Das WGT ist eine Welt für sich. Eine Art Mikrokosmos, der sich jedes Jahr zu Pfingsten in Leipzig öffnet. Ob Gothics, Gruftis, Steampunks oder Liebhaber von Fetischen jeglicher Couleur kommen hier zum Wave Gotik Treffen zusammen – in diesem Jahr übrigens zum 24. Mal. 2015 waren es insgesamt 21000 Besucher, denen die Organisatoren wieder ein vielfältiges Programm boten. Waren es an den vier Abenden vorwiegend Konzerte, gab es tagsüber eine Vielzahl an Aktivitäten. Neben Märkten – wie dem Celebrant, dem Mittelaltermarkt an der Moritzbastei gab es u.a. Lesungen, Vorträge (z.B. im Schauspielhaus mit Dr. Mark Bennecke) oder auch spezielle Führungen. So z.B. im Ägyptischen Museum oder auch im Grassi Museum. Besonderes Highlight ist auch immer die Tour den Südfriedhof.
Unser erster Stop war am Freitag das Viktorianische Picknick. In diesem Jahr gab es starke Kritik seitens der Organisatoren, die die Freiluftveranstaltung 2008 ins Leben riefen, dass sich zu viele unangemeldete Fotografen dort einfinden und die Besucher des WGT’s ungefragt bzw. in unvorteilhaften Posen fotografieren. Als eine Art Gegenveranstaltung entschied man sich das „offizielle“ Viktorianische Picknick in die Arena am Panometer zu verlegen. Im Gegensatz zur Veranstaltung im Clara Zetkin Park, wo sich ca. 2500 Besucher einfanden, hielt sich die Besucherzahl dort in Grenzen. Jedoch kann man die Kritik der Organisatoren durchaus nachvollziehen. Oft sieht man ein typisches Klientel, das sich auf der Wiese einfindet und mit Kompaktkamera bewaffnet über das Gelände streift. Dabei wird alles fotografiert, was nicht Niet und Nagelfest ist. Betroffenen, die darauf hinwiesen, dass sie bitte gefragt werden wollen, wurde dann entgegnet, dass machen ja alle…so wird also mit dem Recht am eigenen Bild umgegangen. Ausserdem wirft es auch ein schlechtes Licht auf die redlich arbeitenden und akkreditieren Fotografen vor Ort.
Nun zu angenehmeren Themen. Wir als Musikmagazin sind natürlich an den Konzerten interessiert gewesen. Selten gibt es auf Festivals solch ein breitgefächertes Programm. Was auch wieder von den Hardlinern unter den WGT Besuchern kritisiert wird. Uns gefällts. Ob Neofolk, Metall, Postrock, Gothic, Elektro, es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Auf Grund der Masse an Veranstaltungen ist es jedoch nicht möglich an so vielen Orten gleichzeitig zu sein, von daher haben wir uns für eine spannende Mischung entschieden. Der Vorteil beim WGT ist, dass jede Location an einem Abend stilistisch ähnliche Bands bietet.
Beginnen wir mit dem Freitag. Im Alten Landratsamt spielten Falloch, Antimatter und Sólstafir auf. Falloch sind eine Blackgaze Band (einer Mischung aus Postrock und Shoegazing) aus Glasgow. Ihre Musik wird neben den erwähnten Elementen noch um eine gewisse Portion Metal erweitert. Während die Band auf ihren Alben „This is our Funeral“ und „Where Distant Spirits Remain“ durchaus überzeugen kann, gingen sie live im Soundbrei der Location unter. Einen ersten Lichtblick gaben dann Antimatter. Ursprünglich vom Ex-Anathema Bassisten Duncan Patterson zusammen mit Mick Moss gegründet, ist nur noch letzter als Mastermind vertreten. In ihrer Frühphase zeichneten sich Antimatter vorallem durch Triphop und Ambient aus. Spätestens mit Planetary Confinement und Leaving Eden wandelte sich der Stil hin zum Dark Rock. In Leipzig spielte die Band, nach eigener Aussage, eine Auswahl ihrer härtesten Songs. Dies heißt jetzt nicht, dass sie hier Metal o.ä. performten. Vielmehr war es eine Mischung aus Anathema der späten Neunziger, Porcupine Tree und Marillion. Langsam besserte sich hier auch der Sound. Doch erst mit Sólstafir sollte sich das wirklich ändern. Die Isländer gelten nicht umsonst als härtere Sigur Rós. Hier wurde alles geboten, was man sich im Bereich Post- bzw. Darkrock nur wünschen kann. Episches gepaart mit drückenden Gitarren und einer gewissen Note an psychodelischen Sounds. Ein genialer Auftakt!
Am Samstag zogen wir nach einem Besuch des heidnischen Dorfes in den Kohlrabizirkus um. Das Motto war Metal…reiner deftiger Metal. Headliner des Abends waren die Gothic-Legenden Fields of the Nephilim. Wir waren vor allem auf Heldmaschine und die Newcomer Beyond the Black gespannt. Heldmaschine waren früher in erster Linie als Völkerball bekannt. Neben Stahlzeit, eine der besten Rammstein Tribute Bands der Welt. Als sie anfingen eigene Songs zu produzieren, entschieden sie sich unter dem Namen Heldmaschine aufzutreten. Völkerball ist weiterhin als Sideprojekt existent. Die Show der fünfköpfigen Band aus Koblenz ist sehr stark an die von Rammstein angelehnt. Mal kommt Sänger René Anlauff als Arzt auf die Bühne, mal hat er einen Laserrucksack auf. Wer die NDH Vorreiter liebt, wird Heldmaschine mögen…oder so ähnlich. Ihr drittes Album steht schon in den Startlöchern.
Danach kamen Beyond the Black an die Reihe. Die Gruppe um die ehemalige KIKA Casting Gewinnerin Jennifer Haben hat sich nach eigenen Angaben erst 2014 gegründet. Der erste Auftritt, mit ziemlich fertig komponierten Stücken fand im August in Wacken statt. Im Februar 2015 erschien bei Universal mit „Songs of Love and Death“ das Debutalbum der „female Fronted Metal Band“ und es erreichte gleich mal eben Platz 12 der Charts. Dass im Hintergrund das Team vom W:O:A seine Finger mit im Spiel hat, fällt nur auf wenn man sich die Credits im Album ansieht. Wie dem auch sei, live ist die Band eine Wucht. Sängerin Jenny weiß mit einer extrem guten Stimme zu begeistern. Die 19-jährige ist nicht unbedingt eine extreme Entertainerin auf der Bühne, das übernimmt mehr der Gitarrist Christopher Hummels. Die Songs vom Album kommen mit genügend Druck und Präsenz herüber. Grade der abschließende Titeltrack ist live absolut genial! Das Publikum war anfangs etwas verhalten, doch mit der taute es echt auf.
Der Sonntag zog uns ebenfalls wieder an den gleichen Ort im Südosten Leipzigs. Das Thema heute: Elektro. Besonders begeistern haben uns Empathy Test aus Großbritanien. Die drei (eigentlich zwei) Musiker gingen mit äußerst minimalistischen Mitteln auf die Bühne – iPad, 48 Tasten Synthie und Drumpads. Damit produzierten sie aber einen derart wuchtigen Sound, dass es einem durchaus den Rücken herunterlief. Wer eine Weiterentwicklung von Schiller sucht, könnte hier fündig werden. Dreampop vom Feinsten. Gerade die Songs ihrer Throwing Stones EP kommen gut herüber. Hier könnt ihr mal reinhören:
Und zu guter letzt am Montag – Arkona. Der russische Import wurde für zwei Shows engagiert. Zum Ersten im heidnischen Dorf mit den besten Songs aus den letzten Alben und zum Zweiten im Kohlrabizirkus, in dem sie ausschließlich ihr Debüt „Vozrozhdenie“ spielten. Beide Konzerte konnten nicht unterschiedlicher sein, denn am Konzertort war die Verwunderung groß, dass an CDs nur noch das aktuelle „Yav“ auf dem Tisch lag, und der Rest? – Ausverkauft! – da im Heidnischen nach dem Konzert der Merch-Stand gekillt wurde. Mascha Scream, die kleine zierliche Frontfrau, Tornado und Unikum erstaunte die Crowd, aufgrund ihrer Power und der stimmlichen Variationen. Sie wirbelte über die Bühne und -meine Fresse- hatte sie eine Headbang Kondition! Für Leute, die die Band noch nicht kannten, war‘s geil. Für diejenigen, die den Pagan in sich einfach nur einsaugten war‘s geil und für diejenigen, für denen das Debüt unbekannt war, war‘s leider etwas verhalten, denn die Crowd wurde von dem grandiosen Konzert einen Abend zuvor sowie von Alben wie „Goi, Rode, Goi!“ und „Slovo“ verwöhnt, somit fiel „Vozrozhdenie“ hinten runter. Aber letztendlich war das auch egal, denn der einsaugende Spirit war auch im Kohlrabizirkus unbesiegbar, allein durch den eingängigen Sound Arkonas und des blonden Tornados. Fazit: „Arkona are unique, egal was sie spielen!
Was bleibt vom diesjährigen Wave-Gotik Treffen? Aus musikalischer Sicht auf jeden Fall vieles! Die Organisatoren lieferten wiedereinmal ein äußert abwechslungsreiches Programm für jeden Geschmack. Ob Metal, Electro, Mittelalterrock uvvm. 2016 wird das 25. WGT gefeiert. Mit Sicherheit wird es hier ein spezielles Programm geben. Die Probleme mit dem ungefragten Fotografieren werden sicherlich nochmal zu diskutieren sein. Auch da darf man gespannt sein, wie man damit umgehen wird. Es bleibt spannend.
Ihr wollt weitere Fotos sehen dann klickt hier: https://www.flickr.com/photos/archeopix/albums
Schlagwörter: Wave Gotik Festival, Wave Gotik Treffen, WGT