Das Jahr hat gut begonnen. Zeit für uns mal abseits der großen Releases zu schauen, was der Markt aktuell so bietet.
Für Freunde des Swing und der Musik der 40er bzw. 50er haben wir Scott Bradlee’s Postmodern Jukebox. Das Projekt des US-amerikanischen Bandleaders verwandelt bekannte Pop sowie Rocknummern in beschwingte und vor allem entspannte Songs der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit ihrem aktuellen Album „The Essentials“ hat die Band mit ständig wechselnder Besetzung ein echtes Kleinod im sonst recht uniformen Musikgeschäft geschaffen. Da wird geswingt und gejazzt was das Zeug hält. Manchmal fühlt man sich in die Revue eines Frankie Valli versetzt, wenn die Band ein total abgenudeltes „My Heart Will Go On“ in einer Lässigkeit darbietet, die man dem Song gar nicht zugetraut hätte. Freunde von Frank Sinatra oder Cab Calloway werden sich am Guns N‘ Roses Cover „Sweet Child ‚o Mine“ nicht satt hören können. Die Sängerin Miche Braden bringt liefert dazu das nötige Barfeeling. Wer dachte „Seven Nation Army“ lässt sich nicht anders präsentieren, der irrt. Das charakteristische Bass/Gitarrenriff von Jack White wird hier vom Kontrabass behutsam gezupft, später von gedämpften Trompeten unterstützt und die Sängerin Haley Reinhart (die irgendwie an die deutsche Leslie Clio erinnert) machen draus eine klasse New Orleans Jazz Nummer. Gehör sollte auch mal „All About That Bass“, „Stacy’s Mom“ oder „Burn“ geschenkt werden. „The Essentials“ ist ein Album, was nicht nur zu jeder Cocktail Party passt, sondern auch einfach mal im Auto laufen kann. Eine Platte die wirklich Spaß macht, abgenutzte Songs neu zu entdecken.
2016 dürfte als das „Year the Music died“ in die Geschichte eingehen. Selten sind in so kurzer Zeit, so viele einflußreiche Musiker gestorben. David Bowie, Glenn Frey, Prince. Aber auch in Deutschland schlug das Schicksal zu. Roger Cicero starb im März im Alter von 45 Jahren an einem Schlaganfall. Jetzt, ein Jahr später veröffentlichen RCA und Sony Music die Retrospektive „Glück ist leicht – Das Beste von 2006 – 2016“. Auf 2 CD’s gibt es nicht nur Ciceros größte Hits sondern auch einen Auszug aus seinem 2012er Tourprogramm zu hören. Die Zusammenstellung beweist einmal mehr, welch großes Talent die nationale Musikwelt da verloren hat – gleichzeitig zeigt sie die große Spannbreite an musikalischen Ausdrucksweisen des Hamburgers. Gefühlvoller Deutschpop, Swing oder auch Revue, Roger Cicero schaffte es mit seinem klaren Tenor die Menschen zu bewegen. Ob man den Entertainer als Frank Sinatra Deutschlands bezeichnen mag, liegt im Auge eines jeden Betrachters. Doch gerade seine letzten Werke – eben eine Annäherung an das Schaffen des legendären Las Vegas Showmasters – lassen diesen Schluss zu. Seinen größten Hit hatte Roger Cicero im Jahr 2007. „Frauen regier’n die Welt“ erreichte Platz 7 der deutschen Single Charts. Das lag nicht zuletzt an seiner Teilnahme am Eurovision Song Contest – bei dem er leider nur Platz 19 erreichte. Ein echtes Highlight bietet CD 2 – das Cover vom Sportfreunde Stiller Hit „Das Kompliment“. Völlig entspannt liefert Cicero mit seiner Band ein Brett von einem tollen Song ab. Die Compilation ist auf jeden Fall eine dieser CD’s die man in seinem Regal haben sollte. Hat sie auf zwei Scheiben das Vermächtnis eines großartigen Künstlers in sich vereint.
Neal Morse gilt ohne Frage als einer der ganz Großen im Progzirkus. Als Gründungsmitglied von Spock’s Beard machte sich der Multiinstrumentalist einen Namen. Als Mitglied der Supergroup Transatlantic festigte er seinen Ruf und als Solokünstler bringt er Jahr um Jahr immer neues Material auf den Weg. Ähnlich wie Marillion hält Morse in regelmäßigen Abständen eine Convention für seine treuesten Fans ab – das Morsefest. Jetzt hat US-Amerikaner die 2015er Auflage auf 2 BluRays bzw. 4 CD’s/2DVD veröffentlicht. Als Highlight wurde am ersten Abend das 2005er Album „? (Question Mark)“ und am zweiten „Sola Scriptura“ von 2007 jeweils in seiner Gänze gespielt. Mit seiner perfekt eingespielten Band u.a. mit dem ehemaligen Dream Theater Drummer Mike Portnoy bringt Neal Morse Progrock in Reinform. Das Publikum dankt es ihm und schwelgt förmlich in den wohligen Keyboardflächen. Aufgerissen wird es von vertrackten Gitarrenrythmen. Gelegentlich hat man sogar das Gefühl auf einer dieser typisch amerikanischen Massenpredigten zu sein. Morse der Prediger und das Publikum der Gospelchor.
Neben den beiden Alben „?“ und „Sola Scriptura“ liefert er Songs aus seinem gesamten Oevre. Bis hin zu Spock’s Beard und einem Transatlantic Medley am Ende des zweiten Konzertes. Für Fans des Progs ist „Morsefest 2015“ ein absolutes Highlight. Neueinsteiger könnten sich ein wenig schwer tun, jedoch bietet der Film einen sehr guten Einstieg in das Schaffen des Neal Morse. Bild- und Tontechnisch gibt es nichts zu meckern. Einzig, das vereinzelte Abdriften des Künstlers in christliche Texte – vor allem in den letzten Jahren – mag ältere Fans etwas abschrecken. Dennoch ein klasse Paket!
Schlagwörter: Neal Morse, Postmodern Jukebox, Roger Cicero



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