Grobschnitt, Deutschlands erfolgreichste und gleichzeitig unbekannteste Progrockband überhaupt. Unbekannt? Naja nicht wirklich. In der Zeit ihres Bestehens konnte sich die Gruppe aus Hagen eine extrem treue Fanbasis aufbauen, die das Andenken bis zum heutigen Tage aufrecht erhält. Das Interesse ist bis heute ungebrochen. Nach ihrer Werkschau 79:10 sowie der umjubelten Solar Movie Box legen Grobschnitt nun ihre Alben neu auf Vinyl auf. In der zweiten Runde erschienen u.a. „Rockpommel’s Land“ und „Solar Music live“.
Wie kam es eigentlich zur Idee, alle Alben noch einmal neu auf den Markt zu bringen? Wir fragten bei Lupo nach.
„Die Idee mit der Vinyl-Neuveröffentlichung inkl. der weißen Bonus Vinyl für jedes Album stammt von uns. In 2015 sind ja bereits alle Grobschnitt-CDs von 1972-1989 mit reichlich Bonustracks erschienen, da wollten wir bei den Vinyls natürlich auch ein Zeichen setzen und haben die „Black & White“-Serie ins Leben gerufen. Bei der Zusammenstellung der Bonustracks auf den weißen Vinyls stehen natürlich die Liveversionen der jeweiligen Studiofassungen im Vordergrund.
Das hat es in dieser Form auch noch nicht gegeben. Uns ist auch wichtig, dass wir nicht alle Bonustracks der 2015er CDs 1:1 mit auf die weißen Vinyls packen, sondern auch mal andere Livetitel auswählen. Wir versuchen auch immer die Spielzeiten optimal auszureizen. Eroc hat es bei einigen Alben wieder einmal geschafft, die Marke bei gleichbleibender Tonqualität bis auf 28 Minuten je Vinylseite hochzuschrauben.“
„Rockpommel’s Land“
Im Jahr 1977 waren Grobschnitt bereits mehr als ein Geheimtipp. Mit ihren Alben „Jumbo“ (1975/1976)sowie „Ballermann“ (1974) und noch mehr durch ihre abgefahrenen Liveshows hatten sie sich einen veritablen Ruf als erstklassige Liveband aufgebaut. Zwischen den unermüdlichen Konzertreisen schlossen sich Eroc, Lupo & co. von November 1976 bis Februar 1977 in Conny Planks Studio in Wolperath ein und nahmen ihr wohl kohärentestes Studioalbum auf: „Rockpommel’s Land“. Das Album, dass jedem Grobschnitt Neueinsteiger empfohlen wird um einen ersten Zugang zum Oeuvre der Hagener zu erlangen. Das Artwork ist bis heute eines der Highlights deutscher Plattencover.
„Der Mix aus den tragenden Keyboards und meinen melodischen Gitarrenlinien ergänzten sich wunderbar zu „Willis“ Gesang. Wir haben ein Jahr an dem Album gearbeitet und jede Note dreimal umgedreht. Nie zuvor sind wir so gut vorbereitet ins Studio gefahren und haben die Stücke relativ schnell eingespielt. Nie zuvor haben wir gemeinsam mit dem Sound-Guru „Conny Plank“ so intensiv an einem Mix gearbeitet. Ich erinnere mich noch gut daran, dass uns einige der Roadies am letzten Tag im Studio besucht haben und ihren Ohren nicht trauten. Der finale Mix war für Grobschnitt-Verhältnisse fast schon eine orchestrale Offenbarung und wir freuten uns darauf, „Rockpommel`s Land“ endlich live auf der Bühne zu spielen.
Zur Einstimmung haben wir bei den Konzerten die völlig verrückte „Ernie Show“ mit „Toni Moff Mollo“ als hyperventilierten Mathe-Schüler in kurzer Lederhose und „Eroc“ als Märchenonkel aufgeführt. Das alles ist mittlerweile mehr als 40 Jahre her und das Album begeistert alte und neue Grobschnitt-Freunde immer noch. Kunst ist eben zeitlos und wer uns noch nicht kennt, erlebt mit „Rockpommel`s Land“ einen wunderbaren Einstieg.“ erzählt uns Lupo.
Das Konzeptalbum handelt von Ernie, einem Tagträumer, der mit einem großen Vogel, mit Namen Maraboo, befreundet ist. Beide gelangen im Verlauf in die Stadt Severity Town. Dort ist das Lachen aufs strengste verboten und das Böse herrscht. Ein gewisser Mr. Glee ist aus der Stadt verbannt worden. Sie machen sich auf die Suche nach ihm und gelangen nach Rockpommel’s Land. Dort können sie ihn und die „guten Geister“ von Severity Town befreien. Gleichzeitig wird das Böse vertrieben.
Was sofort auffällt, der Klamauk ist fast völlig einer verträumten Poesie gewichen. Nicht nur im Sound fehlt der damit verbundene jazzige Effekt. Verzerrte Gitarren sind zugunsten von Synthflächen in den Hintergrund getreten. Man nähert sich bewusst, oder unbewusst, noch mehr an Genesis und Pink Floyd an.
Lupo dazu: „Mit Sicherheit haben wir bei der Entstehung zu „Rockpommel`s Land“ an alles gedacht, nur nicht an Pink Floyd. Ehrlich gesagt werden wir bei diesem Album allein schon wegen des LP-Covers eher mit einer anderen Band verglichen. Trotzdem ist es immer wieder interessant, welche Assoziationen unsere Alben hervorrufen.
Dass ein verrückter Haufen wie Grobschnitt überhaupt auf die Idee gekommen ist, eine so phantasievolle Rockoper zu realisieren, zeigt doch einmal mehr, dass wir immer nur unser eigenes Ding gemacht haben. Unser damaliger Keyboarder Volker „Mist“, hatte die Idee zu der Story. Die konzertante Stilrichtung, die bereits bei „Jumbo“ zu hören war, haben wir bei „Rockpommel`s Land“ konsequent fortgesetzt.“
Die weiße Platte beinhaltet die Liveversion des Albums welche im Winterhuder Fährhaus in Hamburg gespielt wurde. Hier erlebt man das ohnehin schon sehr organische Gesamtwerk noch ein wenig luftiger und vor allem eben noch eine Prise verspielter.
Solar Music – live
Während der Tour zu „Rockpommel’s Land“ spielten Grobschnitt meist im zweiten Teil ihr „Überstück“ – „Solar Music“. Das im Original auf „Ballermann“ etwas länger als 30 Minuten lange Stück, wurde live dann schonmal gern länger als eine Stunde. Es gilt unter Fans als DIE Offenbahrung des Krautrocks.
Aufgenommen im Otto Pankok Forum in Mülheim am 7. April 1978 wurde es schnell zu einem sehr erfolgreichen Livealbum. Warum ist das so? Man brauch sich nur in den einzelnen Fanforen und einschlägig bekannten Seiten umsehen – gemeinsamer Tenor: Eine unvergleichliche, facettenreiche Reise durch alle Elemente der progressiven Musik. Da ist es mal rockig, mal spacig, mal tiefenentspannt. Was will man da mehr ?
Soundmäßig hat Eroc hier wirklich großes geleistet. Solar Music klang schon immer sehr gut, doch jetzt ist es einfach zum dahinschmelzen. Transparent, erdig und die nötige Portion Druck. Man kann sich garnicht satt hören. Was dieses Livealbum so besonders macht, ist die grenzenlose Spielfreude der damaligen Formation. Nicht umsonst, gilt „Solar Music – live“ als der absolute Höhepunkt dieser wahnwitzigen Band.
Wie geht es mit Grobschnitt eigentlich weiter?
„Die letzten fünf Jahre waren für uns drei Grobschnitt-Gründer Eroc, Lupo , Willi Wildschwein mehr als nur eine Reise in die Vergangenheit. Mit den beiden Box-Sets „79:10“ und „Solar Movie“ sowie der aktuellen Black & White Vinyl-Serie unserer Alben von 1972-1989 haben wir mehr geschafft, als wir uns jemals erträumt haben. Wir haben eine Schatzkiste nach der anderen aus unseren schier unerschöpflichen Archiven aus der Versenkung gehoben und jede Minute unseres Schaffens ein weiteres Mal in allen Details durchlebt. Jedes Bild, jeder Zeitungsausschnitt, jede Musikmagazin-Story, jedes Plakat, jede Eintrittskarte, jeder Fanbrief, jeder Bandschnipsel mit bisher unveröffentlichten Aufnahmen aus dem Übungsraum oder von den Konzerten hat uns daran erinnert, dass wir in unserer Bandgeschichte so einige Abenteuer erlebt haben. Darauf können wir wirklich nachhaltig stolz sein.
Seit der Gründung von Grobschnitt sind nunmehr 47 Jahre ins Land gegangen und die Reise geht immer noch weiter. Wir wissen nur zu gut, dass unsere Uhr und die vieler Grobschnitt-Freunde nicht ewig tickt und so manches Mal juckt es auch in den Fingern. Keine Ahnung, was alles noch passiert, wir haben aber noch eine Menge vor und für Überraschungen waren wir ja bekanntlich immer gut.“
Danke dafür!
Schlagwörter: Grobschnitt
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