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DIMLIM – MISC

J-Rock Special / März 22, 2020

Nach diversen öffentlichen Kontroversen, Trennungsspekulationen und X-Umstellungen innerhalb der Gruppe(aus nun mehr gegangenen und gegangen worden Bandmitglieder) präsentiert sich die 2017 gegründete Band DIMLIM: nunmehr bestehend aus Sänger 聖 -Sho-, Gitarrist 烈 -Retsu- und Drummer 鴻志 -hiroshi- mit öffentlichem Statement, dass man auch in Zukunft mit dieser Dreierbesetzung fortfahren wird.

Dass es diesbezüglich nicht nur optisch, sondern auch klangtechnisch zwangsweise zu Veränderungen kommen musste, war an somit abzusehen. Dennoch liefert das Trio mit „MISC“ (abgekürzt für „miscellaneous“/ oder simpel für „music-disc“?), dass wohl bislang umstrittenste Machwerk ihrer jungen Karriere.

Hatten die letzten zwei videomedialen Veröffentlichungen „vanitas“ und 離人 (Rijin) bereits daraufhin, dass sich einiges im Hause DIMLIM zukünftig ändern wird, so kam es nun doch unerwartet Schlag auf Schlag. Was bei dem einen zur Konsequenz geführt hat seinen japanischen Helden der Metal & Deathcore Szene abzuschwören, bringt dem anderen frischen Wind und ein ungeahntes Ohr für modernen Synth-Rock ein. Mein persönlicher Eindruck, nach mehrmaligem Hören, lässt mich letztendlich mit einem lächelnden und einem weinenden Auge zurück.

Rückblickend auf die letzten zwei Veröffentlichungen 2019: Single 離人 (Rijin/“Abschied/Trennung“) & Maxi-Single 喜怒哀楽 (Ki.do.ai.raku/“Menschlich verwertbare Emotionen“) kamen mir hier deutlich zu viele experimentelle Züge zum Vorschein, die darauf hinwiesen, dass man nach brachialen Werken, wie „CHE DO RA“ (2018) nicht mehr so recht weiter wusste und zunächst versuchte alles in einen Topf zu werfen und gleichzeitig, die bereits stark in Mitleidenschaft gezogenen Stimmbänder des Frontmanns zu schonen. Beschäftigen wir uns nun also mit dem 2ten Full-length-Album, der experimental/deathcore-Metaler.

„We’ve changed.NOW IT’S YOUR TURN NEXT“ – Bei diesem, völlig unerwarteten, elektronischen Intro, was so gar nicht in das bisherige Konstrukt zu passen vermag, ist der Name sprichwörtlich auch das Programm/der Auftakt, zu einer neuen Ära.

Und genauso geht es weiter mit dem Opener „MIST“. Elektronische Einstiegsklänge, sanfter Rock und eine bezaubernde, schon warmherzig zu nennender Stimme, wie man sie nur selten von DIMLIM’S Sänger gehört hat. Denn trotz aller Kritik, zum Album, darf man nicht vergessen, dass der Mann eine sehr herausstechende und kräftige Singstimme besitzt, die er hier auch ausgiebig zum Besten gibt. Durchaus gut durchdacht, beschäftigt sich dieser Song lyrisch mit der unklaren Zukunft, in der man nun steht und sich als Individuum zunächst selbst erst wiederkennen lernen muss.

真夜中に私を連れ出して(Mayonaka ni watashi o tsuredashite/ „Nimm mich mit dir in die Mitternacht hinaus“) bietet sich durchaus als hörbarer, leicht poppiger Rocksong an, der eventuell nicht sonderlich herausstechend wirkt, aber mit einer gewissen Leidenschaft produziert wurde. Wenngleich auch lyrisch nicht unbedingt zu ihren stärksten Liebes-/Trennungs-Liederchen zählen mag.

Song Nummer 3 „Funny world“ reißt dann urplötzlich alles raus was geht! Harter Rock, gepaart mit elektronisch punktgenauen Einflüssen, einem lyrischen Erguss, der sich um das gute & böse Prinzip des menschlichen Charakters/der manisch-depressiven Psyche des Menschen dreht. Ein gekonnt scharf gesetzter, jedoch nicht in brutalem Gesang ausartender Grundton und einer gewissen Note ungewolltem Humors.’Have you every thought your dirty birthday?‘, heißt es da und lässt, wie an wenigen anderen Stellen des Albums, erahnen, dass es mit 聖 -Sho-’s Englisch nicht allzu weit her ist. Dennoch ein Song, der locker 10/10 möglichen Punkten reißt, ohne auch nur ansatzweise wie ältere Werke der japanischen Universalrocker zu klingen.

„What’s up“ ist die derzeitige musikalische Videoauslage, des neuen Stücks, und bieten neben absolut sicher situierten, lupenreinem Rock, einen definitiven Anspieltipp, auch für Skeptiker, der neuen Schuljungen Kombo. Das dies natürlich nur ein zynischer Wink, auf das dargestellte Musikvideo war, wird klar, wenn man sich etwas näher mit dem durchaus bissigen Inhalt beschäftigt. ‚Gib etwas dummes von dir! Gut, reicht schon! Für mich ist das Thema durch. Und wenn du damit klarkommst, soll’s mir auch recht sein. Darum hast du mich ja von Anfang an im Stich gelassen‘.

Dem darauffolgenden Instrumental „+&-“ fehlt leider jeglicher Hauch von Herz & Seele und taugt maximal für einen durchschnittlichen Werbeaufhängern von Musikzubehör & radiomedialen Großkonzernen, weshalb ich nicht näher darauf eingehen möchte.

„for the future“ entpuppt sich aber als überdurchschnittlich guter Rocksong, der meiner Ansicht nach, mit der gebotenen Leidenschaft produziert wurde, die man bei anderen Bands in der Sparte „Konservenverarbeitung“ gänzlich vermissen darf.

Der folgende Song „Tick Tack“ hingegen pendelt deutlich weit unter der Erwartungsgrenze und lässt einen Weidererkennungswert vermissen. Handelte der letzte lyrische Impuls noch von dem übergestelltem Ich – als Ganzem- oder übertragen auf das Trio, die an einem Punkt in ihrem Leben stehen, an dem sie selbst noch nicht wissen, wohin die Zukunft sie führen wird, verarbeitet man hier das Thema des tieferen Sinns einer Existenz. Kein Wunder, nach den mehr als ereignisreichen, letzten 3 Jahren.

Frischer Wind und eine bislang leicht zu vermissende Freude an experimentellem Wirrwa, findet sich dann zum Glück in 気付かない者たちへ (Kidzukanai-sha-tachi e)/“Für diejenigen, die es noch immer nicht begriffen haben“) wieder und bietet, neben fast schon schmachtend, zärtlichen Gesang, durch seine abstrusen Klangwendungen und kindischen Verspieltheiten, einen durchaus beachtsamen Unterhaltungswert. Nicht umsonst thematisiert man hier den Wert der Selbstreflektion, in Bezug auf das ewige Flüchten und Wegrennen vor dem eigenen Ich.

Wie auch der zuvor treffend benannte Titel, ist dessen Nachfolger „Before it’s too late“ die sprichwörtliche Faust aufs Auge! Als wolle man sich noch einmal versöhnlich, mit seinen bislang treuen Fans geben, erwartet uns, mit diesem durch und durch einzigartigem Juwel, das wohl stärkste, gleichwohl aggressivste 3:41min Stück von MISC. Nicht umsonst heißt es: ‚Wenn ich verrecke und zuletzt sage: “Das habe ich bereut“ ist es scheißegal wie oft ich es wiederhole. Lebe mit eigenen Augen! Das ist das einzige was dich jetzt noch zu retten vermag‘.

Etwas unbeholfen spielt sich danach „out of the darkness“ erst nach und nach ein. Eventuell hätte man einen besseren Überstieg wählen oder auf das grässlich ausgefallene Elektro-Intro gänzlich verzichten sollen?! Der nunmehr vorletzte Track präsentiert sich als recht durchwachsen und bleibt, meines Erachtens, in der Kategorie Geschmacksache hängen. Die wahre Stärke dieses Liedes wird hierbei nur dem japanischen Hörer/jemanden, der des Japanischen mächtig ist, in vollem Umfang, offenbar.

Abschließend gibt es noch „Lament“ auf die Ohren. Kein sonderlich starker Ausschied, aus der mehr als umwetterten Platte. Insgesamt wohl auch kein gekonnter Zug den wahrscheinlich völlig verdutzten Höhrer, mit derart poppigen Fröhlich-Rock, in eine für DIMLIM noch gänzlich unbekannte Zukunft zu entlassen.

Bei mehrmaligem Hören entpuppt sich doch gerade im Refrain, eine Ohrwurmambition, die durch das dezent wirr konstruierte Drum-Rum und dem nach und nach Nerven zerrüttenden Sing-Sang etwas in Mitleidenschaft gezogen wird. Ein Blick ins Booklet wiederum verrät uns, weshalb dieser Song doch punktgenau im Einklang mit der zynischen Feder seiner Macher harmoniert, während weiter darüber philosophiert wird, wie unmöglich es in einem kümmerlichen Menschenleben erscheint, sich aus dem Würgegriff des Kummers und der ewigen Selbstzweifel befreien zu können. Hat man insgesamt die Freude am Herumexperimentieren, dezent vermissen lassen und den Schwerpunkt stattdessen auf ein solides Konzeptalbum gelegt, so geht es mir hier, beim Hören, ähnlich, wie bei den Releases im Jahr 2019 = ‚weniger ist manchmal mehr‘.

Alles in Allem hat man jedoch wieder eines zielsicher geschafft: Man ist und bleibt in aller Munde!


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