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Mike and the Mechanics wollen fliegen…

feines Vinyl / Rezensionen / April 9, 2017
Kurze Zeitreise: Genesis sind Anfang der Achtziger auf dem Höhepunkt ihres Erfolges. Phil Collins hatte sich irgendwann aus einer depressiven Phase heraus zuhause eingeschlossen und eine handvoll Songs komponiert. Daraus entstand später sein erstes Soloalbum „Face Value“. Tony Banks und Mike Rutherford erkennen, dass sie evtl. auch ein zweites Standbein neben ihrer Hauptband benötigen. Nicht nur um eigene Ideen umzusetzen, die bei Genesis nicht zünden konnten, sondern auch um vielleicht etwas gänzlich anderes zu machen. Rutherford veröffentlichte unter eigenem Namen zwei Alben, die vom Publikum nicht so recht angenommen worden. 1985 traf er die Entscheidung ein eigenes Projekt zu gründen, dass ihm eine gewisse personelle Freiheit erlaubt aber dennoch die kreative Entscheidungsgewalt zubilligt. Im Laufe der Jahre entstanden Hitsingles wie „Silent Running“, „Over My Shoulder“ oder das unvergessliche „Living Years“. 32 Jahre später und seit 2011 in weitgehend neuer Besetzung, veröffentlichen Mike and the Mechanics ihr achtes Album: „Let me Fly“. Packt man die Vinylausgabe aus, fällt sofort der fehlende Schriftzug auf dem Cover auf. Wir sehen einen Mann im freien Fall. Doch das ist nicht symptomatisch für die Band. Denn die Mechanics sind gefragter denn je. Zum Inhalt: Waren es in den frühen Tagen Paul Carrack und der verstorbene Paul Young, welche ihre Stimmen eindrucksvoll den Mechanics ihren Stempel aufdrückten, sind es heute Andrew Roachford und Tim Howar. Ersterer ist es auch der das Album mit dem Titeltrack eröffnet. Die soulige Stimme Roachfords in Kombination mit dem gospelartigen Refrain, machen diese Ballade zu einem waschechten Mechanics Song. Man hat auch irgendwie das Gefühl, dass Mike Rutherford auf „Let me Fly“ immer wieder Remineszenzen an ältere Hitsingles einbaut. So erinnert der Stil von „Are you Ready“ stark an „Beggar on a Beach of Gold“. Tim Howar kann hier auch gern als Nachfolger von Paul Young verstanden werden. Seine Stimme passt perfekt zu den eher rockigen Songs. „Let me Fly“ lebt vor allem von der gewissen Leichtigkeit der Stücke. Kein vertrackter Prog, kein fetter Gitarrenrock. Dafür waren die Mechanics nicht bekannt – es waren immer die eingängigen Radiomelodien. Diese gibt es auf dem Album zu genüge – „Wonder“ ist eines dieser Lieder. Dennoch ist die Platte eine, die beim ersten Hören nicht unbedingt zünden mag. Erst mit dem zweiten, dritten Durchgang eröffnet sich eine wohlige Welt, die perfekt für den Frühling ist. Wirkte „The Road“ (2011) fast wie ein „wir müssen unbedingt diese Platte machen, koste es – was es wolle“ ist „Let me Fly“ so ein „hey lass mal wieder eine Platte machen“ Ding. Die Stücke sind allesamt auf einem hohen Niveau. Mike Rutherford dazu: „Das ‚The Road’-Album haute keinen vom Hocker, weil wir es direkt aufnahmen, nachdem sich das aktuelle Line Up der Band kennengelernt hatte. Inzwischen haben wir gelernt, das Beste aus uns herauszuholen. Mir geht’s in erster Linie darum, mir selbst zu beweisen, dass ich einen guten Song schreiben kann. Je älter man wird desto weniger findet man sich mit Gedanken wie ‚ist ganz okay’ ab. Man macht sich nichts mehr vor und geht mit sich selbst härter ins Gericht. Das Schwierigste an meinem Musiker-Dasein ist der Wunsch, relevant bleiben zu wollen.“ Was trotz allem schade ist, ist der exzessive Einsatz von Drumcomputern. Mit Garry Wallis hat Mike Rutherford einen der kraftvollsten Schlagzeuger die es gibt im Portfolio. Warum ist er so selten zu hören? Denn z.B. „The Best is yet to Come“ würde ohne sein Spiel wesentlich farbloser rüberkommen. Warum man „Don’t know what came over me?“ als erste Single auswählte, bleibt im Dunkeln. Vielleicht wusste Mike wirklich nicht, was über ihn kam… Es ist in der Tat der schwächste Song auf der Platte. Ein echtes Highlight ist „The Letter“ – das irgendwo zwischen „All I need is a Miracle“ und diversen Songs von „The Living Years“ zu verorten ist. Alles in allem ist „Let me Fly“ ein reinrassiges Mechanics Album. Nach 6 Jahren der gemeinsamen Arbeit hat sich mit Roachford, Howar und Rutherford sowie den Musikern Luke Juby, Anthony Drennan und Garry Wallis eine echte Band herauskristallisiert. Das merkt man den Stücken des Albums an. Auch wenn sich im Nachgang kein Song in die Reihe der berühmten Stücke der Mechanics einreihen mag, sind sie alle sehr hochwertig. Tolle Hooklines, einfühlsame Töne und eben der Hang zur Melodie die sich ins Ohr brennt. Ein Album, dass allein schon wegen dem tollen Sound auf Vinyl gehört werden muss!
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