Tim Bowness wird den Meisten als Partner von Steven Wilson in deren gemeinsamen Projekt „No-Man“ ein Begriff sein. Mit „Abandoned Dancehall Dreams“ legt der Engländer, nach vielen Jahren mit verschiedensten Kollaborationen, sein zweites Soloalbum vor, dass gerade die Fans von No-Man oder NoSound ansprechen dürfte. Mit Giancarlo Erra von NoSound veröffentlichte Bowness 2011 als „Memories of Machines“ das Album Warm Winter.
Dass Tim Bowness im Umfeld von Steven Wilson und Porcupine Tree unterwegs ist, hört man an allen Ecken und Enden. Freunde von atmosphärischen Soundflächen, zarten Gesangslinien und an Pink Floyd erinnernde Gitarren werden hier absolut fündig. Im Zuge des Releases von „Abandoned Dancehall Dreams“ sprachen wir mit dem Briten.
A2m: Bitte sag mir, was ist die Geschichte hinter “Abandoned Dancehall Dreams”
TB: Das Bild eines verlassenen Tanzlokals, war irgendwie der Startpunkt für etwas, das ich als losen Rahmen für die Songs verwendete. Es ist dadurch so etwas wie ein Konzeptalbum. Alle Lyrics erzählen unterschiedliche Geschichten, aber eine Sache die alle Songs miteinander verbindet ist, dass das Tanzlokal für alle Charaktere einmal eine gewisse Bedeutung hatte. Sie könnten dort gewesen sein um dem Alltagsdruck zu entkommen, hatten dort Streit mit einem geliebten Menschen, arbeiteten dort oder träumten von der Ferne.
Als ich aufwuchs war ich immer von diesen ehemals großen Gebäuden begeistert, die nun zu Ruinen wurden und im Kontext des Albums nutze ich das Tanzlokal als Metapher für Wandel.
A2m: Du bist vorallem bekannt als Teil von “No-Man”. Steven Wilson hat dein Album gemixt. Wieviel „No-Man“ steckt in deinem Album?
TB: Wahrscheinlich sehr viel. Ursprünglich hatte ich mir vorgestellt, dass „Abandoned Dancehall Dreams“ die Basis für ein neues „No-Man“ Album darstellen sollte. Ich habe die Demos von dem Material Steven Wilson gezeigt. Doch wegen seiner anderen Verpflichtungen, konnte er sich nicht so engagieren, wie er es gern gehabt hätte. Am Ende bot er an, das alles zu mixen womit ich ankommen würde. Dies gab mir dann Gelegenheit genau diese Art von Album zu machen, was ich schon ewig einmal machen wollte. Letzlich war Steven sehr großzügig mit seiner Zeit und dies unterstützte mich sehr als ich das Album machte.
Mein einziges vorheriges Soloalbum “My Hotel Year” – bestand aus einer Reihe von Kollaborationen und war ein Mittel um mehrere unterschiedliche Projekte miteinander zu verbinden. Wohingegen „Abandoned Dancehall Dreams“ immer als zusammenhängendes Album konzipiert war und ich eben selbst eine Menge Musik für mich schrieb.
A2m: Wie wichtig war die Arbeit mit Musikern wie Robert Fripp, Pat Mastelotto (beide King Crimson) oder Giancarlo Erra (NoSound) für dein Album?
TB: Mit Robert Fripp und Giancarlo Erra habe ich in der Vergangenheit gearbeitet, keiner von beiden taucht auf dem neuen Album auf. Pat Mastelotto gab einige sehr fantastische und kraftvolle Beiträge. Andere Musiker wie Porcupine Trees Colin Edwin, Gitarrist Michael Bearpark und der Klassikkomponist Andrew Keeling (der die Orchestrierungen auf dem Album übernahm) halfen mir meine musikalischen Ideen zu verwirklichen.
A2m: Als ich Smiler 50 das erste mal hörte, dachte ich, ich höre einen Pink Floyd Song der späteren Phase. Welche Bands haben dich denn beeinflußt für „Abandoned Dancehall Dreams“ ?
TB: Wenn ich ins Songwriting und in den Aufnahmeprozess einsteige, dann denke ich nicht an ein spezielles Genre oder an meine musikalischen Einflüsse. Im Allgemeinen arbeite ich eher mit Emotionen. Z.b. eine für mich aufregende musikalische Idee oder eine Atmosphäre die mich anspricht. Dennoch habe ich einen eklektischen Musikgeschmack und ich liebe Pink Floyd.
Meine frühen Einflüsse sind Kate Bush, Joni Mitchell, Miles Davis, Steve Reich, Peter Gabriel und Genesis. Aber auch David Bowie, King Crimson, Brian Eno uvm. Ich mag auch einige spezielle Künstler der Achtziger. Wie Prefab Sprout, Talk Talk, XTC, Japan oder The Blue Nile.
A2m: Was ist dein favourite auf dem Album und warum?
TB: Wahrscheinlich Smiler at 50, bei dem ich denke, dass es viele Elemente der Platte in einem Song vereint. Es beinhaltet diesen Aspekt einer nachdenklichen Ballade, die ausladenden Streicher und die epischen Rockqualitäten die auch in anderen Songs vorkommen. Ich mag es auch, weil es sowohl als in sich geschlossene Story als auch zu den anderen lyrischen Themen des Albums passt.
A2m: Viele Musiker veröffentlichen ihre Platten wieder auf Vinyl. Denkst du es ist mehr eine Art Nostalgie oder eher der glaube an einen besseren Sound?
TB: Ich denke es ist ein sehr fühlbares und haptisch eindrucksvolles Format. Vielleicht hat der aktuelle Siegeszug auch etwas damit zu tun, dass die Schallplatte ein Statement hinterlässt. Es ist seine wundervolle Plattform für Artwork, jedoch ist sie immernoch teuer in der Herstellung und im Verkauf. Im Vergleich dazu erscheinen Downloads als wertlos und zu leicht zugänglich.
Tim Bowness schafft es mit seinem Soloalbum eine äußerst dichte Atmosphäre zu schaffen. Mal sind es, wie erwähnt rockige Klänge, mal einfühlsame Balladen. Und immer schwingt das Attribut No-Man mit. Da Steven Wilson im Moment offenbar noch an seinem vierten Soloalbum arbeitet, wird es wohl auch noch etwas mit einer weiteren No-Man Platte dauern. 8/10 Punkte
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