Ein neues Schiller Album ist so ein wenig wie eine Wundertüte. Man weiß nie was man bekommt. Ich gebe es zu, „Future“ ist für mich der absolute Tiefpunkt in der Karriere von Christopher von Deylen. Zu anbiedernd an einen Stil dem höchstens ein Paul Kalkbrenner steht, fühlte sich die Platte an wie zähes Leder. Drei Jahre später, möchte sich der Hamburger nun neu erfinden und sich auf frühere Stärken besinnen – ob es ihm gelingt?
„Morgenstund“ beginnt wie üblich mit dem bekannten von Franziska Pigulla gesprochenen „Willkommen in der neuen Welt von Schiller“. Auch wenn diese Aufnahme bereits mehrere Jahre auf dem Buckel hat, ist es eine Remineszenz an die kürzlich verstorbene Synchronsprecherin.
Mit „Harmonia“ – das übrigens im The Farm Studio von Mike Rutherford aufgenommen wurde – beginnt die Reise durch den Morgen. Was liegt hier näher als auch gleich einen Gastauftritt vom Genesis Gitarristen/Bassisten mit einzubauen. Während dem harmonisch-elegischen Instrumental hört man hinter starken Reverb und Delay Sounds die Gitarre von Mike Rutherford. Ob er es auch war, der den Kontakt zu Gary Wallis wieder hergestellt hat? Der Pink Floyd und Mike & The Mechanics Drummer hat bereits Anfang der 2000er bei den ersten Liveauftritten von Schiller am Schlagzeug gesessen. Bis hierhin funktioniert die Rückbesinnung.
Stillistisch ist „Morgenstund“ am ehesten irgendwo im Bereich von „Atemlos“ zu verorten. Christopher von Deylen setzt auf gewohnte Chill-out Elemente im Wechsel mit gesungenen Tracks. Als Gäste sind dieses Mal neben Mike Rutherford – das übrigens nirgends auf dem Plattencover vermerkt wurde – Giorgio Moroder, die Post-Edgar Froese Tangerine Dream, Tricia McTeague und Nena. Letztere singt den Titeltrack und das sogar ziemlich gut. Was ebenfalls auffällt ist der verstärkte Einsatz von E-Gitarren. Das wertet die Stücke deutlich auf.
Dennoch muss man sagen, fehlen die eingängigen Melodien im Gesamtbild. Es wirkt als setzt von Deylen immer mehr auf eine Art sinfonisches Moment – was heißt, dass die Stücke nicht mehr für sich stehen, sondern im großen Ganzen. Gleichzeitig geht es dem Klangkünstler mehr um die Synthfläche als solche – zu ungunsten von Melodiebögen. Einzelne Kracherstücke wie „Ruhe“, „Ein Schöner Tag“ oder „Nachtflug“ fehlen seit Jahren.
Die Veröffentlichungspraxis von Schiller ist seit Jahren manchem ein Dorn im Auge. Denn oft war es bisher so, dass die besten Stücke nicht im „Standard“ Album sondern in den teuersten Editionen vertreten waren. So ist es auch dieses Mal. Die Limited Super Deluxe Edition enthält neben einem Live Konzert in Teheran auch eine CD mit weiteren Stücken – u.a. einer halbstündigen Version von „Morgenstern“ feat. Tangerine Dream oder „Aurora“.
In jedem Fall ist dem audiophilen Hörer geraten zur Vinyl zu greifen, diese ist glasklar und druckvoll produziert. Was man bei Schiller auch erwarten darf. Klanggenuss vom feinsten.
Was bleibt nun von „Morgenstund“? „Morgenstund“ ist perfekt für den Start in den Tag. Man wird geweckt mit zarten Sounds, die zum Träumen einladen und Energie geben sollen. Als Pendant für den Abend ist dann „Tag und Nacht“ anzusehen.
In jedem Fall tat die Rückbesinnung gut. Mehr Gitarren, vermehrte akustische Instrumentierung, weg vom „Westcoast-Style“. Das Album ist in sich deutlich stärker als die Letzten. Wenn Christopher von Deylen nun noch ein wenig mehr aus dem Klangwelten Modus kommt und wieder ein wenig risikofreudiger werden würde, dann könnte man zu alten Stärken wiederfinden. Live dürften die Stücke auf jeden Fall gewinnen.
Schlagwörter: Christopher von Deylen, Morgenstund, Schiller
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