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Roger Waters‘ Nemesis und Opus Magnum

Rezensionen / November 23, 2015

rogerwatersWir schreiben das Jahr 1979. Eine britische Gruppe mit Namen Pink Floyd veröffentlicht ein Album, dass bis heute zu einem der Erfolgreichsten der Musikgeschichte gehört – The Wall. Bassist und Gründungsmitglied Roger Waters erschuf damit sein Opus Magnum und seine Nemesis. Gleichzeitig markiert das Album das Ende der klassischen Besetzung der Band. Inhaltlich geht es um den Rockstar Pink der sich in jungen Jahren eine innere Mauer aufgebaut hat, weil er ohne Vater aufwuchs, seine Mutter ihn überbehütet hat, Gewalt in der Schule erlebte usw. Da er es nicht schafft die Mauer einzureißen zieht er sich in sich in eine eigene Gefühlswelt zurück und wird Drogenabhängig. Als man ihn für einen Auftritt aufputscht verwandelt er sich im Geiste in einen gewalttätigen Diktator. Schließlich kommt es zu einem inneren Prozess bei dem er zum Einreißen der Mauer verurteilt wird. Es bleibt letztlich offen ob alles von vorn beginnt oder Pink ein neues Leben beginnen kann. Die Figur trägt autobiographische Züge von Roger Waters. Er wuchs ohne Vater auf und seine Erlebnisse als Rockstar u.a. der sog. „Montreal Incident“ von 1977 als er einen Fan auf der Bühne bespuckte, haben ihn, eigenen Angaben nach, hinter eine Mauer geführt.

1980 und 1981 führte die Band das Werk aus Kostengründen nur an vier Orten weltweit insgesamt 31 mal auf. 1990 gab Waters das legendäre, aber eher chaotische Konzert im Sperrgebiet an der Berliner Mauer. Erst in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts war die Zeit reif, das Werk nocheinmal auf die Bühnen der Welt zu bringen. Zwischen 2011 und 2013 war der Brite mit „The Wall“ auf großer Welttournee. Jetzt endlich erscheint die Dokumentation zu dieser wahrlich monumentalen Show. Jedoch muss man diese zweigeteilt betrachten.

1. Der Film

Dieser ist zweischneidig. Auf der einen Seite sehen wir den 72 jährigen Briten auf einer Art Roadtrip zu den Gräbern seines Großvaters und Vaters. Beide starben jeweils auf den Schlachtfeldern des 1. und 2. Weltkrieges. Zu Anfang schnappt sich Waters seinen Koffer und Trompete und fährt einfach los. Meist sieht man den gealterten Rockstar im Auto, an Gräbern oder in einer Kneipe. Zumeist sind es gestellte Szenen.

Zu Anfang steht Roger Waters an einer Gedenkstätte und beginnt auf der Trompete mit den ersten Tönen zu „In the Flesh“. Ein Knall und man ist im Konzert. Was dann folgt ist ein visuelles Meisterwerk, was Anfang der Achtziger vorallem durch Licht und Diaprojektoren aufgefangen wurde, ist heute Multimedial. Klar, das berühmte Schwein, die in die Mauer krachende Spitfire und aufblasbaren Puppen waren damals auch dabei. Doch jetzt ist es noch größer dimensioniert und noch bunter. Die Mauer ist quasi im späteren Verlauf nicht nur Hauptdarsteller sondern auch Medium zur Übertragung der Anti-Kriegsbotschaft.

Es handelt sich im Übrigen nicht um die Bilder eines Konzertes, sondern es sind mindestens 4. Gut erkennbar ist dies an den Chören bei Another Brick in the Wall 2. Bekannt ist, dass Waters u.a. die Konzerte in Buenos Aires und Athen mitschneiden ließ.

Bildtechnisch sucht der Film wirklich seines Gleichen, leider wirken die Dokuszenen – die Größtenteils inszeniert scheinen, oft zu aufgesetzt. Ist man gerade im Konzert gefangen, sehen wir Waters wie er in einer Kneipe einen trinkt und mit dem Barkeeper spricht, der kein Wort englisch kann. Warum hat man hier nicht einen Dokufilm als Bonus zum Konzert geliefert? Schade.

Es sei übrigens die minimal teurere Special Edition empfohlen, denn das Bonusmaterial enthält den Auftritt von David Gilmour beim Konzert in London. Ansonsten sind hier noch diverse Facebook Filme mit Hintergründen zur Tour enthalten. Eine richtige Tourdoku fehlt leider.

2. Die Musik

Eigentlich muss man zur Musik nicht mehr viel sagen, denn sie ist ja seit über 30 Jahren hinlänglich bekannt. Wer das Konzert in seiner Gänze ohne „Störung“ erleben will, sollte auf den Soundtrack zurückgreifen. Dieser erscheint zusätzlich via Sony Music Entertainment Germany. Leider wird im Booklet nicht daraufhin gewiesen von welchem Konzert die Aufnahme stammt. Die Vermutung liegt nahe, dass es mehrere sind.

Musikalisch und soundtechnisch hören wir hier ein absolut sauberes Stück Musikgeschichte. Die Band besteht aus absolut großartigen und versierten Musikern. Natürlich achtet man im Speziellen auf die gitarristische Arbeit von Dave Kilminster sowie Snowy White und G.E. Smith – ist sie doch essentiell und muss sich mit David Gilmour messen lassen. Auf der einen Seite ist es eine echte Leistung die Soli so zu spielen, wie man sie auf der Platte hört. Auf der anderen Seite, hat man einmal live erlebt als David Gilmour das legendäre Solo von Comfortably Numb spielte, will man es von niemand anderem mehr hören. Es fehlt ein wenig die Seele oder wie jemand mal sagte, es klingt klinisch. Anyway, dennoch eine verdammt großartige Leistung „The Wall“ so auf die Bühne zu bringen.

Auch wenn einige Songs wie Run Like Hell oder Mother einen Ton tiefer gespielt worden sind, Roger Waters ist stimmlich wirklich gut drauf. Den Part von David Gilmour übernimmt meist der Sänger Robbie Wyckoff. Einzige Verwunderung besteht darüber, wieso an einigen Stellen gekürzt wurde. So wurde z.B. bei Mother auf den Konzerten nach dem bekannten Gitarrensolo oft noch ein Weiteres angefügt. Dies fehlt hier.

Alles in allem ist Roger Waters Version von The Wall ein tolles Stück Musikgeschichte. Musikalisch druckvoll hat man Spaß das Werk zu hören. Durch die Dokuszenen soll der Film eine Art Ruhepol bekommen, doch leider zerstückelt es ihn dadurch mehr. Man weiß nicht so recht ob es nun ein Konzertfilm oder eben eine Doku über die Reise Waters zu den Gräbern seiner Vorfahren ist – quasi weder Fisch noch Fleisch. Das ist Schade – und dennoch The Wall ist über jeden Zweifel erhaben. Eines der genialsten Werke ever!

Zur Feier des Tages verlost Access2music in Zusammenarbeit mit Sony Music Germany zwei  Soundtracks und eine BluRay des Films. Was müsst ihr dafür tun? Nicht viel! Bis zum 29.11.2015 – 23:00 eine Email mit Betreff „The Wall“ an redaktion@access2music.info schicken. Dann seid ihr im Lostopf!

 


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