Breaking

sukekiyo – ADORATIO

J-Rock Special / Rezensionen / Juli 4, 2017

Anfang/Mitte April war es, als sukekiyo (bekannt als B-Band des exzentrischen DIR EN GREY Frontmann’s Kyo) ihre Fans mit neuen Bildern, in einem düsteren und eleganten Look, aufmerksam aufhorchen ließen. Richtig hellhörig wurde man spätestens Mitte Mai, als die Sprache auf eine neue Veröffentlichung namens ADORATIO fiel, auch wenn keine detaillierten Informationen preisgegeben wurden – erscheint Juni 2017, hieß es (nicht einmal mit Datum!). Und so schwieg man sich selbst auf der offiziellen Homepage aus, stachelte mit einer 2:12 min dauernden Preview und später mit zwei Videoausschnitten an, bis plötzlich am Stichtag des 22.06 ein ganzes Album vor der Tür stand. (Überraschenderweise erstmals mit fast vollständig japanischen Titeln, von dem die Band bislang größtenteils Abstand nahm).

Die Band sukekíyo, Dezember 2013 von Sänger 京Kyo (DIR EN GREY) aus der Taufe gehoben, besteht desweiteren aus Gitarrist Uta (Ex-9GoatsBlackout), Bassist 裕地 Yuchi (ex-kannivalism) und zwei ehemaligen Bandmitgliedern von Renter en Soi – Gitarrist/Pianist 匠 Takumi – sowie dem Drummer 未架 Mika und ist schnell für ihre unverwechselbaren, experimentellen und melodischen Stücke berühmt-berüchtigt geworden; was es wohl wenig verwundernswert macht, dass man bereits kurz vor dem einjährigen Jubiläum Gigs in Europa (u.a Deutschland) spielte. Ein Album IMMORTALIS (2014), ein Mini-Album VITIUM (2015), sowie eine Maxi-Single anima (2016) und mehrere kleine Live-Only Veröffentlichungen folgten. Da man sich keine Pause gönnen wollte/konnte, erscheint mit ADORATIO (lat. Anbetung) bereits ihr zweiter Longplayer. Im Zentrum der Anbetung: Kyo’s dämonenhafte Stimme, die den Hörer hinab in ein krankhaftes Pandämonium aus Schreckensvisionen und akustischer Mater reißt. Zunächst leise und düster, dann lockend – schlussendlich brutal und außer sich wütend, führt uns der eigensinnig betitelte Pseudo-Nekromant: 擬似necromancer (Gji Necromancer), als vermeintliches Intro mit sage und schreibe 6:17 min Laufzeit in ein Album ein, wie man es von sukekiyo noch nicht kannte.

Gänzlich wirkt dieses 13 Lieder starke Machwerk wie ein verzwicktes Labyrinth manisch-depressiver Auswucherrungen – brachial gehetzt, von Kyo’s exzentrischen Gefühlsausbrüchen. Wie exzentrisch beweist man bereits wieder gen Ende des zweiten Songs グニャ結論。そして血眼。 (Gunya Ketsuron. Soshite Chimanako.), der sich perfekt an den Opener angliedert und eine mindestens gleichwertig bedrückende Stimmung hinterlässt. Mit einer völlig verschrobenen lyrischen als auch akustischen Achterbahnfahrt geht es weiter mit 襞謳 (hida uta). Das passende Video gab es prompt zum Erscheinungsdatum präsentiert. Nach dem letzten verzweifelten Hilfeschrei, nicht länger gegeißelt zu werden, überrascht 純朴、無垢であろうが (Junboku, Muku de arou ga) mit lockeren, hellen Pianoklängen und zeigt erneut den unglaublichen Facettenreichtum – sowohl in Klang als auch Stimme.

Vor allem deutlich auf dieser Platte: die neuerlichen Elektroeinschläge – und wo eben noch bestechende Wohlklänge lockten, befindet man sich plötzlich zwischen donnerten E-Gitarren, schwermütigem Discobeat und bis ins Detail ausgearbeiteten Feinheiten sprichwörtlich gefangen. Was anderen Bands an Einfallsreichtum auf keinem ganzen Album gelingt, meistern sukekiyo wie im Schlaf, in nur einem einzelnen Song.

Einen kleinen akustischen Seitenhieb setzt man anschließend mit Mannerism な冷たい葬列者 (Mannerism na Tsumetai Souretsusha). Ruhiger, sanfter, verträumter und voll von Schwermut, trägt uns der Der Kalte Trauerzug des Mannerismus zu einem weiteren Stück, welches bereits im Vorfeld als Video präsentiert wurde – 艶 (En). Eine wunderschöne Ballade mit hohen, klaren Gesangparts und bittersüßem Text in herrlicher Pianobegleitung. Dass man diesen Song als Pendant zum 襞謳 (hida uta) Video wählte, ist schlichtweg nachvollziehbar, da es vom melodischen Sound zu dem zuvor von sukekiyo gefertigtem Gesamtbild passt. Diese Bemerkung ist keinesfalls negativ gemeint, da es sich hierbei um ein wunderschönes Lied handelt, das sogar mit dem Klang eines feinem Violinenspiels auftrumpfen kann. Der wohl merkwürdigste Track 首吊り遊具 (Kubitsuri Yuugu) lässt zunächst vermuten, dass man versehentlich auf die 2-CD des Albums gekommen ist, die wie gewohnt Remixe und Collaborations aller Art aufweist. Verzerrter Gesang zu rasanten Discobeats lässt die Frage offen, ob das nun gerade passen mag?! Die Antwort ist klar: Geschmackssache!

されど道連れ (Saredo Michizure) führt uns im Labyrinth in dunklere Gassen zurück. Wunderschön inszeniert spielt Kyo hier in einem ‚Duett‘, mit zwei Tonspuren, mit einerseits kehliger und andererseits hoher Singstimme. Letztendlich ein Aufbäumen: ein donnernder Synthezizerteppich, grelle Schreie, bedrückende Stille. Und aus dieser Ruhe vor dem Sturm erhebt sich ein Dämon namens 死霊のariana (Shiryou no Ariana) – die fleischgewordene Ausgeburt eines zerrütteten, kranken Geistes. Irgendwo zwischen the demon’s cutlery und vandal (VITIUM) und doch in seiner epischen Brutalität völlig anders. Nachdem uns mit einer wohltuenden Befriedung das Trommelfell geplatzt ist, zeigt sich 嬲り(Naburi) wieder melodischer und versöhnlicher. Die Stimme des Sängers scheint hier nahezu zu wispern, während im Hintergrund spitze Schreie ertönen und sich wie ein Mantel aus melancholischer Schwermut aufs Gemüt legen. Überraschenderweise fand man sogar Platz für zwei Live-Only Erscheinungen: 耳ゾゾ (Mimi Zozo) aus dem Jahr 2015 und das erst im Februar 2017 erschienene黝いhysteria (aoguroi hysteria), die beide sehr beeindruckende Mittempostücke sind, die sich ihren festen Platz auf einem Longplayer redlich verdient haben.

Am Ende des Labyrinths ist ‚trübes‘ Licht: 白濁 (Hakudaku). Unbeschwert, freundlich, gesanglich vollkommen und die düsteren Schatten seiner Vorgänger vertreibend, präsentiert sich das mit Streichorchestern beladene Stück, indem noch einmal ein Violinenspiel von Takumi glänzt – als kleines Schmachtwerk am Ausgang des Hasenlochs aus Alice düsterer Unterwelt.

Ein Album wie kein Album zuvor! Ein Meilenstein in der Bandgeschichte sukekiyo’s! Und zu Recht gibt es Bestnoten aus meiner Sicht für die meisterliche Leistung!
Schlagwörter: , , ,




Previous Post

Beth Ditto – Fake Sugar

Next Post

Dua Lipa - Dua Lipa (Deluxe Edition)





You might also like


More Story

Beth Ditto – Fake Sugar

Es war einmal vor „langer“ Zeit… … und wenn Sie denken, jetzt beginnt ein Märchen, nein so ist es nicht, denn:...

June 26, 2017