
Das With Full Force hat sich über die Jahre zu einer Institution in der deutschen Festival-Landschaft gemausert. Freunde der gepflegten Prügelattacke pilgern Jahr für Jahr in die sächsische Provinz um sich von der Créme de la créme der internationalen Hardcore und Extreme-Metal-Szene auf dem Flugplatz Roitzschjora ordentlich die Rübe durchschütteln zu lassen. Klarer Fall, dass da auch die Access2Music-Redaktion nicht fehlen darf. Und so machte sich das Team auf, um zu überprüfen ob auch die mittlerweile 22. Auflage der Bollo-Sause halten kann, was das sehr starke Line Up verspricht.
Freitag, 03. Juli 2015Bedingt durch Arbeit und leichte Verkehrsprobleme erreichen wir den geweihten Roitzschjoraer Grund mit leichter Verspätung. Fix die Pressebändchen abgeholt, Auto geparkt und Zelt aufgeschlagen und nach einem schnellen Bierchen mit ein paar verirrten Festival-Gängern (für deren ausreichende Hydrierung wir selbstverständlich gerne sorgen) geht’s auch schon ab auf den Acker. Für die Berichterstattung haben wir uns aus Mangel an Personal einen Fokus auf die Main Stage des Full Force auferlegt und entscheiden uns dafür, hauptsächlich augenscheinlich interessante Bands und persönliche Favoriten unter die Lupe zu nehmen.

Für unsere persönliche Begrüßung auf dem Festival sorgen die US-Hardcore-Helden von Terror, die am späten Nachmittag auf der Main Stage ihrem Namen alle Ehre machen. Fettester Hardcore mit ordentlicher Bollo-Kante steht auf dem Programm und so fegt die Truppe um Fronter Scott Vogel mit einer massiven Soundwand übers Gelände. Keine Kompromisse heißt das Motto des heutigen Tages. Stattdessen gibt es die Songs Schlag um Schlag ohne Umwege direkt ins Gesicht. Der Breakdown-lastige Sound der Kalifornier ist geradezu prädestiniert dafür, die Meute vor der Bühne in Wallung zu bringen und so dauert es nur Minuten, bis die ersten Mosh- und Circle Pits die Menge in Bewegung versetzen. Unterbrochen nur von kurzen, genre-typischen (Live By The Code ist Programm) Ansagen fahren Terror ein extrem kurzweiliges Programm und die Fans danken es mit frenetischem Jubel. Der perfekte Start ins Wochenende, nicht für uns!

Im Anschluss folgt dann das musikalische Kontrastprogramm. Gut, auch Carcass sind alles andere als ein laues Lüftchen am Musikhimmel, doch wo zuvor bei Terror der direkte und brettharte Groove regiert, lassen die Briten ihr Soundgewitter mit einer ganzen Schippe mehr musikalischer Finesse ins Publikum ballern. Der Titel des aktuellen Outputs „Surgical Steel“ ist Programm und so fährt die Mannschaft um Front-Doktor Jeff Walker ein Set auf, in dem von wüstem Old-School-Grind-Geballer bis zu chirurgisch präzisen Death Metal-Eruptionen alles vertreten ist, was dem geneigten Extreme-Metal-Hörer ein fettes Grinsen in die Visage zaubert. Stumpfe Riffs treffen auf klassische Gitarrensoli, vertrackte Rhythmen lösen sich in mörderischen Blast-Beats auf und über allem leitet des Meisters sympathisch-fieses Organ durch die Messe. Auch mit den Ansagen untermauern die Briten mit ironischem Augenzwinkern ihren Legenden-Status. O-Ton Jeff Walker: „Ihr wisst genau warum wir so eine kleine Crowd haben – weil Carcass-Fans keine Idioten sind! “ Kurzum, Carcass zelebrieren in der langsam untergehenden Sonne eine Lehrstunde in Sachen extremem Metal und zeigen eindrucksvoll auf, warum sie in der Musikgeschichte einen Sonderplatz einnehmen. Wie Mr Walker richtigerweise verkündet: Ohne die Vorarbeit der Altmeister, wären wohl die meisten moderneren Metalcore-Truppen ohne die nötige Inspiration geblieben. Ein ganz starker Auftritt einer legendären Band, die den Boden für den Freitags-Headliner mehr als nur würdig bereitet.
Was dann allerdings im Anschluss an die Altmeister des Death-Grind über Roitzschjora hereinbricht, kann nur mit einem Wort angemessen beschrieben werden: Mächtig! Verdammt mächtig!
Parkway Drive haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich in den Slots der Festivals nach oben gespielt und nehmen heute erstmals die Headliner-Position des Full Force ein. Und die fünf Australier zeigen vom ersten Ton an, dass sie diesen Spot mehr als nur auszufüllen wissen.
Zu den Klängen von „Wild Eyes“ betritt das Quintett die Bühne und nachdem der die Bühne verhüllende Vorhang nach einem Konfettiregen gefallen ist, zerlegt die Truppe das Gelände. Schlag auf Schlag geht es nach Opener weiter, und spätestens beim zweiten Song ist die Menge vor der Bühne nicht mehr zu halten. Da wird gesprungen, gemosht und mitgegrölt, als wäre heute schon Sonntag und man hätte nicht noch zwei weitere anstrengende Tage vor sich.
Die Band tut aber auch ihr bestes, um die Meute immer weiter anzuheizen. Vor allem Fronter Winston McCall ist unablässig unterwegs, reisst heute mehr als nur ein paar Kilometer auf der Bühne ab und stachelt das Publikum immer wieder an. Bester Beweis für das enorme Selbstvertrauen der Band: Der Über-Brecher „Karma“ wird schon nach wenigen Takten abgebrochen, weil Meister McCall der geforderte Circle Pit eindeutig zu klein ist. Und die Menge lässt sich dann auch nicht lange bitten, stattdessen ist beim zweiten Anlauf der größte Teil des Infields in Bewegung und macht mächtig Dampf. Keine Frage, die Fans fressen Parkway Drive heute aus der Hand. Das wird auch im weiteren Konzertverlauf immer wieder deutlich. Die tobende Masse dreht bei Songs wie „Romance Is Dead“, „Deliver Me“ oder „Idols“ komplett frei und gerade der enorme Chor beim neuen Hit „Vice Grip“, der die Gang-Shouts von der Bühne quasi überflüssig macht, beweist, welchen Status die Australier sich mittlerweile in der Szene erspielt haben.
Die Band zeigt sich auch sichtlich überwältigt von der geballten Resonanz, die Musiker kommen aus dem Grinsen und Staunen gar nicht mehr heraus und immer wieder wird in den Ansagen mit Dankesworten um sich geworfen und betont, wie geehrt man sich fühlt, als Headliner vor knapp 20.000 Fans spielen zu dürfen. Zum Ende des Konzerts werden dann beim arschgeilen Rage Against The Machine-Cover „Bulls On Parade“ nochmal die letzten Kräfte mobilisiert, bevor die Band unter frenetischem Jubel von der Bühne entlassen wird. Ein absolut würdiger Headliner-Auftritt einer Band, die in den nächsten Jahren sicherlich auch noch größere Bühnen souverän ausfüllen kann und ein würdiger Abschluss für den ersten Festival-Tag. Die Frage, die sich nicht nur uns nach dieser Vollbedienung stellt lautet dann auch folgerichtig: Was soll das noch toppen?
Samstag, 04. Juli 2015Der Festival-Samstag startet für uns nach einer extrem kurzen Nacht erstmal im Backofen. Schon gegen 7 Uhr ist es im Zelt praktisch nicht mehr auszuhalten, und so rollen wir uns notgedrungen aus der Koje. Damit ist das Motto für den Tag auch schon gesetzt, denn ab jetzt gilt: Flüssigkeit nachkippen, bis nichts mehr geht. Die Temperaturen auf dem Gelände knacken noch vor dem Mittag mehr als locker die 30 Grad-Marke und marschieren entspannt der magischen 40 entgegen. Da hilft es auch nichts, sich in kompletter Montur unter die Dusche zu stellen – nach spätestens 15 Minuten ist man wieder knochentrocken. Und auch die 50er-Sonnencreme ist nur partiell erfolgreich. Kurzum, beim Kampf gegen Hitze und Sonne fühlt man sich eher wie Don Quichote im sinnlosen Kampf gegen Windmühlen.
Das merken Senor Quichote und Sancho Panza auch, als sie zwecks Stimmungseinfang über den Campingplatz schlurfen (von gehen kann bei diesen Temperaturen keine Rede mehr sein). Auf dem gesamten Areal dominiert ein Bild: Gruppen von Besuchern, die sich in den Schatten von Pavillons zurückgezogen haben, vorzugsweise mit Dreifach-Kühlung: Pavillon, Planschbecken und kühle Getränke. Nur vereinzelt messen sich ein paar Hartgesottene im Festivalsport Nummer Eins. Doch ob Flunkyball bei diesem Wetter wirklich die weiseste aller Entscheidungen ist, lassen wir einfach mal unkommentiert stehen. Spaß haben aber alle Beteiligten sichtlich.

Dank unseres Abstechers auf den Campground und die allgemeine Trägheit, die diese Temperaturen bei uns auslösen, schaffen wir es wieder erst zum etwas erträglicheren Nachmittag vor die Main Stage. Während auf dem eigentlichen Gelände vor den Wasserstellen regelrechte Aufläufe stattfinden, ist es vor der Bühne noch schön luftig leer. Das ändert sich allerdings, als Agnostic Front die Bretter entern. Schlagartig strömen die Massen von der Tent Stage vor die Hauptbühne und blitzschnell ist das Infield rappelvoll. Die NYHC-Legende um Fronter Roger Miret und Gitarrero Vinnie Stigma (mittlerweile mit modischem Irokesenschnitt) hat eben immer genug Zugkraft – egal auf welcher Bühne und egal um welche Uhrzeit. Und die Force-Stammgäste machen von Anfang an keine Gefangenen. Ohne Umschweife knallt die Truppe den anwesenden Fans ihren New York-Sound vor den Latz und sorgt vom ersten Ton an für ordentlich Betrieb vor der Bühne. Eine Leistung, die bei den äußeren Umständen mehr als beachtlich ist. Die Meute frisst den Routiniers dabei aus der Hand, was die Moshpits und Hüpfeinlagen bei Knallern wie “For My Family” oder “My Life, My Way” deutlich unterstreichen. Aber auch neuere Brecher wie “Never Walk Alone” und “The Old New York” werden stark aufgenommen und mit mächtig Action unter den Fans gedankt. Fronter Roger Miret verweist mehrfach auf die besondere Verbindung der Truppe zum With Full Force (im Prinzip spielen Agnostic Front in Roitzschjora ohnehin in ihrem Wohnzimmer) und sucht ständig den Kontakt mit den Fans. Sein Partner in Crime Vinnie Stigma bangt sich derweil die Rübe wund, bearbeitet seine Gitarre wie ein Berserker und findet zwischendrin immer wieder die Zeit, mächtig zu posen oder neckisch mit dem Publikum zu spielen. Abgerundet wird der starke Auftritt von einem mächtig heftigen “Blitzkrieg Bop”-Cover (selbstverständlich mit persönlicher Widmung an jeden einzelnen Ramone), sowie dem Band-Klassiker “Gotta Go”, bei dem das Publikum den Mitsing-Part ordentlich streckt und den eigentlich knackig-kurzen Song so locker auf über fünf Minuten bringt. Das Fazit nach schweißgetränkten knapp 45 Minuten: Agnostic Front bringen’s immer!

Im Anschluss ist es dann Zeit für wohl die beste deutsche Thrash Metal-Band überhaupt: Kreator sind auf dem Force gelandet und sie sind gekommen um zu zerstören. Die Truppe um Kult-Fronter Mille Petrozza ist eigentlich immer ein Garant für bärenstarke Live-Auftritte und auch heute werden die Fans nicht enttäuscht. Zu einem kurzen Intro, während dem zwei Herren in Totenkopfmaske mit Bengalos am Bühnenrand stehen, betritt das Ruhrpott-Schlachtschiff die Bühne, um in den folgenden sechzig Minuten eine Lehrstunde in Sachen Rübe abschrauben zu erteilen. Mit “Enemy Of God” wird das Set mehr als energisch eröffnet, bevor “People Of The Lie” (wir sind uns hier auf Grund der dezent matschigen Birne nicht mehr 100% sicher) und “Phobia” für klare Verhältnisse sorgen. Ohne große Umschweife geht es weiter durch die Prärie. Mille verzichtet heute größtenteils auf allzu lange Ansagen – ein kultiges “Zerstörung!” ist aber trotzdem zu vernehmen – sondern treibt im Verbund mit seiner Hintermannschaft unermüdlich Schneisen in die Menge vor der Bühne. Die Band ist bestens aufgelegt und präsentiert einen extrem tighten Gig. Basser Speesy wechselt permanent zwischen coolem Gepose und mächtigem Headbanging (das dem Typ die Rübe nicht irgendwann abfällt!), Drummer Ventor vermöbelt seine Schießbude als gäbe es kein Morgen und Gitarrero Sami Yli-Sirniö glänzt mit feinen Leads und melodischen Soli, die einen angenehmen Gegenpart zu Herrn Petrozzas eher Slayer-esken Soundgewittern bilden. Der Bandchef selbst spuckt wie gewohnt Gift und Galle, lässt es sich aber auch nicht nehmen, ab und an mal mit einem fetten Grinsen zwischen den Backen mit dem Publikum zu interagieren.
Songtechnisch gibt es den gesamten Auftritt über nichts zu meckern, es wird eine wilde Achterbahnfahrt durch die Bandhistorie geboten. Ein Dreierpack vom aktuellen “Phantom Antichrist”-Output in der Mitte des Sets (Titeltrack, “From Flood Into Fire”, “Civilization Collapse”) markiert die Halbzeit, bevor mit “Violent Revolution” wieder mächtig auf die Tube gedrückt wird. Zum Ende hin wird dann mit “Pleasure To Kill” zur ultimativen Vernichtung angesetzt. Man muss es einfach sagen, Kreator gehören spätestens seit dem Quasi-Comeback um die Jahrtausendwende zur absoluten Weltspitze der Thrash-Bands und brauchen sich keinen Millimeter vor den großen Vorbildern aus der Bay Area zu verstecken. Das sehen auch die Fans so und entlassen die Essener mit frenetischem Jubel in den wohlverdienten Feierabend. Der Boden für den Samstags-Headliner ist also mehr als bereitet!
Diesen Slot haben die Thüringer von Heaven Shall Burn inne. Den Auftritt verfolgen wir allerdings auf Grund von massiver Erschöpfung nicht mehr direkt vor der Bühne sondern lauschen den Klängen der Truppe vom deutlich entspannteren Campingplatz aus. Der Sound ist dort allerdings erstaunlich gut zu vernehmen, weshalb trotzdem ein paar Worte zum Auftritt der wohl größten deutschen Metalcore-Band möglich sind. Geht man von den absolut frenetischen Publikumsreaktionen aus, liefern die fünf Herren wohl einen Auftritt ab, der sich hinter dem von Parkway Drive vom Vorabend absolut nicht zu verstecken braucht (das wird uns am Folgetag auch von mehreren Anwesenden mehr als deutlich bestätigt). Songs wie die herausgehörten “Endzeit” und “Voice Of The Voiceless” schlagen ein wie die oft bemühte Bombe und unterstreichen einmal mehr die Qualitäten einer Band, die den Spagat zwischen corigem Geböller, feinen Anleihen von Melodic Death und gelegentlichen Ausflügen in Schwarzmetallische Gefilde mit Leichtigkeit meistert. Da haben die Force-Macher mit dem Samstags-Headliner wohl wieder einmal alles richtig gemacht.
Sonntag, 05. Juli 2015Auch am Sonntag treibt uns die Gluthitze zur Unzeit aus der Koje. Stattdessen dünsten wir auf dem Campingplatz den ersten Bands des letzten Festival-Tags entgegen, nur unterbrochen von gelegentlichen Ausflügen zum Duschcontainer zwecks Ganzkörper-Kühlung (ein noch sinnloseres Unterfangen als am Vortag).

Die erste Band, die wir auf der Main Stage verfolgen sind die Österreicher von Kontrust, die mit ihrer doch sehr eigenwilligen Mischung ein wenig aus dem Rahmen des With Full Force fallen. Im Kern bietet die Truppe leicht corigen Crossover, der aber zum einen durch das Wechselspiel zwischen recht aggressivem Gesang von Fronter Stefan Lichtenberger und Sängerin Agata Jarosz, sowie die häufig eingestreuten stilfremden Elemente wie dezent orientalische Instrumentalklänge und einen Percussionisten auf der Bühne zu einem recht eigenständigen Klangkosmos vermischt wird. Vielleicht aber auch zu eigenständig und eigenwillig. Zwar ist direkt vor der Bühne durchaus ordentlich was los, aber die meisten Zuschauer verfolgen das Geschehen auf den Brettern eher mit anerkennendem Nicken oder leichten Tanzeinlagen, anstatt richtig in die Vollen zu gehen. Ob es nun an der spezielleren Art von Musik oder doch eher an der Gluthitze auf dem Gelände liegt – so richtig zünden wollen Kontrust hier heute nicht. Keine Frage, hier sind talentierte Musiker am Werk, aber nicht nur an uns rauscht der Auftritt der Österreicher eher vorbei, als dass er wirklich in die Beine fährt.

Das sieht bei der folgenden Truppe schon ganz anders aus. Die Niederländer von Born From Pain betreten die Bretter um die Betriebstemperatur im Hochofen vor der Mainstage noch um ein paar Grad zu erhöhen. Und das gelingt erstaunlich gut. Mit ihrem absolut kompromisslosen Bollo-Core, der fein mit latenten Death Metal-Elementen abgeschmeckt ist, bringen sie die Massen ordentlich in Wallung und erzielen tatsächlich den einen oder anderen Pit im Infield. Vor allem Sänger Rob Franssen ist sichtlich begeistert von der Hingabe der Fans und bedankt sich mehrfach für das zahlreiche Erscheinen und die Feierwilligkeit der hitzegeplagten Anhänger. Diese Freude überträgt sich auch auf seine Bandkollegen. Lead-Gitarrist Dominik Stammen kommt aus dem Headbangen gar nicht mehr raus und klopft sich die Birne klatschnass. Sein Kollege Servé Olieslagers lässt es da schon ein wenig ruhiger angehen, platziert sich direkt vor dem Drumkit und lässt sich dem Anschein nach von der Bassdrum entspannt Luft zufächeln. Macht aber nix, souverän ist der Auftritt der Combo allemal. Kurz, heftig und ultrabrutal werden die Stücke in die Meute gekloppt und am Ende sieht man auf der Bühne und im Publikum allerorts strahlende (und sonnenverbrannte) Gesichter. Top Auftritt einer motivierten Band!

Im Anschluss wird dann musikalisch eine Rolle rückwärts vollzogen. Statt mächtig bretterndem Aggro-Geschrote steht jetzt zähfließender Death Metal an. Und welche Band könnte das (neben den Genre-Großmeister Bolt Thrower versteht sich) besser zelebrieren als die Amis von Obituary? Richtig, eigentlich keine. Der Trupp aus Florida macht dann auch von der ersten Sekunde an keine Gefangenen. Kein Intro, kein großes Gefasel (sogar den Soundcheck machen die Jungs größtenteils selbst) sondern schlicht und ergreifend Feuer aus allen Rohren. Aufsehen erregt heute vor allem mal wieder Fronter John Tardy. Nicht nur ist sein Organ im Death Metal vermutlich einzigartig (der Mann gurgelt Glasscherben und spült mit kochendem Pech nach), er marschiert auch im dicken Pullover über die Bühne. Aber wie Kollege Martin richtig bemerkt: Vermutlich sind die gerade herrschenden Temperaturen in Florida gerade mal ein stinknormaler Sommertag. Unabhängig vom Kleidungsstil des Frontmanns verläuft der Auftritt des Urgesteins absolut souverän. Die beiden Gittaristen Trevor Peres und Kenny Andrews böllern herrlich fies dröhnende Riffs über den Acker, während Basser Terry Butler die Bühne betritt, sich seinen Platz vor der Monitorbox aussucht – und diesen dann für den Rest des Gigs nicht mehr verlässt. Ein stählerner Fels im Death Metal-Meer. Bleibt noch Donald Tardy hinter der Schießbude, der wie immer extrem tight zu Werke geht und die Death Metal-Classics mit stoischer Präzision und fettem Punch vorantreibt. Bei der Setlist gibt’s ebenfalls nichts zu meckern, da reihen sich Songs neueren Datums reibungslos neben All-Time-Classics wie “Don’t Care” und “I’m In Pain” ein. Zum Schluss gibt’s dann mit der Jahrhundert-Abrissbirne “Slowly We Rot” noch die blutige Kirsche auf der Sahne. Ein rundum gelungener, wenn auch vielleicht ein wenig zu routinierter Auftritt!
Danach ist es dann aber auch endgültig um uns geschehen und wir zollen der Hitze Tribut. Runter vom Platz, nochmals unter die Dusche und dann rein ins Auto und ab auf den Weg zurück nach Leipzig. Nicht unbedingt die schlechteste Entscheidung, wie wir am Abend noch herausfinden sollen, als das With Full Force wegen Unwetter vorzeitig beendet wird und der Sonntags-Headliner In Flames nicht mehr die Bühne betreten kann.
Was bleibt also zu sagen zu Deutschlands wohl härtestem Acker? Insgesamt überzeugte die 22. Ausgabe der Bollo-Sause mit einer abwechslungsreichen Bandauswahl, einer sehr guten Location (für das Wetter kann niemand etwas), einem tollen Publikum und fairen Rahmenbedingungen. Auch die Entscheidung der Veranstalter, Ein-Liter-Plastikflaschen für das Gelände zuzulassen war angesichts der Umstände genau die richtige Reaktion. Einziger Wehrmutstropfen in unseren Augen ist die Nachtbespielung der Tent Stage. Die ist, und das ist eine dezidiert subjektive Meinung, für uns eher von Nach- als von Vorteil. Wir können uns einfach nicht vorstellen, dass sich große Namen der Szene darum reißen, morgens um vier vor vielleicht ein paar hundert übernächtigten und wohl auch größtenteils schlicht und ergreifend fertigen Gestalten zu spielen. Wir lassen uns aber gerne eines besseren belehren und die Tatsache, dass dieses Konzept seit Jahren verfolgt wird, scheint zumindest für einen gewissen Erfolg zu sprechen. Insgesamt hatten wir, trotz der Umstände, aber einen Riesenspaß auf dem With Full Force 2015 und werden alles versuchen, um auch nächstes Jahr wieder aus Roitzschjora berichten zu können.
Schlagwörter: Agnostic Front, Born from Pain, Heaven Shall Burn, Kontrust, Kreator, With Full Force