Die Mandoki Soulmates sind schon eine Erfolgsgeschichte für sich. Seit gut 27 Jahren scharrt der gebürtige Ungar Leslie Mandoki Musiker wie Chris Thompson, Peter Maffay, Bobby Kimball oder Greg Lake um sich, um nur eins zu tun: gute Musik machen.
Mit dem Doppel-Konzeptalbum „Living in the Gap“ und „Hungarian Pictures“ werden die Soulmates auf ihrem 13. Album ungewohnt politisch. „Living in the Gap“ kritisiert vor allem die aktuellen Regierungen der Welt. Es wird zu wenig getan für den Umweltschutz und die wahren Probleme der Gesellschaft werden nicht gehört. Die Fridays for Future Bewegung wird direkt unterstützt. „Hungarian Pictures“ basiert auf Themen des ungarischen Künstlers Bela Bartok und ist eine 47 minütige Suite. So progressiv hat man die Weltmusik geprägten Soulmates noch nie erlebt. Besonderes Highlight, der verstorbene Cream Bassist Jack Bruce ist nocheinmal zu hören.
Jüngst hatten wir die Gelegenheit mit Leslie Mandoki über das Album und die Soulmates zu sprechen:
- Living in the Gap“ ist sehr geprägt vom aktuellen Zeitgeist. Denken Sie, dass die heutigen Künstler sich zu wenig politisch äußern bzw. ist mein Eindruck richtig, dass das Publikum die Aussagen der Künstler nicht mehr so recht verstehen mag?
„Living In The Gap“ erzählt davon, dass unsere Gesellschaft in Deutschland und in Europa gespalten ist, nicht nur von Ost nach West, auch von Nord nach Süd. Durch Filterblasen und Echokammern verliert unsere Gesellschaft immer mehr die verbindenden Elemente. Gerade jetzt sind Künstler wie wir und auch Journalisten gefordert, dort Brücken zu bauen, wo Risse entstanden sind und unsere Stimme zu erheben für den Traum von einem gemeinsamen Europa in Freiheit und Frieden, wo das Verbindende mehr als das Trennende im Vordergrund steht. Wir müssen den Diskurs zurück in die Mitte der Gesellschaft holen. Die Gesellschaft kann sich nur nach vorne bewegen, wenn sie von Menschen gestaltet wird, die mit sich reden lassen. Für vieles, das in der Vergangenheit als alternativlos eingestuft wurde, hätte es eine Alternative gegeben. Aber für eine Wiederherstellung des politischen Diskurses gibt es schlichtweg keine Alternative. Wir müssen raus aus der Komfortzone, raus aus der Wagenburg der Narrative!
- Die Soulmates sind eine internationale Truppe. Wie nehmen die Kollegen Themen wie Klimawandel, Probleme in der Demokratie, Nationalismus etc. wahr?
Wir sind eine musikalische Wertegemeinschaft. Gemeinsam als Soulmates leben wir mit künstlerischer Leidenschaft den kreativen Geist der 70er mit dem Idealismus und dem Streben nach uneingeschränkter Freiheit und Individualität. Wir “alten“ musikalischen Rebellen haben das Gefühl noch einmal etwas sagen zu müssen und aufzurütteln insbesondere im Hinblick auf unser eigenes Generationsversagen. Wir sind alle vom Schicksal reich beschenkt worden, die Soulmates sind unsere Art, etwas von diesem Glück zurück zu geben. Wir wollen die Musik dahin zurückbringen, wo sie hin gehört: In den Idealismus, zur Rebellion, zur Unangepasstheit. Gleichzeitig arbeiten wir uns aber an gesellschaftsrelevanten Themen wie der „MeToo“-Debatte ab, an Profitgier, am Casinokapitalismus, an der Flüchtlingskrise. Und so empfinde ich Musik dann auch als Transportmittel.
- „Living in the Gap“ beinhaltet Aufnahmen von Jack Bruce vor seinem Tod. In den letzten Jahren sind viele Wegbegleiter wie Greg Lake, Jack Bruce oder John Lord verstorben. Wie sehr denkt man über sein eigenes Vermächtnis nach?
Eigentlich gilt in unserer verschworenen Gemeinschaft: Bis der Tod uns scheidet. Denn ausgestiegen ist noch keiner, außer dass tragischer Weise Jack Bruce, Greg Lake, Jon Lord und Michael Brecker verstorben sind. Und selbst dann bleiben sie bei uns. Eines nachts saßen wir alle zusammen, um das Album zu produzieren. Einer von uns meinte: „I’m missing Captain Jack!“. Ich bin dann in unser Archiv gegangen und wir haben tatsächlich Bass- und Vocal-Spuren von ihm gefunden. Wir haben diese abgespielt, uns drumherum gesetzt und mit ihm musiziert. Das Album ist unser künstlerisches Vermächtnis, aber ich denke nicht ans Aufhören. Ich plane noch ein paar Jahrzehnte Musik zu machen. Wenn ich nach einem vierstündigen Konzert von der Bühne komme, könnte ich von vorne anfangen. Es geht immer um die Zukunft, weniger um die Vergangenheit.
- In einem Interview sagten Sie „meine Generation hat voll versagt“. Ich bin Jahrgang ´86, was denken Sie kann meine Generation das Ruder noch herumreißen?
Beim Schreiben des Albums habe ich die letzten 30 Jahre reflektiert und kam zu dem Ergebnis: Meine Generation hat versagt. Als vor 30 Jahren die Mauer fiel, regnete es Glück vom Himmel und wir hatten die Chancen eine humane, achtsame, tolerante, bunte Republik zu bauen. Stattdessen haben wir durch grenzenlosen Egoismus ein extremes soziales Ungleichgewicht geschaffen und die Natur nachhaltig zerstört. Es ist eine Schande, dass unsere Kinder freitags auf die Straße gehen müssen, weil Europa es nicht schafft, selbstgeschriebene Verträge einzuhalten. Die heutige Generation muss dies nun ausbaden – sie kann das Ruder aber auch noch herumreißen. Sie kann die Gesellschaft verändern – aber dafür brauchen wir ein achtsames Miteinander. Wir müssen gemeinsam aufstehen für eine friedliche, freie und tolerante Welt und wir müssen die Fackel an die nächsten Generationen, die „young rebels“, weitergeben. Ich will mit meinen Songs wieder das Verbindende in den Vordergrund stellen, anstatt das Trennende. Mit diesem Projekt richte ich mich als Vertreter der älteren Generation an die Jugend: Lasst uns jetzt gemeinsam den Diskurs starten, um Lösungen zu finden. Es geht darum, achtsam miteinander und mit der Umwelt umzugehen.
- Warum haben Sie die „Hungarian Pictures“ als zweite CD mit angefügt, wo es doch thematisch so grundverschieden ist? Und was hat Freddie Mercury damit zu tun?
Es gibt eigentlich keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Album. Das Doppel-Album ist vom Titelsong „Living In The Gap“ bis hin zum letzten Song „The Torch“ ein zweistündiges progressives Gesamtwerk. „Hungarian Pictures“ ist eine ProgRock-Suite basierend auf Themen und Volksliedern, die der Komponist Béla Bartók gegen den damals aufkeimenden Nationalsozialismus in der Karpatentiefebene gesammelt hatte. Freddie Mercury kam 1980 zu meinem Geburtstagsfest in ein ungarisches Restaurant in München und wir haben eines dieser Volkslieder, die Bartók gesammelt hatte, gesungen. Er hat sich völlig verliebt, ich habe es für ihn in Lautschrift aufgeschrieben. Er hat das Lied später mit Queen in Budapest im Stadion gesungen, aber ich durfte nicht dabei sein, weil ich als Staatsfeind von den Kommunisten als schon Deutscher kein Visum mehr bekam wegen Anstiftung zum Widerstand gegen die Staatsgewalt mit künstlerischen Mitteln.
- Sie sagten einmal, dass der progressive Rock tot sei, Kollegen wie Steven Wilson haben das Genre in den vergangen Jahren wieder salonfähig gemacht. Wann haben Sie sich wieder für Progressive Rock zu interessieren begonnen? Wann bemerkten Sie, dass man doch etwas darin machen könnte?
Progressiver Rock ist nur aus kommerzieller Sicht tot, weil die Plattenfirmen das nicht mehr veröffentlichen wollten, natürlich nicht als Kunstform. In den Siebzigern haben Bands wie Emerson, Lake und Palmer, Cream oder auch Jethro Tull mit progressiver Rockmusik große Stadien gefüllt. Wie käme ich also dazu zu behaupten, diese Musik könnte ich der jungen Generation von heute nicht mehr zumuten? Ich war immer fasziniert von der Idee, dass Kunst vor allem Rock Musik ein Stachel im Fleisch der Gesellschaft ist. Das ist unsere Daseinsberechtigung als Musiker. Deshalb habe ich auch während der Diktatur gegen die Zensur und für Reisefreiheit protestiert. Man darf keine Angst davor haben anzuecken, sondern muss seine Meinung vertreten. Rockmusik hat erst dann seine wirkliche Berechtigung, wenn sie eine gesellschaftspolitische Botschaft hat und wenn sie für eine bessere, aus unserer Sicht auf alle Fälle eine tolerantere Welt eintritt. Wenn eine Gesellschaft sich innerlich trotz großem Wohlstand und absoluter Freiheit so destabilisiert und sich in dieser Spaltung befindet, dann müssen wir helfen, dass die Menschen wieder zueinanderfinden.
- Zurück zu den Soulmates. Wie hat sich die Band in den letzten 25 Jahren verändert?
Wir sind die renitenten Rebellen geblieben, aber im Sound von heute – frischer, ja, „rebellischer“.
Neben uns „Alten“ haben wir inzwischen auch ein paar Mitglieder, die mir mein Freud und Kollege Quincy Jones empfohlen hat, die um die 30 sind. Bei den „Soulmates“ bedeutet „rebellisch sein“, dass wir sehr konsequente Texte haben, dass wird das alle zusammen in meinem Studio am Starnberger See einspielen und analog aufnehmen. Da stehen richtige Musiker an richtigen Instrumenten. Unser Album ist ein handgeschriebener Liebesbrief an unser Publikum, keine SMS, das ist alles sehr persönlich.
- Wie muss man sich die Aufnahme eines Soulmates Album vorstellen? Schließt man sich wie die Travelling Wilburys ein Wochenende ein und Montag ist das Album fertig?
Die Skizzen für die Songs habe ich über Jahre zusammengetragen, und mich dann für einige Wochen ganz allein nach Bali zurückgezogen, um die Songs zu schreiben. Dann habe ich alle angerufen und gesagt: Leute, es geht los, wir nehmen ein neues Album auf. Das läuft alles nur direkt. Wir haben unter uns Soulmates eine Abmachung getroffen haben, dass wir nur direkt kommunizieren, keine Manager, keine Anwälte, sonst geht es nicht. Wenn wir zusammenkommen, dann wohnen, kochen und diskutieren miteinander wie in einer Musiker-WG. Da gibt es keinen Austausch von Narrativen, sondern einen echten Diskurs über die Zukunft.
- Gibt bzw. gab es Musiker, die sie gern als Teil der Soulmates gesehen hätten, wo es aber nie geklappt hat?
Freddie Mercury wäre ein großartiger Soulmate gewesen, leider verstarb er zu früh.
Schlagwörter: Chris Thompson, Leslie Mandoki, Mandoki Soulmates, Peter Maffay