Wir sind in der vierten Runde der Pink Floyd Neuauflagen angekommen. Mit „The Final Cut“ und „A Momentary Lapse of Reason“ bringen die Briten nun ihre wohl kontroversesten Platten neu auf Vinyl heraus. Beide Alben stellen für sich jeweils eine tiefe Zäsur dar. „The Final Cut“ als letztes Album mit Roger Waters und „A Momentary Lapse of Reason“ als erstes mit David Gilmour als künstlerischen Kopf der Band.
„The Final Cut“ ging 1979 das opus magnum „The Wall“ voraus. Zeigten sich bereits bei den Aufnahmen zu „Animals“ erste tiefere Risse zwischen David Gilmour und Roger Waters, brachen die Konflikte bei „The Wall“ nun vollends auf. Inhaltlich geht es um den Rockstar Pink der sich in jungen Jahren eine innere Mauer aufgebaut hat, weil er ohne Vater aufwuchs, seine Mutter ihn überbehütet hat, Gewalt in der Schule erlebte usw. Da er es nicht schafft die Mauer einzureißen zieht er sich in sich in eine eigene Gefühlswelt zurück und wird Drogenabhängig. Als man ihn für einen Auftritt aufputscht verwandelt er sich im Geiste in einen gewalttätigen Diktator. Schließlich kommt es zu einem inneren Prozess bei dem er zum Einreißen der Mauer verurteilt wird. Es bleibt letztlich offen ob alles von vorn beginnt oder Pink ein neues Leben beginnen kann. Die Figur trägt autobiographische Züge von Roger Waters. Er wuchs ohne Vater auf und seine Erlebnisse als Rockstar u.a. der sog. „Montreal Incident“ von 1977 als er einen Fan auf der Bühne bespuckte, haben ihn, eigenen Angaben nach, hinter eine Mauer geführt.
Während der Arbeit an „The Wall“ sorgte Waters dafür, dass Richard Wright aus der Band entlassen wurde, da er einen Großteil der Aufnahmen verpasste und es vorzog mit seiner Yacht durch die Ägäis zu schippern. Vielleicht auch um der immer wiederkehrenden Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen. Bei den anschließenden Konzerten in Dortmund, London, New York und Los Angeles war Wright als Gastmusiker der einzige Musiker der Band, der mit einem finanziellen Plus nach Hause ging.
Unter den Eindrücken des Falklandkrieges 1982 begann Roger Waters einen Nachfolger von „The Wall“ zu schreiben. Für „The Final Cut“ bediente sich der Bassist vor allem an Material, dass schon 1979 entstand, schließlich jedoch keine Verwendung fand. Alles in allem sind die Stücke in gewisser Hinsicht weniger facettenreich als noch auf seinem direkten Vorgänger – dies mag zu einem großen Teil an den wenigen Beiträgen David Gilmours liegen. Das ging sogar soweit, dass auf dem Cover steht „perfomed by Roger Waters with Pink Floyd“. Gilmour als auch Mason wurden nur ins Studio gerufen um ihre Parts einzuspielen – weitere künstlerische Einwürfe waren nicht gewünscht. Stattdessen holte sich der Bassist u.a. Künstler wie Michael Kamen, den Status Quo Gitarristen Andy Bown oder den Percussionisten Ray Cooper. Nicht umsonst sind viele Fans der Meinung, dass es mehr oder weniger als Roger Waters 1. richtiges Soloalbum zu verstehen ist. Ein weiterer Bruch mit der Pink Floydschen Tradition: Erstmals entstammt das Cover nicht den Händen von Storm Thorgerson.
Es manifestierte sich, dass die musikalische Verarbeitung des frühen Todes seines Vaters sowie die immer wiederkehrende Kriegsthematik für lange Zeit Roger Waters Arbeit bestimmen soll. Gleichermaßen rechnet er hier mit Magaret Thatcher und dem Falklandkonflikt ab. Die Stücke sind allesamt in einem eher düsteren Sound – fast schon bedrückend. Jedoch zeigt sich, dass es vorallem die Songs sind, in denen David Gilmour größeren Soloanteil hat, die auch qualitativ die Hochwertigsten sind – und das soll nicht heißen, dass „The Final Cut“ ein schlechtes Album ist. Es zeigt nur in bestechender Weise, wie sehr die vier Bandmitglieder musikalisch in einer Symbiose verbunden waren. „Not John Now“ – das einzige Stück bei dem Gilmour auch singt, der Titeltrack – bei dem Teile von Comfortably Numb wiederverwendet worden sind oder „The Fletcher Memorial Home“ zeigen dies eklatant auf. Deshalb verwundert es nicht, dass das Album von den Fans und der damaligen Presse negativ aufgenommen wurde. Vor allem wurde die bis ins unermessliche gestiegene Egomanie des Roger Waters kritisiert.
Auf der aktuellen Vinylausgabe ist erstmals „When the Tigers broke Free“ enthalten. Das Stück gehörte ursprünglich schon zu „The Wall“, wurde dort aber aus Platzgründen fallen gelassen, aber im Kinofilm verwendet.
Im Jahre 1985 – zwei Jahre nach „The Final Cut“ sorgten die immer größer werdenden Spannungen innerhalb der Band dafür, dass Roger Waters ausstieg und Pink Floyd für aufgelöst erklärte. David Gilmour und Nick Mason wollten dies nicht hinnehmen und es entspann sich ein Gerichtsstreit um die Namensrechte. Um dies zu untermauern begannen die beiden verbliebenen Mitglieder die Arbeit an „A Momentary Lapse of Reason“. Mit einer Heerschar an Gastmusikern und Songschreibern wollte Gilmour wieder etwas typisch floydiges. Auch der Einsatz einer nicht unerheblichen Summe aus ihrem Privatvermögen wurde nötig um das Album in die Spur zu bringen. So kam es auch, dass Richard Wright während der Aufnahmen wieder hinzustieß – erst als Gastmusiker, später wieder als vollwertiges Mitglied. Die Erstauflage der Platte führt ihn auch nicht als Teil der Band auf.
Entstanden ist „A Momentary Lapse of Reason“ auf David Gilmours Hausboot „Astoria“, dass er zu einem Tonstudio umbaute. Es gehörte früher Fred Karno, dem Entdecker von Charlie Chaplin.
Songtechnisch liegt das Album voll im Zeitgeist der Achtziger. Eine „Wall of Sound“ und Effekten steht dem Hörer entgegen – und natürlich alles auf Hochglanz poliert. Gleichzeitig setzt man auf eine gewisse Zugänglichkeit. Der Opener „Signs of Life“ ist wohl DAS Statement schlechthin. „Hört her, wir sind noch am Leben“. Das vor sich hin wabernde Instrumental geht direkt in die Single „Learning to Fly“ über. Ein eingängiger Refrain, ein treibender Drumrythmus und die Soloeinwürfe von Gilmour sorgen für ein erstes Highlight. Auf den Livetouren wurde es ein beliebter Standard in der Setlist. Der Text entstand während der Gitarrist Flugstunden nahm. Wesentlich sperriger kommt dann „The Dogs of War“ daher. Eine bluesige düstere Nummer über politisch motivierte Kriege.
„On the Turning Away“ darf ohne Frage als eines der Highlights des Albums gelten. Das Gitarrensolo der Powerballade ist in Gilmourtypischer Manier lyrisch und hymnisch. Damit endet die erste Seite. Der zweiten Seite merkt man fast an, dass sie ebenfalls aus eher ältere Soundideen stammt – somit fällt diese qualitativ leicht ab. Bis auf das geniale „Sorrow“ als Schlußpunkt, kann kaum ein Stück wirklich Begeisterungsstürme entfachen. „Sorrow“ als treibender und drückender Schlußpunkt mit seinem minutenlangen Intro lässt dies fast vergessen. Wer dieses Stück einmal live gehört hat, weiß welche Energie es entfaltet. In einem Interview erzählte Gilmour einmal, dass für ihn unüblich der Text lange vor dem Lied stand.
Die Kritiker lobten das Album als Rückkehr zu alten Soundgefilden. Gleichzeitig wird bemängelt, dass „A Momentary Lapse of Reason“ zu glatt sei. Die Ecken und Kanten früherer Tage fehlen völlig. Vor allem ein musikalischer Antagonist, den Gilmour in Roger Waters fand ist nicht vorhanden. Mit der Rolle als Kopf kann sich der Gitarrist erst 6 Jahre später bei „Division Bell“ abfinden. Erst hier finden die drei verbliebenen Mitglieder von Pink Floyd zu alter Stärke zurück und kreieren ein Album zusammen.
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