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Die Reise geht weiter – Schillers Christopher von Deylen im Interview

Interviews / September 30, 2013

schiller_opus_03_72dpiSieben Alben in den Top Ten der deutschen Albumcharts, davon vier auf Platz 1 und unzählige Kollaborationen mit einigen der erfolgreichsten Musikern unserer Zeit. Dies ist die bisherige Bilanz von Christopher von Deylen und seinem Projekt Schiller. Bevor er nun morgen  auf der „Opus live – Neue Klangwelten 2011“ Tour halt im Gewandhaus zu Leipzig macht, hatten wir im Zuge der Veröffentlichung von „Opus“ die Möglichkeit Christopher von Deylen zu interviewen.

A2m: Hallo Christopher, Vielen Dank, dass du dir Zeit für uns nimmst. Du bist grade auf Promotour unterwegs, wo bist du im Moment?

Christopher von Deylen: Ich bin gerade in Hamburg. Jedoch geht es nachher noch weiter nach Berlin, und bald beginnen in Werne die Proben für die anstehende Tour. Das geht jetzt alles Hand in Hand, weil die Veröffentlichung von “Opus” ja eigentlich gar nicht geplant war – die Tour, die am 20. September beginnt hingegen schon. Daher liegt das jetzt alles näher aneinander, als man es normalerweise kennt.

A2m: …das hört sich ziemlich stressig an.

CvD: Nein, das ist eher aufregend. Ich betrachte einen Tag, der reich gefüllt ist, nicht als Stress, sondern eher als Geschenk. Es ist unglaublich schön, mit der eigenen Musik eine konstante Bewegung entstehen lassen zu können. Das ist großartig und auf eine gewisse Art auch ein Luxus, den ich so gut es geht in Form von Freiheit für mich urbar machen möchte..

A2m: Du sagtest Opus war so nicht geplant. Kannst du mir kurz etwas über die Entstehung erzählen.

CvD: Ja…es ist ja nicht einmal ein Jahr her, dass das letzte Schiller-Album ‘Sonne’ erschienen ist. Ich gehe beim Musizieren natürlich nicht nach einem bestimmten Kalendarium vor. Dennoch hat sich in den letzten 10 Jahren herauskristallisiert, dass ich nach einem Album bzw. der dazugehörigen Tour eigentlich erst einmal “arbeitslos” bin (lacht). So dass ich dann stets von neuem beginne und überlege: “Wie kann die Reise weitergehen ?” Das braucht dann seine Zeit, und meistens vergehen wieder zwei Jahre, bis ich mich traue, ein neues Album zu veröffentlichen. Bei “Opus” war es eigentlich eine unvorhersehbare aber doch auch sehr organische Kettenreaktion. Ich habe immer schon damit geliebäugelt,, ein reines Instrumentalalbum zu machen. Der Gedanke hierzu zeigte sich mir wieder nach der letzten grossen “Sonne Live” Tour. Der Ursprung liegt jedoch in der Klangwelten Tour 2011, bei der wir ausschliesslich instrumental und rein elektronisch spielten. Ich überlegte mir, ob man das nicht auch in Form eines Albums machen kann. Dazu gab es in meinem Schaffen ja immer wieder Berührungspunkte mit der Klassik-Welt. Der Song „Ein schöner Tag“ basiert beispielsweise auf einer Oper von Puccini, und 2008 habe ich mit dem klassischen Pianisten Lang Lang “Time for Dreams” für die Olympischen Spiele in Peking aufgenommen. So führte mich mein Weg diesmal zu einem Album, das überwiegend von klassischen Melodien inspiriert wurde und dabei sehr elektronisch klingt. Das hat sich alles fast von selbst ergeben und war ein sehr harmonischer Prozess.

A2m: Nach welchen Kriterien hast du die Kompositionen ausgewählt?

CvD: Viele dieser Melodien tragen eine Magie in sich, die durch ihre zeitlose Vertrautheit auf eine gewisse Art eine Allgemeingültigkeit besitzt. Diese Melodiebögen sind zwar oftmals sehr einfach und überschaubar gehalten, vielleicht bewegen sie den Zuhörer aber gerade deswegen so unglaublich intensiv. Mir diese Melodien mit einer Mischung aus Respekt und Neugier auszuleihen, um sie mit den Sounds von Schiller zu kombinieren, das war wirklich faszinierend.

A2m: …und die Auswahl erfolgte dann quasi nach dem Kriterium die und die Melodie würde passen oder gab es da einen Input von aussen?

CvD: Nein, die Energie kam von innen. Einen Grossteil der Werke kannte ich natürlich schon. Viele der Melodien sind einem ja schon öfter im Leben begegnet. Ich konnte zwar nicht alles gleich zuordnen, weil ich nicht wusste, wer der eigentliche Komponist war, aber trotzdem klang doch sehr vieles sehr vertraut. Einiges ist jedoch auch erst durch wirkliche Forschung herausgekommen. Zum Beispiel hatte ich die „Reverie“ von Debussy bisher noch nie gehört. Auf so eine Perle stößt man dann natürlich erst, wenn man sich mit einem Genre genauer beschäftigt. Ich habe dann eine Zeitlang viel Klassik gehört und konnte dadurch sehr viel lernen. Dabei habe ich Melodien entdeckt, die ich vorher nicht kannte. So haben einige Stücke ihren Weg auf das Album gefunden, die man jetzt vielleicht nicht unbedingt als „Klassik-Hits“ bezeichnen würde. Diese Stücke haben dennoch ein musikalisches Eigenleben, das den Hörer tief berührt.

schiller_opus_photos_09_72dpiA2m: Verlief die Arbeit mit den Klassischen Musikern, wie Hélène Grimaud (Foto), anders als mit Popmusikern wie Midge Ure, Mike Oldfield etc. ?

CvD: Das ist eine gute Frage. Der markanteste Unterschied ist, glaube ich, dass klassische Künstler in den seltensten Fällen selber komponieren – im Falle von Opus gar nicht. Ein Klassikkünstler kann ja aus einem nahezu unerschöpflichen Repertoire an Stücken wählen, und sich aussuchen, was gerade zu seiner Stimme, Laune oder Lebensphase passt. Aber diese Werke bestehen ja schon. Er muss sie zwar finden, aber nicht erfinden. Es besteht also maximal die Frage, wie man diese Kompositionen interpretiert. Die Frage nach der Nachhaltigkeit der Komposition ist ja schon lange vorher beantwortet worden. Im Pop ist es natürlich so, dass bis zum Ende immer eine gewisse Unsicherheit bleibt. Hätte man es besser komponieren können ? Ist der Refrain stark genug ? Hätte man das textlich noch anders gestalten können ? Das bringt eine gewisses Maß an latentem Zweifel mit sich, der sehr spannend sein kann, und den ich auch sehr mag. Grade aus dieser Unsicherheit heraus kann ja sehr schön etwas Neues entstehen. Zusammenfassend kann ich sagen, dass das in der Klassik der Fokus sehr auf die Interpretation gelegt wird, im Popbereich hingegen ist der Vorgang des Komponierens beinahe wichtiger als die eigentliche Interpretation. Das heißt aber nicht, dass die Arbeit mit Klassikkünstlern unkreativ sei, weil man da nichts zu komponieren hätte (lacht). Es gibt immer noch genügend Fragen, die sich stellen. Es ist einfach eine ganz andere Fokussierung, die man gar im Sinne von “besser oder schlechter” bewerten kann.

Was vielfach kritisiert wurde ist die Praxis mehrfache Editionen auf den Markt zu bringen? Wie kommt es dazu? Wer entscheidet das?

CvD: Diese Vielfalt an Editionen gibt es bei Schiller schon sehr lange. Dass es auf verschiedene Geschmäcker und Bedürfnisse abgestimmt Pakete gibt, finde ich sehr wichtig. Tatsächlich gibt es ja Hörer, die gerne einfach nur das Kernalbum haben möchten. Da muss es dann auch gar nicht so viel mehr sein. Es gibt aber auch viele Musikfreunde, die etwas mehr hören und ausgiebiger genießen möchten. Da will man sich die CD nicht einfach nur ins Regal stellen, sondern die jeweilige Edition besitzt dazu noch einen dekorativen Aspekt. Es gibt also immer auch die Möglichkeit, sich eine “grössere” Version zuzulegen. Das ist natürlich eine freie Entscheidung. Ich biete gerne verschiedene Editionen an, aber die eigentliche Wahl kann der Hörer individuell treffen.

schiller_opus_photos_08_72dpiA2m: Du erwähntest eingangs die Tour.  Was habt ihr denn so geplant? Worauf darf sich das Publikum freuen?

Die Konzertbesucher können sich auf ein sehr stimmungsvolles Audioerlebnis freuen. Es wird auf jeden Fall rein instrumental und sehr elektronisch klingen. Das Repertoire wird zu einem Teil aus den Klangwelten Classics von 2011 bestehen. Dazu gibt es einiges vom Album “Sonne” und ausgewählte Titel, die wir noch nie live aufgeführt haben. Natürlich werden auch geeignete Stücke von Opus mit dabei sein. Es wird also ein umfassender Ausschnitt aus dem Schillerwerk zu hören sein, aber mit dem eindeutigen Fokus auf Elektronik. Die Konzerte werden wieder in vollbestuhlten Häusern und mit verbessertem Surround Sound stattfinden. Das sage ich zwar immer wieder, aber wir lernen ja auch jedes Mal dazu. Denn das ist immer noch eine akustische Herausforderung und ein stetiger Kampf mit der Physik (lacht).

A2m: Wie geht es nach der Tour weiter?

Vor einem Jahr, als ich die Veröffentlichung von Sonne und die zugehörige Livetour noch vor mir hatte, habe ich auf die Frage geantwortet, dass mein Planungshorizont Heiligabend aufhört. Jetzt ist im positiven Sinne ein neues Album dazwischen gekommen. Es steht wieder eine neue Tour an, ein weiteres Mal in Richtung Jahresende. So dass ich jetzt wieder sagen kann: Heiligabend endet mein Planungshorizont (lacht). Es gibt tatsächlich momentan gar nichts, was für das nächste Jahr geplant ist. Kurz vor Weihnachten werden wir eine Tour durch Russland und die Ukraine machen – worauf ich mich sehr freue. Die Reise geht also weiter…

A2m: Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die anstehende Tour!

Photo 1 und 3 by Phillip Glaser

Photo 3 by Eric Schneider


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