestenfalls sämtliche Scream-Parts der guten Frau Weist respektvoll selbst überlassen.

Mit #06 ‚Hengstin‘ präsentiert das Quinett nicht nur einen Lobgesang, auf ihre führungsstarke Frontdame und der Stellung der Frau, in unserer heutigen Gesellschaft, sondern auch den mit Abstand untypischsten Songs der Bandgeschichte ab – der in ungewohnter Hip-Hop-Manie der Usedommer Rockröhre jedoch in allen Punkten schmeichelt. An dieser Stelle würde wohl selbst Lady Bitch-Ray anerkennend ihren Schlüpfer ziehen.

Nach dieser musikalisch-gelungenen Sollbruchstell, läd das späte Intro #07 ‚Ebbe und Flut‘ versöhnlich zu ruhigeren Klängen ein und flutet mit dem herzzereißendem #08 ‚Deiche‘ auch das letzte (Fan-)Herz.

Nicht minder ergreifen erzählt uns #11 ‚Jenga‘ die Geschichte einer zerbrochenen Liebe. Wer kennt es nicht? Wechselseitig werden die Steine gezogen, bis der wackelnde Turm über dem Verlierer zusammenstürzt.

Last but not least: #09 ‚Silikon gegen Sexismus‘ und auch hier noch einmal Kusshand und ein Zwinkern an unsere treuen BILD-Leser „Wem gehört mein Körper, wenn ihn die Zeitung druckt?“ – (‚Ins offene Messer‘ -2008-) re-released 2016? Zumindest ein Hauch mehr Oldschool-Jennifer Rostock, als auf dieser ungewöhnlichen Platte erwartet.

Verspielt und ausdrucksstark, bevor mit #12 ‚Wir sind alle nicht von hier‘ ein klares Statement zur derzeitigen Flüchtlingspolitik und der besorgniserregenden Situation in Deutschland folgt. Unverblümt, direkt und ein klarer Pluspunkt, weshalb diese Platte durch „Genau diesem Ton“ ihre Vorgängiger zweifelsfrei in den Schatten stellt.
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