Das Phantom der Oper ist vermutlich jedem ein Begriff. Womöglich mehr nach Andrew Lloyd Webbers gleichnamigen Musical, welches mit mächtigen Orgelkompositionen aufwartet. Webbers Werk, wie auch alle weiteren Darstellungen des, der Liebe verfallenen Operngeistes, beruhen auf dem Roman des Franzosen Gaston Leroux – Le fantôme de l’opéra von 1910. Da viele jedoch zuerst in Berührung mit Webbers Darstellung kommen, ist die Messlatte für kommende Inszenierungen groß.
Die Produktion von Arndt Gerber und Paul Wilhelm arbeitet mit eigenen Texten, eigener Komposition und soll sich stärker am Buch orientieren. So zu mindestens wurde geworben. Das Musical ist ein Wandermusical, welches fast jeden Tag in einer anderen Stadt kampiert. Aus diesem Grund sind Ensemble, Garderobe und Requisite begrenzt. Das Bühnenbild wird auf ein Minimum reduziert und soll durch eine dreidimensionale Projektion im Bühnenhintergrund ergänzt werden. Ob das so klappt wie geplant, wird später geklärt. Alles der Reihe nach.
Aus Neugierde heraus gönnte ich mir gleich die komplette VIP Karte zum stolzen Preis für 120€. Inklusive waren neben erstklassigem Sitzplatz, Backstage Führung, Programmheft und Begrüßungsgetränk. Und hier setzt meine erste Kritik an, direkt beim Kartenkauf. Bei der Wahl des Sitzplatzes hat man weder die Wahl den VIP Zusatz zu nehmen oder nicht, man muss es einfach. Eigentlich kein Problem, jedoch erfährt man nur das man nun einen VIP Zusatz besitzt, nicht aber was dieser enthält. Diese Information erhielt ich nur auf Nachfrage. Wer nun nicht nachfragt, oder noch einmal einen genauen Blick auf sein Ticket wirft, verpasst den Einlass für VIPs gut 1 ½ Stunden eher. Von 20 Leuten, passierte dies genau 5, was 25% ausmacht. Eindeutiger Verbesserungsbedarf! Auch eine Informationsbroschüre lag dem Ticket nicht bei. Zur Information, mein Ticket bestellte ich bei eventim.de
Nachdem soweit alle Very Important Person, eingetroffen waren begannen wir die Führung in den Backstage Bereich. Betrachten durften wir das Musikensemble, welches sich auf kleinsten Raum unter die Bühne quetschen musste, die Bühne selbst, die Requisiten, die Kostüme und Maske. Mein besonderes Augenmerk galt wie immer den Kostümen, von welchen ich jedoch etwas enttäuscht war. Hier hätte man sichtlich mehr herausholen können, sich zu mindestens an bestimmte Stoffe halten können. Ich glaube weniger, dass das Phantom zu der Zeit einen Umgang aus Pannésamt trug. Auch die Ausrede, das sehen die Zuschauer eh nicht, wirkt nur begrenzt, das Sprichwort Kleider machen Leute hätte man hier ernster nehmen sollen. Somit verloren die Sänger später ein wenig ihrer Autorität. Selbst Christins Brautkleid, welches auf der Bühne stand, wirkte einem Phantom recht unwürdig. Nun denn, es geht um die Musik!
Auf unseren Plätzen ließ ich die Inszenierung auch mich wirken. Der Ablauf selbst war aus meiner Sicht gelinde gesagt eine Zumutung. Weder Musikstücke noch die Stimmen der Sänger passten zusammen, geschweige denn harmonisierten sie. Durch das Orchester wurde man von einem Gefühl zum nächsten gehetzt, ein Übergang war nicht wahrnehmbar. Die Schauspielerische Leitung der Sänger war oberflächlich und ohne Bezug. Sich wirklich mit dem Stück oder den Charakteren zu identifizieren schien mir unmöglich. Das Bühnenbild war selbst für ein Wandermusical platt, die digital eingeblendeten Hintergründe selten schlecht gewählt und unscharf. Bespiel: das Büro des Herrn Direktors besagt einen Säulengang im Hintergrund. Ich bin mir sicher die hinteren Reihen, bekamen den Lüstersturz nicht einmal mit. Laut Aussage, sollte sich das Werk mehr am Original halten. Dies trifft durchaus zu was Madam Giry, die Logenschließern anging, welche von Ingrid Schlemmer bespielt worden ist. Diese spielte jedoch auch die Ballmeisterin zu Beginn, ein Punkt der hier sehr zum Verhängnis wird. In Webbers Werk nimmt Madam Giry dir Rolle der Ballmeisterin ein und nicht die der Logenschließern, was bei mir eine große Verwirrtheit auslöste. Knappes Ensemble schön und gut, darauf hätte man achten müssten.
Christin wirkte nicht bescheiden sondern kindisch und wurde kurzum anstelle in Ballett in den Chor verbannt. Neu eingefügt wurde Monsieur Phillipe, der Bühnenpförtner gespielt von Jens Bogner, welcher mir jedoch recht charmant erscheint. Er nimmt ein wenig die Rolle des Erzählers und Beobachters ein und oft wirkt es so, als wurde vieles aus seiner Sicht der Dinge geschildert, als nach der Geschichte von Leroux. Ich sehe dies als ein Versuch dem Zuschauer mehr an das wahre Leben an der Pariser Oper heranzuführen. Dadurch erfuhr jedoch das Musical die eigentliche Abwertung, denn bereits in der Einleitung wurde dem Publikum deutlich gemacht, es geht hier weniger um die Geschichte zwischen dem Phantom und Christin, als mehr um die Frage: Wo sind denn nun die 20.000 Franc hin? Selbst für die heutige Zeit, ist dies ein gewagtes Unterfangen, was in meinem Fall leider nach hinten losging.
<a Eine neue Erfahrung erhielt ich zum Abschluss des Stückes. Ein absolut monotoner Beifall seitens des Publikums. Flau und nur so viel wie möglich perfekt im Takt des Sitznachbarn. Das kannte ich bisher nur anders. Zusammengefasst, selbst unter dem Punkt, dass es ein Wandermusical ist, hat es mehr die Klasseeiner Schulaufführung und ist dieses Geld nicht wert. Bereits schon das Grundgerüst in Text und Musik wackelig, für die Sänger unmöglich heraus zu reißen. Aus der Idee eines mehr am Leben gehaltenen Stückes hätte man mehr machen können. Hierbei sollte man jedoch beachten, dass die Sänger unter einer enormen Anspannung stehen müssen, wenn man sprichwörtlich jeden Tag auf Achse ist. Liebe Central Musical Company, räumen sie ihren Angestellten doch bitte mehr Pausen ein und ich bin geneigt es mir noch einmal anzusehen. Ich überlasse es jedem selbst es sich anzusehen oder nicht, schaden kann es eigentlich nicht wirklich, vielleicht erwischte ich einfach nur eine Pleite. Für alle Interessierten von Webbers Werk rate ich jedoch, Augen auf beim Karten-Kauf. Das wandert nicht!
Schlagwörter: Das Phantom der Oper, Gewandhaus zu Leipzig