
Marillion waren Ende 2010 zusammen mit Deep Purple auf Deutschlandtour. Vor dem Konzert in Braunschweig stand uns Gitarrist Steven Rothery für ein Gespräch zur Verfügung.
A2M: Hallo Steve, Danke das du dir für uns Zeit nimmst. Wie läuft die Tour ?
Steve Rothery: Die Tour läuft im Moment wirklich gut. Wir waren ein wenig nervös über die Reaktionen der Fans von Deep Purple. Aber es ist fantastisch. Jeder Abend macht wirklich Spaß. Das Publikum ist sehr offenherzig uns gegenüber. Möglicherweise hilft es etwas, dass die Altersgruppen bunt gemischt sind. Oft sind die Leute anfangs etwas verhaltener, aber zum Ende des Sets ist die Stimmung exzellent.
A2M: Wie viele Songs habt ihr denn für die Tour geprobt und wie habt ihr die Setlist erstellt?
SR: Wir haben gut 60 Minuten zur Verfügung, dafür haben wir etwa 45 Minuten Musik geprobt. Bei den ersten Shows haben wir etwas experimentiert und einige Songs gewechselt. Es war etwas schwierig eine ausgewogene Mischung zu finden, denn eine Menge Leute im Publikum kennen wenige von unseren Songs. In Trier spielten wir Gazpacho, das war scheinbar ein wenig zu viel für die Leute. Unser erster Song im Set ist Invisible Man („15 minutes of epic music“) und das kommt gut bei den Zuschauern an.
A2M: Habt ihr viel Kontakt zu den Leuten von Deep Purple?
SR: Ja schon, gestern Abend saßen wir nach dem Konzert (Anm. in Rostock) noch zusammen und tranken ein paar Drinks. Ich hatte ein langes Gespräch mit Steve Morse (Anm. Gitarrist von Deep Purple) über Gott und die Welt. Die Band ist sehr nett zu uns.
A2M: Da ich selbst Gitarre spiele interessiert es mich wie viel Gitarren du im Moment besitzt.
SR: Oh..ich glaube das sind etwa 20.
A2M: Oh okay, sammelst du sie oder hat jede eine gewisse Funktion?
SR: Ja die meisten spiele ich. Es sind auch einige dabei, die ich speziell für Aufnahmen oder zum Songwriting verwende. Momentan habe ich einen Prototyp für eine Signature Gitarre vom amerikanischen Gitarrenbauer Jack Dent. Er baut wirklich tolle Strats und Telecaster Modelle. Er hat ein wenig unorthodoxe Konstruktionsmethoden, aber ein wunderbares Verständnis für Resonanzen und die Auswahl von Hölzern. Ich hatte keinen direkten Einfluss auf das Design. Ich war erst etwas abgeneigt vom Shaping, ich bin eher der traditionelle Typ, doch als ich das Modell spielte war ich sehr überrascht. Die Gitarre besteht im Prinzip nur aus einem Stück Holz, vom Hals bis zum Body. Er baute mir noch ein paar technische Spielereien mit hinein.
A2M: Soll dein Signature Modell auch auf den Markt kommen?
SR: Ich denke mal schon. Momentan gibt es nur ein paar und die kann man auch nur über seine Website bestellen.
A2M: wo wir grade dabei sind, du spielst ja vorwiegend Stratocaster Gitarren aber ich habe dich selten mit den Originalen von Fender, entweder nur mit Squire Modellen oder anderen, gesehen.
SR: Ja das stimmt. Seit etwa 2000, um Anoraknophobia, benutzte ich gerne Gitarren von Blade. Die bauen sehr gute Modelle. Auf der aktuellen Tour spiele ich diese und Die von Jack Dent.
A2M: Als ich mit der Gitarre anfing, gab es einige Songs die mich sehr beeinflussten. Beispielsweise Comfortably Numb (Pink Floyd). Wie ging es dir da? Hattest du Lieder die dich beeinflussten?
SR: Oh ja, Dave Gilmour war ein wichtiger Einfluss. Comfortably Numb oder Shine on you Crazy Diamond sind großartige Lieder. Es waren einige Musiker die mich beeinflussten z.B. Steve Hackett (Genesis), Andy Latimer (Camel) oder der frühe Santana. Ich fand bei Vielen immer ein bisschen.
A2M: Es gab im Internet Gerüchte, dass ihr Probleme bei den Sessions in Portugal für euer kommendes Album hattet und euch angeblich auflösen wollt. Steve Hogarth (Sänger) schrieb daraufhin eine Message an die Fans. Kannst du mir ein wenig darüber erzählen?
SR: Das ist komplex. Die Nachricht an die Fans zu schreiben, war meine Idee. Die Umstände waren schwierig. Es lief nicht ganz so wie wir es vor hatten. Ich meine man kann keine Band dazu zwingen, bereit für ein neues Album zu sein. Wir waren ununterbrochen unterwegs erst nahmen wir Happiness is the Road auf, gingen damit auf Tour, machten eine Convention, gingen wieder ins Studio (Anm. für Less is more) und wieder auf Tour. Wir brauchten einfach eine Pause voneinander. Das ist vor allem wichtig für unser Verhältnis untereinander gewesen. Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung.
A2M: Ich verstehe was du meinst. Du hast im Facebook ein paar Fotos von der Portugal Session gepostet…
SR: Oh ja, ich mag die Fotografie sehr. Ich hoffe irgendwann einen Bildband, mit vielen Fotos von Marillion, aus meiner Sicht, herauszubringen. Diese Idee trage ich schon seit 15 Jahren mit mir herum, doch ich hoffe im nächsten Jahr das Buch endlich fertigstellen zu können. Es werden aber nicht viele Fotos mit mir darauf zu sehen sein… (lacht)
A2M: Wie läuft bei euch das Songwriting ab? Setzt ihr euch einfach nur zusammen und jammt, oder kommt H mit einigen Texten zu euch und ihr komponiert die Musik drum herum?
SR: Das kommt drauf an. Manchmal jammen wir einfach und H singt einfach nur den gleichen Text immer wieder auf 4 oder 5 verschiedenen Stücken. Wenn man sich dann später die Aufnahmen anhört, sagt man okay, das war gut – das nicht so und dann fügt man ein paar Teile aneinander. Gelegentlich kommt Mark oder Pete mit einer Idee an und dann schaut man einfach mal.
A2M: Ihr habt 2010 das erste Mal seit 23 Jahren auf der Loreley gespielt. Wie war es für euch nach dieser langen Zeit auf den, von euren Fans genannten, „heiligen Felsen“, zurück zu kehren?
SR: Es war auf jeden Fall etwas Besonderes nach dieser langen Zeit. Wir haben es sehr genossen, mehr als wir es erwartet hatten.
A2M: Ein emotionaler Moment war, als ihr „Don’t hurt yourself“ für eine schwer kranke Frau aus Holland gespielt habt. Die extra für das Konzert von einem Verein, der kranken Menschen Wünsche erfüllen möchte, zur Loreley gebracht wurde…
SR: Ja das stimmt, sie sah das Konzert von ihrem Bett aus. Es ist großartig zu wissen was unsere Musik den Menschen bedeutet, auf der anderen Seite ist es auch bedrückend. Leider starb sie einige Wochen später.
A2M: 2010 war das 25. Jubiläum von Misplaced Childhood, wie denkst du heute über diese Zeit und das Album?
SR: Das war eine tolle Zeit damals in Berlin. Wir hatten jetzt auf der Tour einen Tag Pause in Berlin, das hat mich schon an die Zeit damals erinnert als wir das Album aufnahmen. Es ist dennoch schwierig sich heute dahin zurück zu versetzen. Wir wussten, dass wir etwas Gutes aufnehmen, doch es kam uns nicht in den Sinn, dass es so erfolgreich sein würde. Möglicherweise waren die Arbeiten zu Misplaced Childhood die beste Zeit in den frühen Tagen der Band. Die erste Seite wurde in nur wenigen Wochen fertigstellt, ich glaube das ist das Schnellste was wir je gemacht haben. Es war ein unglaubliches Gefühl, das damalige, Berlin zu entdecken, doch die Stadt sich heutzutage sehr gewandelt. Alles in allem bin ich sehr stolz auf das Album.
A2M: Ihr macht alle zwei Jahre eine Convention für euren Fanclub. Dieses Jahr seid ihr das dritte Mal in Holland. Soll dies die Letzte dort sein, oder wollt ihr auf jeden Fall noch mehrere machen?
SR: Auf jeden Fall werden wir noch welche machen. Es ist eine unglaubliche Erfahrung. Ich glaube die Attraktion dabei ist nicht nur die Band zu sehen, sondern auch dass Fans aus der ganzen Welt dort zusammen kommen um dort die Band und die Musik zu feiern. Es ist eine riesen Party. Die Parties sind ebenso legendär wie die Musik (lacht). In diesem Jahr machen wir sogar drei Conventions. Die normalen in Holland und Montreal sowie eine Kleinere in England. Es macht echt Sinn alle paar Jahre diese zu machen.
A2M: …und nach den Conventions braucht ihr erstmal 4 Wochen Urlaub…
SR: (lacht) yeah…aber die Konzerte sind schon etwas Besonderes.
A2M: Okay, wo siehst du die Band in 10 Jahren?
SR: Das ist etwas schwierig, wenn man sich Deep Purple anguckt, die sind immer noch stark drauf und da sehe ich keine Grund warum man aufhören sollte. Ich denke mal 10-15 Jahre sind auf jeden Fall mit Marillion noch drin, so dass es großartig wäre noch etwa 3-5 Alben zu machen. Eigentlich ist es unmöglich zu sagen was man als nächstes macht. So lange es uns Spaß macht und wir es genießen, sehe ich keinen Grund weshalb wir uns trennen sollten.
A2M: Du hast ja neben Marillion auch dein eigenes Sideproject mit Namen „Wishing Tree“ laufen und ihr habt zwei Alben veröffentlicht. Wie geht es da weiter? Macht ihr weitere Alben?
SR: Ja das haben wir mit Sicherheit vor. Meine Sängerin Hannah Stobart ist grade dabei ein Projekt mit ihrem Ehemann zu beenden und sie hat auf einem Album von Simon Collins (Anm. d. Red.: Sohn von Phil Collins) ein paar Vocals eingespielt. Es wurde bei uns angefragt ob wir im Sommer beim High Voltage Festival spielen wollen und wir sind interessiert dann auch ein paar Shows in dieser Zeit zu absolvieren. Irgendwann haben wir dann auch vor ein neues Album zu machen, Hannah ist einer meiner engsten und ältesten Freunde, ich liebe es mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie ist praktisch Teil meiner Familie.
A2M: Vielen Dank Steve für das Interview ! Viel Erfolg für die Conventions und die kommenden Projekte.
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