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Pink Floyd im Endless River

Rezensionen / November 11, 2014

Pink_Floyd_-_The_Endless_River_(Artwork)Was war es für eine Nachricht als Polly Samson Anfang Juli verkündete, es wird ein neues Pink Floyd Album mit dem Titel „The Endless River“ erscheinen, dass auf Songmaterial der Division Bell Sessions beruht. Für diejenigen unter uns, mich eingeschlossen, denen es nie vergönnt war die Veröffentlichung eines neuen Albums dieser Band bewusst mitzuerleben, ein Geschenk des Himmels.

Gleich kamen Diskussionen über Resteverwertung, Geldmacherei etc. auf. David Gilmour bezeichnete es als das finale Statement von Pink Floyd. Seit der Ankündigung im Sommer, brach die Platte alle Rekorde. Kurz vor Release gab Amazon bekannt, es sei das meist vorbestellte Musikalbum aller Zeiten. Es ist aber vorallem eins, das Tribut an den 2008 verstorbenen Keyboarder Rick Wright.

Die Idee zu diesem Werk kam David Gilmour als er eher zufällig auf die, von den Aufnahmen zur 1994er Platte Division Bell, übriggeblienenen ca. 20 Stunden Material stieß. Ursprünglich plante man Teile dessen als „The Big Spliff“ zu veröffentlichen, wie es Nick Mason in seiner Biographie erwähnte. Dem Gitarristen wurde mehr oder weniger klar, wie groß der Anteil Wrights am Schaffen von Pink Floyd war und dass es eben nun nicht mehr möglich sei komplett neues Material aufzunehmen. So entschied er sich aus den verbliebenen Aufnahmen ein zusammenhängendes Werk zu produzieren. Dies war Ende 2012. Er gab Teile an die  Produzenten Phil Manzanera, Andy Jackson und Youth die das Material sichteten und versuchten es zu einem sinnvollen Ganzen zu kompilieren. Da Gilmour zeitgleich an seinem, für 2015 angesetztem, Soloalbum arbeitete, zog sich dies bis weit in das Jahr 2013 hinein. Ende des Jahres kam die endgültige Entscheidung, anstelle eines Zusatzes zum 20 jährigen Jubiläum von Division Bell, das Material als eigenständiges Album zu veröffentlichen. Die beiden verbliebenen Bandmitglieder David Gilmour und Nick Mason gingen gemeinsam mit mehreren Gastmusikern ins Studio um „The Endless River“ zu vollenden. So viel zur Vorgeschichte.

The Endless River erscheint in verschiedenen Editionen, als Doppel-LP, CD, CD + 2 DVD und als CD + BluRay Edition. Wobei hier die CD + DVD bzw. BluRay Edition äußerst lohnenswert ist. Denn neben einem grandiosen 5.1. DTS Mix ist sind hier noch verschiedene Videos mit Originalaufnahmen von 1994 sowie drei Audio’s enthalten. Dazu weiter unten mehr.

Was haben uns die beiden Herren denn nun kredenzt?  Eine, insgesamt 18 Stücke umfassende, in 4 Teile aufgeteilt Sinfonie durch die Geschichte der Band. Wie angekündigt handelt es sich um ein Ambientalbum mit einem gesungenen Titel. Wer „neues“ oder „innovatives“ erwartet, wird von vornherein enttäuscht sein. Vielmehr ist es eine musikalische Reise durch die Geschichte der Band. In jedem Teil lassen sich Remineszenzen an frühere Songs finden. Das mag dem einen oder anderen Kritiker missfallen oder als Ideenlosigkeit bezeichnet werden, doch vielleicht war es genau der Anspruch – eine Rückbesinnung zum Schluß.

Der erste Teil, der die Stücke Things Left Unsaid, It’s what we do und Ebb and Flow umfasst geht eindeutig in die Richtung Wish You Were Here und Division Bell. Eine Synthiefläche, Stimmen im Hintergrund und eine mit dem E-Bow bearbeitete Gitarre. Das reicht um sich sofort heimisch zu fühlen. Man denkt unweigerlich an das allseits beliebte Shine on you Crazy Diamond oder auch an Welcome to the Machine. Die erste Seite wird im Mittelteil von einem bewegenden Gitarrensolo Gilmours getragen und fährt mit Ebb and Flow wieder zurück.

Die experimentelle Phase zwischen A Saucerful of Secrets und Meddle steht auf der zweiten Seite im Vordergrund. One of these Days und Echoes sind die Stücke die einem hier sofort in den Sinn kommen nur um mit Anisina, einem der ersten Stücke auf The Endless River auf dem man Lyrics vermisst, wieder in eine ganz andere Richtung gedrückt zu werden. Es dominiert eine Klavierlinie, die nur durch die Klarinete von Gilad Atzmon und der Gitarre durchbrochen wird. Hier fällt einem sofort eine aus Comfortably Numb bekannte Streicherlinie auf. Die Stimme Gilmours hinzu und dieser Song wäre ein absoluter Klassiker des Pink Floyd Spätwerkes geworden.

Auf Seite drei stehen eindeutig die Stücke Allons-Y (1), Autumn ’68 und Allons-Y(2) im Vordergrund. Ersteres greift das aus The Wall bekannte Run Like Hell mit seinem treibenden Gitarrenbeat auf um mit Autumn ’68 unterbrochen zu werden. Hier ist Rick Wright beim Soundcheck auf der Orgel der Royal Albert Hall im Herbst 1968 zu hören. Wrights Tochter erwähnte kurz vor Erscheinen des Albums, dass es wohl Teil einer von ihm komponierten Sinfonie sei, die jedoch nie zur Aufführung kam. Auch Allons-Y ist wieder so ein Fall, mit Lyrics wäre es nochmal besser geworden. Als Abschluss der Seite fungiert Talkin‘ Hawkin‘, einer quasi Fortsetzung vom 1994er Keep Talking, auf dem der Nobelpreisträger Stephen Hawking mit seinem Sprachcomputer zu hören ist.

Die Erinnerungen an bekannte Songs sind mal mehr mal weniger vorhanden. Auch auf Seite vier, wo das kurze Eyes to Pearls frappierende Ähnlichkeit mit Goodbye Blue Sky hat. Dies mündet in Surfacing, das quasi als Einleitung zum Albumhöhepunkt „Louder than Words“ führt. Man ertappt sich dabei, wie man denkt „endlich“ ist der gesungene Track da, auf der anderen Seite sagt man sich, „wie nur ein Song mit Lyrics?“ Ferne Glocken sind zu vernehmen, bevor Gitarre und Klavier einsetzen. Und dann ist sie da, die Stimme von David Gilmour. We bitch and we fight / Diss each other on sight / But this thing we do / These times together / Rain or shine or stormy weather / This thing we do. Dieses sind die letzten Worte von Pink Floyd. Polly Samson – Gilmours Ehefrau fasst hier die Quintessenz des gesamten Albums zusammen. Das was die Band hinterlässt ist lauter als Wörter. Es ist die Summe aller Mitglieder. Es ist etwas für die Ewigkeit. Dafür muss man dankbar sein! Alles mündet schließlich einem emotionalen Gitarrensolo. Ein würdiger Schlußpunkt. Das eigentliche Album endet hier.

Wie oben erwähnt, gibt es auf der BluRay Bonusmaterial, dass noch einen tieferen Einblick gewährt. Dabei ist die wohl größte Überraschung das Video zu Nervana. Dieser Song ist ein krachender Bluesrocktrack irgendwo zwischen Deep Purple, Neil Young oder Grateful Dead. Die Nummer mit Lyrics…ein Traum. Evrika (a) und (b) sind die Vorstufen zu Wearing the Inside out. Bei a sieht man Gilmour allein auf seinem Hausboot, der Astoria, zum Backing jammen. Bei b ist die gesamte Band im Studio vertreten. Alles in allem eine absolut lohnenswerte Mehrinvestition. Allein der 5.1. Mix ist Gold wert!

Wie lässt sich The Endless River zusammenfassen, bei dem sich Trauer und Dankbarkeit die Hand geben. Am besten garnicht. Denn das Album ist als Ganzes zu betrachten. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Flickenteppich, der aus unterschiedlichen nicht zuende gedachten Ideen besteht. Doch das ganze Gegenteil ist offenbar der Fall. Es geht vielmehr um die Rückbesinnung auf die Bandgeschichte. Die Zusammenfassung dessen was man geleistet hat und gleichzeitig der Transport ins neue Jahrtausend. Das ist Innovation und Wohlfühlzone in einem Atemzug. Wobei es für David Gilmour keine leichte Entscheidung gewesen sein muss, nochmal unter dem Namen Pink Floyd zu firmieren, hat er doch über viele Jahre jedwede Rückkehr ausgeschlossen. Wirklich schade ist es, dass einige Stücke keine Texte bekommen haben und weiter ausgebaut worden sind. Dies hätte sicherlich einige Kritiker versöhnt. Man muss das Werk nun so akzeptieren wie es ist und es ist gut geworden. Auch wenn Bandkopf Gilmour im nächsten Jahr Solotouren will und man hoffen darf den ein oder anderen Track live zu hören, ist es ein würdiger Schlußakkord einer Jahrhundertband, die es in dieser Form nicht wieder geben wird. Man kann sich nur verneigen. Danke Richard Wright, David Gilmour, Nick Mason, Roger Waters und Syd Barrett!


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