Anfang April veröffentlichten die Postrocker von NoSound mit Teide 2390 ihr erstes Livealbum. Die Platte entstand bei einem Auftritt der Band im Rahmen des Starmus Festivals auf dem Pico del Teide auf Teneriffa. Einer Veranstaltung die Wissenschaft, Kunst und Musik miteinander verbindet. Mitorganisator ist die europäische Weltraumagentur ESA. 2014 traten u.a. Stephen Hawking und Brian May von Queen als Keynotespeaker auf.
Im Zuge des Releases von Teide 2390 gab uns Bandleader Giancarlo Erra ein sehr offenes Interview!
A2m: Kannst du uns mehr über das Festival erzählen?
Giancarlo Erra: Bis zu dem Zeitpunkt als man mich kontaktierte kannte ich das Festival noch garnicht. Das lag möglicherweise daran, dass es erst die zweite Auflage war, obwohl es das größte Wissenschafts- und Astronomiefestival der Welt ist. Im Grunde war es die Idee von Garik Israelian, einem berühmten Wissenschaftler und begeisterten Musik- und NoSound Fan. Er hatte die Idee Musik und Wissenschaft als zwei Ausprägungen von Kreativität zusammenzubringen. Obwohl sie augenscheinlich weit auseinanderliegen, sind sie sich eigentlich sehr nahe. Viele Musiker sind gleichzeitig sehr an Wissenschaft und Astronomie interessiert, so dass die Idee wirklich gut funktionierte und Garik in der Lage war einzigartiges Festival zu organisieren. Dabei bracht er einige der größten Köpfe unserer Zeit wie Stephen Hawking, Richard Dawkins sowie Brian May oder Rick Wakemann zusammen und schaffte eine kohärente Verbindung zwischen ihnen.
Er lud uns ein, weil er ein Fan unserer Musik ist und auch Brian May meinte, dass er uns einladen solle weil er einen Song von uns mochte, den er mit Garik im Auto hörte.
A2m: Ist es eigentlich schwer eure Soundflächen von den Alben auf die Bühne zu transportieren?
GE: Ja und Nein. Ich mag es nicht Klicks oder voraufgezeichnete Tracks zu nutzen, darum ist die Umsetzung der einzelnen Teile herausfordernd, aber gleichzeitig auch sehr kreativ. Es zwingt uns einige Stücke auf neue Weise und mit begrenzten Mitteln neu zu erfinden. Ein Teil der Arbeit sind die Proben mit der Band im Studio. Ein Anderer ist das Programmieren von allen Instrumenten und Effekten am Computer mit Marco – das ist etwas das ich sehr mag. Wenn ich live spiele, kann ich mich viel besser ausdrücken als im Studio.
In diesem Sinne ist das auch etwas, was ich gerade im Studio versuche – so viel live Gefühl auf die Alben zu transportieren wie nur möglich.
A2m: Eure Musik in Verbindung mit dem Starmus Festival und dem ESA Observatorium hat ja schon so etwas wie ein kosmisches Feeling…was meinst du ?
GE: Auf jeden Fall! Ich denke es ist natürlich ambient Klänge mit dem All zu assoziieren, denn da ist dieser große, stille Raum und diese Art von Musik passt wirklich gut zu diesem Gefühl. Ich versuche immer offensichtliche Verbindungen zu vermeiden, doch der Link zwischen unserer Liveshow und Starmus war von Anfang an irgendwie offensichtlich. Ich bin selbst begeisterter Astrofotograf, so bin ich auch selbst von der Astronomie auf meiner musikalischen Seite beeinflusst. Ich mag es mit meiner Musik emotionale und schmerzvolle Lücken zu füllen, die ich (und hoffentlich auch meine Zuhörer) habe. Auch um micht weniger alleine im Dasein zu fühlen. Dadurch ist auch die Verbindung mit der Unendlichkeit des Raumes eine reale Sache.
A2m: Woher nimmst du denn die Inspiration für deine Musik?
GE: Ich nehme diese grundsätzlich aus meinem eigenen Leben. Ich bin jemand der oft in seiner eigenen Welt lebt und ich beobachte und fühle was mir und um mich herum passiert. Schon als Kind habe ich herausgefunden, dass der einzige Weg darinliegt, um mit emotionalem Schmerz umzugehen, mit mir selbst zu reden und der einzige Weg um ehrlich zu mir selbst zu sein, ist die Musik. Darum schreibe ich meist für mich selbst, es ist eine Art von reinigender Erfahrung, die mir hilft schwierige Dinge zu verarbeiten. Alles was ich schreibe ist Autobiographisch und von meinem realen Leben inspiriert. Manchmal nutze ich Metaphern, manchmal bin ich direkter.
A2m: Was denkst du? Ist NoSound in der Zwischenzeit zu einer echten Band gewachsen oder ist es immernoch eine Art Studioprojekt?
GE: NoSound ist seit dem wir unser zweites Album Lightdark veröffentlicht haben und bei Kscope unter Vertrag kamen. Das erste Album war etwas, das ich für mich machte. Auch weil ich als einziger die Idee hatte, was NoSound sein sollte. Nach dem Sol29 herauskam, hatte ich eine Art Entwurf mit dem ich anderen meine Vision von Musik vermitteln konnte. Der gute Erfolg tat den Rest, so dass ich eine Band brauchte um die Musik live zu spielen. Ich war sehr erpicht darauf eine echt Band zu finden, anstelle alles alleine machen zu müssen. Ich schreibe immer für mich alleine und schicke dann der Band dann die Demos. Ich produziere auch alles selbst, weil ich alles unter Kontrolle haben muss, aber die Beiträge der Band im Sinne von Anhören, Auswählen, Umarrangieren und Recording sind fundamental und das funktioniert sehr gut in unserem Fall. Ich habe immer das letzte Wort und das vermeidet Spannung oder Verzögerungen im Prozess. Ich bin dadurch offen für neuere Ideen und sie arbeiten nicht nur stur an etwas, nur weil ich auf meine Ideen beharre. Ich liebe es mit Dingen überrascht zu werden an die ich nicht im geringsten dachte. Alle Bandmitglieder sind extrem talentierte Musiker und gute Freunde. Alle haben einen leicht unterschiedlichen Geschmack und jedes kleine oder größere Detail was sie mit einbringen ist ein essentieller Teil unserer Musik – auf der Bühne und im Studio.
A2m: Ihr habt in der Vergangenheit nur vereinzelt Konzerte gegeben. Plant ihr mehr Gigs oder vielleicht auch eine Tour?
GE: In der Tat spielen wir meist nur einzelne Gigs im Jahr, auch wenn wir das mit einer gewissen Kontinuität tun. Letztes Jahr bevor wir nach Teneriffa flogen, spielten wir zwei Konzerte in England. Unsere Musik passt nicht überall. Sie ist nichts für Pubs oder kleine Clubs wo die Leute trinken und essen, aber auch nicht groß genug für Theater. Wir versuchten ein paar Mal eine Tour zu organisieren, aber es ist nicht leicht. Die Veranstalter nehmen dich an Board wenn du Metal, Uptempo, Elektronik, Folk oder leichte Musik bietest. Unsere Musik ist nichts von dem. Die Leute müssen aufmerksam sein und das ist kein guter Background für Leute die nur nebenbei zuhören. Wir kennen die Natur unserer Musik und so versuchen wir handverlesene Chancen zu bieten live zu spielen. Das ist gut für uns und auch für das Publikum. Wir versuchen mit jedem Jahr zu wachsen, von daher glaube ich, dass wir bald mal eine Minitour durch Europa machen werden.
Es ist lustig vor Künstlern wie Steve Hackett, Tony Levin, Anathema oder Brian May zu spielen, aber im gleichen Atemzug ist es schwierig einen Veranstalter zu finden, der gewillt ist auf eine andere Art von Musikangebot zu setzen. Im Normalfall arbeiten wir einfach und die Resultate kommen von allein. Starmus ist der Beweis gewesen, dass sich harte Arbeit auszahlt und im nächsten Jahr gibt es vielleicht größere Überraschungen…
A2m: Eure Musik wird immer als Mix aus Pink Floyd und Porcupine Tree beschrieben. Wie würdest du sie selbst beschreiben?
GE: Nun, Porcupine Tree (so wie ich sie mag) waren extrem von Pink Floyd beeinflusst und sie sind definitiv die Band mit er ich aufgewachsen bin. Von daher ist der Einfluss schon da. Ein Vergleich der mir sehr schmeichelt. Ich denke aber auch, dass sich im Laufe der Jahre mein Musikgeschmack oft verändert hat, so auch die Musik von NoSound. Heute sind da viele Elemente von Postrock, verschiedener Soundtracks, zeitgenössischer klassischer Musik aber auch Singer/Songwriter. Ich selbst denke auch, dass NoSound weit weg von dem sind, was die Leute unter „progressive“ Musik verstehen – einer Art Musik die ich selbst garnicht mag. Aktuell geht mein Geschmack eher in Richtung Olafur Arnalds oder Sigur Ros. Ich möchte hinzufügen, dass Singer/Songwriter, mehr noch Songstrukturen von klassischer Musik und deren Interpretation viel spezifischer für NoSound ist, als der Einfluss von anderen Künstlern.
A2m: Es gibt Gerüchte, dass du an einem Nachfolger zu Afterthoughts arbeitest. Wann soll es denn veröffentlicht werden? Kannst du schon mehr darüber erzählen?
GE: Im Moment kann ich nicht viel darüber sagen. Wir arbeiten immernoch daran und es könnte mit einem größeren Event im nächsten Jahr verbunden werden. In diesem Jahr wird etwas veröffentlicht werden und noch etwas anderes im Nächsten. Einiges wurde in den letzten Wochen geändert – alles zum besten, so dass es auf einem tollen neuen Kurs ist. Das Material was ich für das neue Album geschrieben habe, hat einige unterschiedliche Stile und entstand in verschiedenen Sessions. Von daher möchte ich diese Variabilität auch im finalen Produkt bewahren. Ich kann soviel sagen, dass es momentan nach dem besten und ausgereiftesten Album klingt, was ich bisher schrieb.
A2m: Euer Label Kscope entwickelt sich ja immer mehr zu einem Refugium von hochqualitativer post-progressive Musik. Was glaubst du – wo stehst du mit NoSound zwischen Bands wie Steven Wilson, Anathema oder The Pineapple Thief ?
GE: Ich denke mal im Sinne eines künstlerischen „Feelings“ ist Kscope unsere ideale Heimat. Was uns Bands verbindet ist weniger das Genre. So klingt Anathema schon anders als Steven Wilson oder The Pineapple Thief anders als NoSound. Was uns eher verbindet ist die harte Arbeit die wir hineinstecken. Nicht nur im Studio oder auf der Bühne, sondern auch in der Promotion und beim Touren. So ist es in der Tat eine Familie die zusammenarbeitet. Was ich noch wichtiger finde ist, dass alle Bands ihre echten Gefühle über die Musik in diesem oder jenem Genre ausdrücken. Ich bekomme fast täglich anfragen ob ich Musik an Kscope weiterleiten könnte, doch die meisten erkennen diesen kleinen und vielleicht subtilen Fakt nicht. Wir sind mit NoSound selbstverständlich nicht so groß wie Wilson oder Anathema. Bruce (Soord) und Pineapple Thief fing kurz vor mir an und leistet großartige Arbeit. Im Sinne von Veröffentlichung und Qualität kommen wir gerade an…
Einige der neu unter Vertrag genommenen Bands von Kscope (Nordic Giants, The Receiver) zeigen wie weit sie nach vorn schauen. Das ist kein Prog, zumindest nicht hauptsächlich. Es zeigt wo die Musik gerade steht. Es ist eine Ehre ein Teil dessen zu sein. Ausserdem fordert es uns immer wieder heraus etwas besseres abzuliefern als das vorherige!
A2m: Wo siehst du dich und NoSound in der nahen Zukunft?
GE: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich plane nie, wo es hingehen soll um, das dann zu einem neuen Ausgangspunkt zu machen. Wir werden mit Sicherheit da bleiben, mehr und mehr qualitative Musik machen, vielleicht mehr und bessere Konzerte spielen und immer hart arbeiten um höhere Ziele zu erreichen. Auch um die Sicht zu erweitern und neue Dinge zu lernen. Ich bin jetzt 36 und ich weiß sehr gut wo ich im Leben stehe. Ich habe vor einiger Zeit entschieden meine Musik zu sein, in jeder möglichen Form und NoSound ist mein persönlichstes Gut. Von daher denke ich, dass das Beste noch kommt. Ich selbst arbeite auch immer mehr als Produzent und Toningenieur für andere Bands. Das ist auch etwas, was ich verstärkt tun möchte. Ausserdem plane ich mit Tim Bowness zu Memories of Machines für eine Neuauflage und zu einem neuen Album zurückzukehren. Die zweite Jahreshälfte und das nächste Jahr wird groß! Ich hoffe bald etwas offizielles sagen zu können…
Tausend Dank an Giancarlo Erra für das ausführliche und offene Interview!
Schlagwörter: NoSound