Steven Rothery ist ist ja vorallem als Gitarrist von Marillion bekannt. Jetzt entschied er sich die Heimathafen für ein Soloalbum kurz zu verlassen. Das Album „The Ghosts of Pripyat“ soll nun im September erscheinen. Bevor die Scheibe in den Regalen stehen wird, veröffentlicht Rothery das Livealbum „Live in Rome“, welches insgesamt 8 der 9 Songs des Albums enthält. Neben der Audioversion bekommt der geneigte Hörer gleich noch eine DVD des Konzertes mit oben drauf! Im Zuge des Releases sprachen wir mit dem Gitarristen aus Aylesbury.
Es ist schon eine etwas ungewöhnliche Vorgehensweise, wenn vor dem eigentlichen Erscheinen des Albums, ein Großteil der Tracks auf einer Liveplatte in den Handel kommen. Doch vielleicht hält „The Ghosts of Pripyat“ noch so einige Überraschungen bereit. Vielleicht ebenso überraschend wie die Ankündigung Rotherys diese Soloplatte auf den Markt zu bringen. Ausgangspunkt war eine überaus erfolgreiche Kickstarter Kampagne um im voraus Geld für die Produktion zu sammeln. Offenbar ist dies eine neuer Weg für Musiker um abseits von Majorlabels Alben zu veröffentlichen. „Es macht für viele unabhängige Musiker Sinn – vorausgesetzt du hast eine breite Fanbase. Ein weiterer Vorteil: du besitzt die Rechte an deiner Musik!“ „The Ghosts of Pripyat“ ist nicht das erste Projekt Abseits von Marillion. Bereits 1996 und 2009 veröffentlichte er unter dem Namen „The Wishing Tree“ mit Hannah Stobart zwei Alben. „Ich habe viele Jahre darüber nachgedacht ein Soloalbum aufzunehmen. Die Idee es nun zu tun kam auf nach dem ich im letzten Jahr gefragt wurde, ob ich beim Plovdiv International Guitar Festival auftreten möchte. Ich musste dafür ein wenig Musik schreiben – diese Tracks wurden dann zu meinem Album.“ Der Titel entwickelte sich eher zufällig: „Ich schrieb ein Stück dass irgendwie, wie ein gruseliger Jahrmarkt klang und ich habe im Internet nach verlassenen Jahrmärkten gesucht. Dadurch kam ich zu dem bekannten Gelände in Pripyat. Je mehr ich über die Katastrophe von Tschernobyl las umso mehr wurde es zum Albumtitel.“
Bei dem Konzert in Rom präsentieren sich die acht Stücke alle in äußerst spannendem Gewand. Wer jedoch auf Gesang hofft, wird enttäuscht sein. Es handelt sich hierbei um instrumentale Musik, die wie nicht anders zu erwarten, von der Gitarre Rotherys getragen wird. Wenn man sich die Mühe macht und mal die Solostücke mit einzelnen Tracks der letzten drei Marillion Alben vergleicht, so hat man oft das Gefühl, dass er bei dem Livekonzert schon regelrecht entfesselt spielt. Jedes Stück ist in seiner Stimmung anders. Erinnert der Opener Morpheus am ehesten an diesen verlassenen Jahrmarkt, sind andere Songs mal härter, mal lockerer. Jedoch haben alle eine gleiche düstere Grundstimmung. „Alle Songideen entstanden während einiger Schreibsessions mit dem anderen Gitarristen meiner Band, mein Freund Dave Foster“ Dieser ist Gitarrist der Band Mr. So & So. Was bei allen Songs auffällt, man hat immer das Gefühl einen Marillion Song ohne den Gesang von Steve Hogarth zu hören. Selbst Rothery kann dies nicht ganz abstreiten. Auf die Frage, wieviel des „Marillion-Spirits“ in dem Album steckt, antwortete er uns: „Ich muss zugeben, eine Menge. Die Leute können dies jedoch selbst entscheiden. Zum Beispiel mit Morpheus, der Song steht auf meiner Homepage zum kostenlosen Download bereit.“ (http://steverothery.bandcamp.com/track/morpheus-2)
Ähnlich wie David Gilmour hält es auch Steve Rothery. Nach dem ersten Teil, der von seinem Solomaterial geprägt ist, spielt er im zweiten Teil Songs von Marillion. Hier wird er unterstützt von Manuela Milanese und Riccardo Romano. Neben Waiting to Happen bekommen die Fans Easter, Afraid of Sunlight, Sugar Mice und das lange nicht gehörte Cinderella Search auf den Tisch. Gerade im 1987er Sugar Mice, gesungen von Manuela Milanese ist ein absoluter Höhepunkt. Das charakteristische Solo klingt so gut wie lange nicht und die weibliche Stimme sorgen für eine erfrischende Abwechslung. Diese Version ist eine der Besten, die man seit langem von dem Lied gehört hat. Die im Oktober folgende Tour soll ähnlich gestaltet werden. „Wir werden das neue Album spielen und die Zugaben werden ein wenig wie eine Party. Martin Jakubski von StillMarillion wird uns unterstützen und wir werden eine alte Klassiker von Marillion spielen, die das Publikum schon ewig nicht live gehört hat. Wie Incubus, Fugazi, Chelsea Monday oder Cinderella Search. Auch Manuela Milanese wird uns für die drei Konzerte in Deutschland begleiten.“
Obwohl Rothery den Rest des Jahres mit seinem Soloalbum und der Tour beschäftigt sein wird. Ein neues Marillion Album steht schon in der Pipeline: „Wir haben mit dem Songwriting begonnen, aber erwartet es nicht vor 2016.“
Alles in allem hat der sympathische Gitarrist aus Aylesbury hier ganze Arbeit geleistet. Er hat eine sehr gute Band zusammengestellt, die sowohl ein Gespür für die Musik Rotherys als auch die von Marillion entwickelt hat. Der Sound ist großartig! Die Songs des Soloalbums könnten aus einer Session mit Marillion entstammen, sind aber eigenständige Ideen. Sie sind allesamt eindrucksvoll, sowohl bombastisch als auch bedrückend und alles ist gewürzt mit dem äußerst charakteristischen Gitarrensound von Steve Rothery – der dadurch auch beweist, wie unverzichtbar er für Marillion ist. Sein Spiel hat Seele! Wenn die Songs von „The Ghosts of Pripyat“ auf dem Album nur halb so gut herüberkommen, wie hier in der Livefassung, dann hat er ganze Arbeit geleistet. 9/10.
Schlagwörter: Marillion, Steve Rothery