Wenn ein Künstler an einem Werk festhält und es in mehreren Inkarnationen auf den Markt bringt, kann man das schnell als langweilig abstempeln. Das kann klappen – siehe Mike Oldfield, bei dem es „Tubular Bells“ auf vier Ausgaben gebracht hat oder eben nicht – siehe Meat Loaf der sein „Bat out of Hell“ im dritten Versuch richtig deftig in den Sand gesetzt hatte. Elektrolegende Jean Michel Jarre hatte im September völlig unverhofft verkündet seinem Opus Magnum „Oxygéne“ einen dritten Teil zu verpassen. Jetzt liegt die Scheibe in den Regalen. Wir haben uns die in transparentem 180g Vinyl gehaltene LP einmal näher angehört.
Eins vorweg. Wer hier eine Fortsetzung oder Erweiterung die genau an den ersten Teil anschließt erwartet, wird ohne Frage enttäuscht sein. Das ist auch unmöglich – dies dürfte sich JMJ auch selbst bewusst sein. Ist „Oxygéne 1“ einfach zu übermächtig. Vielmehr ist „Oxygéne 3“ als eigenständiges Werk zu betrachten, dass im Soundkosmos der Reihe angesiedelt ist. Also eben kein Aufguss mit vertrauten Soundmotiven a la „Tubular Bells“ und dennoch wirkt es seltsam vertraut, denn schon bei den ersten Klängen von Part 14 fühlt man sich wohl. Ein Sequenzerbeat eröffnet das Stück und Jarre liefert sanfte Arpeggios. Langsam steigert es sich und Streicher sowie die berühmte Laserorgel werden eingebaut. Pt. 15 geht nahtlos hinüber und führt das Begonnene fort. Auch wenn sich diese beiden Teile vielleicht im Aufbau ähneln, JMJ beginnt zu variieren. Jedoch fällt bereits früh auf, dass der gewisse Ohrwurmfaktor der früheren Werke fast völlig fehlt. Was bei weitem nicht heißen soll, dass die Stücke schlecht sind. Sie erschließen sich teils erst nach mehrmaligem hören! Wenn es dann klick mach, dann stellt sich eine tiefe Entspannung ein.
Die erste Seite des Albums wird mit Part 17 abgeschlossen. Das Stück wurde auf der aktuellen Livetournee von Jean Michel Jarre bereits live gespielt und zeigte dort seine absoluten Qualitäten, ist es doch einer der wenigen Teile von „Oxygéne 3“ die sofort ins Ohr gehen. Weißes Rauschen umschwirrt die Ohren, ein schöner Beat und eine Sequenzerlinie die im weitesten Sinne an „The Cinema Show“ von Genesis erinnert. Dazu eine tolle Hookline. Ein toller Song und zweifellos einer der Höhepunkte des Albums.
Die zweite Seite ist deutlich ruhiger. Part 18 erinnert an eine Fahrt durchs Polarmeer. Rauschen und ein sphärischer Klangteppich lassen eine kühle Weite erahnen. Es geht direkt in „Oxygéne Part 19“ über. Es beginnt ruhig und baut sich im Crescendo auf. Ein Sequenzerbeat geht im Pan von links nach rechts und umschwirrt das Ohr. Der Song baut sich auf und fällt zum Abschluss deutlich in der Intensität ab. Wer einen krachenden Abschluss erwartet, wird leider enttäuscht. Part 20 schickt den Hörer mit eindringlichen Orgelklängen hinaus in die Weite. Fast wirkt es als will Jean Michel Jarre seinem Publikum vermitteln, „ihr habt die Zukunft des Planeten in der Hand. Macht was daraus!“.
„Oxygéne 3“ ist der krönende Abschluss einer Reise, die vor 40 Jahren begonnen hat. Mit seinen beiden Electronica Alben hat sich Jarre zurück ins Bewußtsein gedrängt und das nun, eher ungeplante, Album ist der vorläufige Höhepunkt seiner ungebrochenen Schaffenskraft. Gleichermaßen ist es vom Gesamtsound her, schon mit den Kollaborationsplatten vergleichbar. „Oxygéne 3“ ist ebenso eine Platte die man zwingend auf Vinyl hören muss. Die Dynamik, der Druck…ein Sound der seines Gleichen sucht. Merci Monsieur Jarre! So muss elektronische Musik klingen!
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