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Jean Michel Jarre und die Reise zum Herz des Klangs

Rezensionen / Mai 9, 2016

Es ist ein grauer Montag im Februar 2016. Berlin, Wir sind im Soho Haus – einem exklusiven Hotel im Country Club Style und dem ehemaligen Sitz des Politbüros. Unter strenger Geheimhaltung hat Sony Music zu einer Listening Session mit Jean Michel Jarre eingeladen. Zu hören gibt den zweiten Teil seines Electronica Projects. Titel: The Heart of Noise. Das Kino des Hotels ist bis auf den letzten Platz mit Medienvertretern belegt. Das verwundert nicht, wurde doch das Zwillingsalbum äußerst wohlwollend aufgenommen. Der Franzose hatte in den letzten 4 Jahren mit nicht weniger als 30 Künstlern kollaboriert um die DNA der elektronischen Musik einmal zusammenzufassen. Während es beim ersten Teil vorallem darum ging eine Reise in die Vergangenheit zu unternehmen, blickt Jarre nun mehr in die Zukunft. Die Liste der Kollaborateure ist lang und liest sich wie das Who is Who der Elektroszene. Neben den Pet Shop Boys, The Orb oder Yello, liest man auch Namen wie Cyndie Lauper oder Hans Zimmer. Wer weiterliest, wird den Namen Edward Snowden lesen – ja genau, der! Wie passt das zusammen? Kann Jarre das Niveau des Vorgängers halten? Das waren die Fragen, die man sich in dem Berliner Hotel stellte. Kurz darauf ging es los, als der Franzose ans Mikro trat und jedes Stück kurz vorstellte.

Der erste Abschnitt beginnt elegisch. Fast schon sinfonisch baut sich das Stück auf: erst ein Herzschlagbeat, dann folgen nach und nach Streichersounds. Der Track „The Heart of Noise“ ist in zwei Teile gegliedert und bildet gleichzeitig das Zentrum des Albums. Nach gut 3 Minuten setzt eine Hookline ein, die dann den Kern des zweiten Teils bildet. Der unterschwellige Bass, lässt das ein oder andere Hosenbein im Kino flattern. Entstanden „The Heart of Noise“ mit dem französischen Elektromusiker Rone, dessen minimalistische Klangflächen auch auf seiner aktuellen EP Vood(oo) zum Einsatz kommen. Dem Titeltrack folgt mit „Brick England“ die Kollaboration mit den Pet Shop Boys. Wie zu erwarten steht hier Neil Tennants Stimme im Vordergrund, jedoch nicht wie üblich mit hoher Stimme, sondern schon fast düster kommt das Stück hervor. Ein sich immer wiederholendes Arpeggioriff und verschiedene 8bit Sounds bilden die Grundlage des eher an die späten Achtziger/frühen Neunziger erinnernden Songs.

Das wohl ungewöhnlichste Stück des Albums ist „Exit“. Es entstand zusammen mit dem Whistleblower Edward Snowden. Jarre wollte seiner eigenen Aussage nach, einen schnellen Technotrack kreeieren der die Datenautobahn und Schnelllebigkeit im Internet repräsentiert. Zwischendrin sind Gesprächsfetzen mit Snowden eingestreut in denen er seine Ansichten preis gibt. An sich kein schlechtes Stück, nur leider wirkt es im Gesamtkontext wenig organisch und leicht deplatziert.  Wesentlich stärker ist die Zusammenarbeit mit Hans Zimmer. Eigentlich einer der Höhepunkte auf „The Heart of Noise“. Eine großartige Symbiose aus der klassisch/sinfonischen Musik des deutschen Filmkomponisten mit der Musik des französischen Elektropioniers. Fast hat man das Gefühl hier soll ein nicht existierender Film vertont werden. Klasse!

Insgesamt ist The Heart of Noise deutlich mehr in Richtung Melodie fokussiert. Eingängige Clubsounds und dystopische Synthiebeats wechseln sich gekonnt ab. Fast schon Radiotauglich präsentierten sich viele Stücke – so zum Beispiel „As One“ mit Primal Scream oder auch „Swipe to the Right“ mit der Achtzigerikone Cyndi Lauper.

Was Jean Michel Jarre mit dem Electronica Projekt geschaffen hat, wird scheinbar erst mit nötigem zeitlichen Abstand sichtbar. Es ist nicht weniger als die ultimative Zusammenfassung der elektronischen Musik bis dato. Er als einer der großen Pioniere dieser Musikgattung fungiert hier als Katalysator zwischen den Zeiten. Das Projekt beweist, dass Jarres Einfluss weitreichender ist, als manchem vielleicht bewusst ist. Er ist immernoch einer der ganz großen Künstler unserer Zeit und dafür muss man ihm Tribut zollen. Gleichzeitig können sich Einige eine riesen Scheibe abschneiden was Qualität und Finesse betrifft.

Im Sommer tritt der Altmeister auf dem Melt Festival auf und ist im Oktober/November auf Europatour! Eine Chance die man sich nicht entgehen lassen sollte!


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