Phil Collins von vielen gehasst, von vielen geliebt. Seine Kritiker werfen ihm vor, Genesis von einer wegweisenden Progbands zu einer Popgruppe gewandelt zu haben. Ob man sich dieser Meinung anschließt, muss jedem Musikliebhaber selbst überlassen sein. Fakt ist jedoch, als Solokünstler ist er mit 250 Millionen verkauften Alben, einer der wohl erfolgreichsten Musiker der Musikgeschichte. Achteinhalb Jahre nach seiner letzten Tour mit Genesis und 35 Jahre nach dem Erscheinen seines ersten Soloalbums „Face Value“ möchte Collins mit seiner „Take a Look at me now“ Kampagne eine Retrospektive seiner Karriere bieten. Gleichzeitig ist diese als Comeback des Musikers zu verstehen. Nach der letzten Genesis Tour stand seine weitere Tätigkeit vor dem Aus – nach einer Operation an einem Halswirbel klagte der Schlagzeuger über ein Taubheitsgefühl in den Händen. Jetzt 6 Jahre später fühlt er sich bereit, wieder anzugreifen. Die Rede ist von einem Album und einer Tour – vielleicht sogar mit Genesis.
Im Laufe der Kampagne werden nun alle Soloalben von Phil Collins neu aufgelegt – alle mit Extra CD. Das Besondere: für die Editionen wurden die Artworks der Platten nocheinmal nachgestellt. Im ersten Teil der Reihe erscheinen nun „Face Value“ (1981) und „Both Sides“ (1993).
Face Value erschien in einer Zeit, als Genesis mit Duke ein äußerst erfolgreiches Album veröffentlicht hatten und langsam zu der Stadionband wurden, zu der sie Mitte der Achtziger wuchsen. Diese Periode war aber auch geprägt von einem starkem Wandel im Leben von Phil Collins. Vorallem war es die Scheidung von seiner ersten Ehefrau, die hier das große Thema ist. Der eigenen Aussage nach, hat er sich teils wochenlang in seinem Haus eingeschlossen um an den Songs zu arbeiten. Insgesamt dauerten die Arbeiten vom Ende der „…and then there were three“-Tour (1979) bis ins Frühjahr 1981. Face Value war zu dieser Zeit eines der ersten Alben was fast vollständig auf einen Drumcomputer setzte. Phil Collins sagte einmal, dass die Eintönigkeit in dessen Sound seine damalige Stimmung gut widerspiegelte. Musikalisch bewegt sich die Platte irgendwo zwischen Pop, Rythm ’n Blues und Motown – allen voran „In the Air tonight“ mit seinem legendären Schlagzeugbreak. Aber auch die anderen Songs wie „Behind the Lines“ (ursprünglich auf Duke erschienen), „I missed again“ oder „If leaving me is easy“ (mit Eric Clapton) zeugen vom großartigen Songwriting.
Die Bonus CD bietet Liveaufnahmen und einige Demos dieser Periode. Leider sind hier keine Angaben darüber zu finden von wann diese stammen. Neben den bereits mit Genesis aufgenommenen „Misunderstanding“ (live und als Demo“ sowie „Behind the Lines“ ist auch eine Demofassung von „Against all odds“ zu hören. Spannend ist es die Transformation von „In the Air tonight“ zur Liveversion zu hören, bei der u.a. mit düsteren Gitarrensounds gearbeitet wurde. Fans von Genesis sollten sich auch mal „…And So To F“ reinziehen. Die wohl größte Annäherung von Phil Collins an seine Band innerhalb seiner Solokarriere.
12 Jahre nach Face Value befand sich Phil Collins in einer ähnlichen Seelenverfassung. Unmittelbar nach Genesis‘ „We can’t dance“ Tour entstanden die Aufnahmen zu Both Sides. Bis heute bezeichnet der Brite das Album als sein persönlichstes und liebstes. Durchaus verständlich wenn man betrachtet, dass er es im kompletten Alleingang aufgenommen hatte. Die Kritiker waren sich seinerzeit uneinig. Hoffte man doch, ein zweites „..but seriously“ vor sich zu haben. Anstelle gingen die Songs in eine deutlich düstere und kritischere Richtung. Thematisch sind es vor allem persönliche Erlebnisse und auch gesellschaftskritische Texte. Musikalisch brauch sich Both Sides nicht vor seinen Vorgängern verstecken, auch in Anbetracht dessen, dass die Instrumente alle von Collins selbst eingespielt worden sind. Größeres Airplay erhielten vorallem der kongeniale Titeltrack und die sanfte Ballade „Everyday“. Aber auch die anderen Stücke brauchen sich nicht vor den beiden zu verstecken. Allen voran „We’re Sons of our Fathers“ und „We wait and we Wonder“.
Die Bonus CD enthält neben einigen Liveaufnahmen der Albumsongs auch die B-Seite „Take me with you“ und die Demo zu „Hero“, das später mit David Crosby gesungen wurde. Die Livesongs sind leider vom Sound her etwas flach geraten und wirken im Mix teils verwaschen. Das ist schade, sind diese doch erstmals offiziell zu haben. Ein Video der zugehörigen Tour gab es lange Zeit nur von sog. Graulabels, die z.B. ein Konzert aus Fukuoka, das vom japanischen TV mitgeschnitten wurde, vertrieben. Besonders schön ist hier die Unplugged Aufnahme von „Both Sides of the Story“.
Alles in allem bieten die beiden Alben einen tollen Auftakt der „Take a look at me now“ Kampagne. Vermutlich nicht ganz zufällig wählte man diese aus, da Phil Collins immer betonte, dass Face Value und Both Sides seine Favoriten sind. Ob es in der Folge auch Livekonzerte geben wird ist fraglich. Man darf jedoch gespannt sein – auch auf die folgenden Alben. Im Februar geht es mit Dance into the Light und Hello, I must be going weiter.
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