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Led Zeppelin – Physical Graffiti

Rezensionen / Februar 18, 2015

Led Zeppelin - Physical GraffitiEin neues Led Zeppelin Album, ja das wäre was. Nach dem genialen Reunion Konzert im Dezember 2007 wurde den drei übrigen Mitgliedern: Robert Plant, Jimmy Page und John Paul Jones, genau wie vorher, mehrere Millionen für Konzerte geboten. Page und Jones hätten schon Lust drauf, Plant eher weniger. Somit sind die Chancen auf ein neues Album ziemlich genauso groß wie die einer neuerlichen Pink Floyd Tour. Doch der geneigte Muskliebhaber muss keineswegs traurig sein, denn Jimmy Page befindet sich seit einiger Zeit im Studio und remastert den kompletten Backkatalog der Band. Die ersten fünf Alben wurden von frenetisch bejubelt, nicht zuletzt wegen des umfangreichen Bonusmaterials, dass der Gitarrist mitliefert. Jetzt erscheint das Doppelalbum „Physical Graffiti“, welches oft als definitives Led Zeppelin Album genannt wird.

1975 waren die vier Briten auf dem Zenit ihrer Schaffenskraft. Zwei Jahre nach dem erscheinen von Houses of the Holy hatte man so viel älteres unveröffentliches Material und neue Songs in der Pipeline, dass man sich entschied ein Doppelalbum aufzunehmen. Die ersten Aufnahmen sollten in Headley Grange mit Equipment von Ronnie Lanes Mobile Studio entstehen. Nach kurzer Zeit kamen die Sessions zum Halt. Dennoch hatte man acht Songs aufgenommen. Wenig später entschied man sich, dass Material zu verwenden und mit älteren Stücken „aufzufüllen“. Letztendlich brachte „Physical Graffiti“ deutlich mehr als, das von Robert Plant einmal als „der definitive Led Zeppelin Song“ bezeichnete „Kashmir“ hervor. Ohne Frage ist es ein extrem wuchtiger Song, der neben „Stairway to Heaven“ und „Whole Lotta Love“ wohl auch von jedem noch so kleinen Kind erkannt wird.

Das Album beginnt mit „Custard Pie“ – „Kuchen mit Eiercreme“ ob es sich hierbei im Text tatsächlich um Oralsex und die weibliche Vulva dreht, ist doch eigentlich nebensächlich. Vielmehr ist es eine fette Hommage an den Deltablues und dessen Vorreiter Robert Johnson. Plant weiß mit einem Harmonikasolo zu begeistern, Page erweist sich einmal mehr als Soundkünstler, da er hier das Gitarrensignal im Solo nicht durch einen Gitarrenverstärker sondern in einen Synthesizer jagt. Genial! Das nachfolgende „The Rover“dröhnt mit ordentlichem Fund nach vorn. „In my Time of Dying“ ist ein epischer 11 Minuten Bluesritt. Page brilliert hier auf der Slidegitarre. „House of the Holy“ war eigentlich als Titeltrack auf dem Vorgänger gedacht, die Band entschied sich aber kurz vor dem Erscheinen des Albums, dass der Song nicht so recht auf die Platte passe. Am Ende der ersten Scheibe begegnet dem Hörer schlussendlich „Kashmir“ – ein Crossover aus orientalischer Musik und Hardrock. Den Text dazu schrieb Robert Plant 1973 in der marrokanischen Wüste. Eigentlich muss man nicht viel Worte über die Nummer verlieren, mit ihrem berühmten Riff im 3/4 Takt ist sie zeitlos.

Led Zeppelin haben schon früh gezeigt, dass sie sich eigentlich ungern auf einen Stil festgelegt haben. War es anfangs noch Hardrock, hat sich die Band immer weiter entwickelt. Dass sie sogar Progrock bzw. Spacerock konnten, beweisen sie mit „In the Light“ am Anfang des zweiten Teils. Synthiesounds von John Paul Jones bilden zusammen mit der Gitarre Jimmy Page einen einen Flug in die psychedelische Sphären. Nur um gleich wieder herunter zu kommen und mit dem wunderschönen Akustikintstrumental „Bron-Yr-Aur“ wieder auf die irdischen Pfaden zu wandeln. Mit dem Stück beweist Page seine Liebe zu seinem walisischem Cottage nicht nur Songs wie „Down by the Seaside“ sondern, nach eigener Aussage, auch seine Tochter entstand. Wo wir gerade bei Akustiknummern sind, „Black Country Woman“ könnte geradewegs auf der Bühne eines Pubs in den Tiefen Englands aufgeführt werden. Mit „Sick Again“ beschließen die Vier dieses geniale Album. Die Nummer ist mehr oder weniger als Entschuldigung an die unzähligen Groupies zu verstehen. Musikalisch ist dies zwar kein Uptempo Song, aber dennoch werden nochmal alle Register gezogen.

CD 3 bietet verschiedene Demos und Rohfassungen einger Albumtracks. Beispielsweise haben wir „Sick Again“ in der Demofassung oder auch eine frühe Version von „In the Light“ – hier noch als „Everybody makes it through“ bezeichnet und fast noch eine Spur proggiger ist als die schlußendliche Albumaufnahme. Andere Stücke unterscheiden sich wirklich nur marginal vom Album, so z.B. „Boogie with Stu“ und auch „Kashmir“ – bei dem Robert Plant stimmlich nicht ganz so auf der Höhe war und von Zeit zu Zeit den ein oder anderen Ton vermasselt. Dafür ist es die Rohfassung.

Zum Schluß noch einige Worte zum Remaster. Jimmy Page hat, wie schon bei den vorherigen Alben ganze Arbeit geleistet. Die Soundeffekte wirbeln nur so um die Ohren. Der Sound ist glasklar und man hat nicht das Gefühl ein Vierzig Jahre altes Album zu hören.  Eher ein Brandneues!

Led Zeppelin haben mit „Physical Graffiti“ einmal mehr Innovation und Experimentierfreude bewiesen. Die Band hat Generationen von Musikern nachhaltig beeinflusst. Erinnert sich noch jemand an den Film „It might get loud“? Da spielt Jimmy Page das Riff zu „Whole Lotta Love“ und U2’s The Edge schaut voller Ehrfurcht auf das Griffbrett. Spätestens mit „Kashmir“ hat sich die Gruppe unsterblich gemacht. Alles in allem ist das Album ein Brett, dass zu Unrecht manchmal hinter III und IV steht. Jeder Song steht für sich und bietet dem Hörer eine, heute oft unbekannte, Masse an Abwechslung. Danke dafür!


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