Eine Band ist eine eingeschworene Einheit. Jedes Mitglied hat seine feste Position, Einflüsse von außen sind störend. Jeder der nur im Ansatz den Kreis tangiert, gilt erstmal als Feind. Philip Oehmke, Kulturredakteur beim SPIEGEL kennt die Toten Hosen seit 25 Jahren und gilt als Freund der Band. Genau ihm erlaubten die Düsseldorfer nun mit die offizielle Bandbiographie zu verfassen. Das Buch ist Ende 2014 im Rowolth Verlag erschienen und gibt auf 384 Seiten Aufschluss über die wechselvolle Geschichte der Punkrock Gruppe.
Etwas unorthodox geht Philipp Oehmke schon vor. Als Aufhänger dienen die Aufnahmen und die Zeit nach dem Release, des wohl, kommerziell erfolgreichsten, Albums der Bandgeschichte „Ballast der Republik“. Von dort aus wird immer wieder in die Vergangenheit gesprungen. Dabei kommt die Kindheit der einzelnen Musiker ausführlich zum Gespräch, wobei der Fokus etwas zu Campino verschoben ist, der genau wie die anderen Musiker als Kind der Weltkriegsgeneration mit allen ihren Ressentiments und damit verbundenen Problemen aufwuchs. Es wird geschildert wie Campino durch seinen Bruder John zum Punk kam und wie es Ende der Siebziger im legendären Ratinger Hof zuging. Die Besitzerin ermöglichte es jungen Bands im Bierkeller tagsüber zu proben. Dort entstand auch die Hosen Vorgängerband ZK.
Immer wieder springt Oehmke dabei in die Gegenwart und kommt auf die Aufnahmen und den Schreibprozess zu „Ballast der Republik“ zurück. Er schreibt, wie „Tage wie diese“ als U2-look-alike Song abgestempelt ein Schubladen dasein fristete, bis es als einer der letzten Nummern auf das Album kam. So ist es manchmal mit überaus erfolgreichen Songs. Doch diese Sprünge sind ein zweischneidiges Schwert. Sie erfolgen nicht chronologisch, sondern mal wird das Kennenlernen mit Jochen Hülder – dem langjährigen Manager der Anfang Januar 2015 an Krebs starb, beschrieben, dann wird wieder 15 Jahre nach vorn zum wohl schwärzesten Tag der Band gesprungen. Die Toten Hosen wollten ihr 1000. Konzert im Düsseldorfer Stadion feiern, doch es kam zur Katastrophe. Ein Mädchen kam im Gedränge der Massen zu Tode. Auf Anraten der Polizei und Feuerwehr spielte die Gruppe das Konzert zu Ende. Es ist zwar erfrischend unorthodox eine Biographie mal anders aufzuziehen, jedoch wäre die Verfolgung einer mehr oder weniger kohärenten Chronologie dabei von Vorteil gewesen, da es manchmal dann schwer wird, dem ganzen zu Folgen.
Man merkt Philipp Oehmke auch an, dass er seit über 25 Jahren Fan der Band – was auch zweifelsfrei ein Vorteil ist, um eine Biographie über die Toten Hosen zu schreiben, jedoch läuft man manchmal Gefahr zu sehr zu glorifizieren und kontroverse Themen bzw. negative Themen schön zu reden. Alles wirkt immer wie ein großes Abenteuer – was es aber auch Zweifelsohne war bzw. ist.
Alles in allem ist „Am Anfang war der Lärm“ eine durchaus würdige Retrospektive der Band um Campino. Jedes Bandmitglied und jeder wichtige Wegbegleiter bekommt ausreichend Raum. Somit wird dem Leser quasi das Rund-um-Sorglos Paket der Hosen Geschichte kredenzt, jedoch wirkt die Strukturierung gelegentlich so, als wäre Oehmke mitten im Schreiben ein Geistesblitz gekommen und er wollte eine Episode nicht vergessen, also schrieb er sie an diese Stelle mit rein. Dennoch eine der besseren Bandbiographien der letzten Jahre! 8/10!
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