
Im Prog-Rock-Genre haben die britischen Vertreter schon immer eine Sonderstellung eingenommen. Nicht nur nahm das Genre auf der Insel mit den Erstlingswerken von Genesis und Pink Floyd seinen Anfang. Auch was den ganz eigenen Sound anging, konnte der geneigte Hörer jederzeit deutliche Unterschiede zur Konkurrenz aus dem Rest der Welt ausmachen. Wo (vor allem) amerikanische Bands gerne mal nah an der Grenze zum akustischen Kitsch agieren und ihre Arrangements tendenziell eher überladen – was in Fällen von Bands wie Dream Theater oder Symphony X auch durchaus gewollt und erwünscht ist – gehen die Angelsachsen den entgegengesetzten Weg und präsentieren dem Hörer unaufdringlich-komplexe Werke, die gerne auch mal von einer gewissen Grund-‚Kälte‘ im Sound durchzogen sein dürfen. Natürlich, ohne nicht ab und an doch mal aufzuzeigen, was man an seinem jeweiligen Instrument so alles zu bieten hat. Immerhin sind wir ja immer noch im Prog-Rock unterwegs.
In genau diese typisch-britische Kerbe haut auch Steve Hackett mit seinem aktuellen Output „Wolflight“. Der Ex-Genesis-Gitarrist zeigt schon im instrumentalen Opener „Out Of The Body“ auf, wo die akustische Reise über die folgenden neun Stücke hingehen soll. Neoklassisch gefärbter Prog-Rock, irgendwo in der Schnittmenge zwischen Vertretern der britischen Schule wie Arena, IQ und Marillion erwartet den Hörer und entführt ihn auf eine wunderbare Reise in die düster-schwelgerische Gedankenwelt des Komponisten.
Die Bandbreite schwankt dabei auf „Wolflight“ zwischen sphärisch-getragen („Love Song To A Vampire“, „Corycian Fire“ ) folkigen Einsprengseln („Loving Sea“, „Earthshine“) und düster rockenden Stücken („Wolflight“). Über allem thront Mr Hacketts absolut souveräne Gitarrenarbeit. Ob es, wie zum Einstieg in „Earthshine“, fast schon wie im Minnesang zur Sache geht oder aber der ganz große Solo-Epik-Hammer ausgepackt wird, besonders nachzuhören in „Black Thunder“, dessen Solo-Part leichte Erinnerungen an David Gilmore’sche Großtaten aufkommen lässt: Auf der Sechssaiter-Seite lässt „Wolflight“ wenig bis gar keine Wünsche offen.
Und auch für das ein oder andere musikalische Experiment bleibt Zeit. Bestes Beispiel hierfür ist erneut „Black Thunder“, das neben dem bereits erwähnten ausgedehnten Solo-Part auch durch bluesige Harmonika-Einsprengsel und zum Ende hin mit relaxtem Saxophon zu überzeugen weiß. Freunde des reinrassigen Siebziger-Sounds werden dafür sicherlich mit „The Wheel’s Turning“ einen Heidenspaß haben, pendelt die Nummer doch stilsicher zwischen spacigen Gitarrenparts und frickeligen Rhythmen hin und her, ohne dabei jedoch den Faden zu verlieren.
Überhaupt ist dieser Faden immer zu erkennen. Im Gegensatz zu vielen Genre-Kollegen verliert sich Steve Hackett auf „Wolflight“ nie in allzu ausufernden Solo-Sessions, Klangteppichen oder Frickelorgien. Nein, hier ist kein Taktwechsel zu wirr, keine Note wirklich zu viel und kein Song effektiv zu lang geraten – was bei einer durschnittlichen Songdauer von jenseits der 5-Minuten-Marke schon eine Leistung für sich ist. Stattdessen bleiben die Songs auf „Wolflight“ bei aller ausufernden Instrumentierung stets schlüssig und nachvollziehbar, ja schlicht und ergreifend gut konsumierbar und trotzdem stets fordernd für den Hörer – und das ist (zumindest meiner Meinung nach) eines der größten Komplimente, die man einer Prog-Platte machen kann. Da kann man dann sogar über das dezent peinlich geratene Cover hinwegsehen…
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